David Meili, 20. Juni 2010, 10:10 Uhr

Sex sells, keine Tiere auf dem Teller und eine gestrecke Bundesrätin

Pressespiegel zum Wochenende vom 19./20. Juni 2010
Sex sells. DAS MAGAZIN beschert uns einen Beitrag, der bereits nach seinem Erscheinen in Foren zu Kontroversen führte. Birgit Schmid schreibt über Lustpillen für die Frau. Der Beitrag bleibt im Ansatz stecken. Braucht man für ein erfülltes Leben in jeder Phase „Sex“, und was ist das überhaupt? Uns interessiert mehr die Frage, wie DAS MAGAZIN ein  heikles Thema illustriert.Auf der Seite mit dem Editorial werden wir schliesslich fündig. Für die Bilder zeichnet Hendrik Purienne. Ach ja, man erinnert sich, er arbeitet  für MirageMagazine und ist wirklich Weltklasse. Das hätte man der Leserin auch mitteilen können. Doch da die Bilder bereits früher publiziert worden sind, schämte man sich an der Werdstrasse, vermutlich.

In der SonntagsZeitung (Seite 11) geht Peter Rothenbühler mit Shawne Fielding, die man auch in Kreisen der Bildjournalisten mag, weil sie stets sehr freundlich und zuvorkommend ist, hart in Gericht. Sie soll sich äusserlich verändert haben lassen (man drückt sich ja vorsichtig aus). Doch Rothenbühler zieht als Doyen der People-Presse eine beängstigende Bilanz. Am Schluss sähen alle gleich aus, und verfügten über keinen Wiedererkennungswert. Das sitzt.

Ein interessanter Beitrag für Foto-Interessierte von Joachim Laukenmann auf Seite 65 der SonntagsZeitung. Er erklärt die Kamera von Dectris, die auch die Zukunft der Fotografie mitbestimmen könnte.

Exklusive Aufnahmen des Strafverteidigers Lorenz Erni zeigt uns in der gleichen Ausgabe Vincent von Ballmoos. Die Schwarzweiss-Bilder kontrastieren, vielleicht bewusst, zum Text von Mathias Ninck, der Erni Schritt für Schritt als normalen Bürger mit einem etwas speziellen Beruf kennenlernte. Doch die Bilder sind ebenso hervorragend wie das Layout, und der Text.

Dann folgt (immer noch im gleichen Heft) eine Überraschung. Mosaikartig werden auf einer Doppelseite Bilder aus dem Leben der Fotoreporter  Margrit und Ernst Baumann ausgebreitet. Baumanns? Haben beispielsweise  1964 Che Guevara fotografiert. Im Interview mit Urs Seiler auf der Folgeseite stösst man auf ein interessantes Statement. Nach dem Durchbruch des Fernsehens als Medium sei die klassische Fotoreportage nicht mehr marktfähig gewesen. Die fremden Länder kamen nun direkt in die gute Stube. Der Beitrag bezieht sich auf ein Buch über die Baumanns, das im Verlag Scheidegger&Spiess erschienen ist.

Das magazin zum SonntagsBlick setzt auch auf Fleisch, nur in eine andere Richtung. „Fleischlos glücklich“, laute der Trend, predigt Marcel Maerz als Redaktionsleiter. Und wer, ausser Dave Brüllmann, könnte dies fotografisch umsetzen? Die Bilder sind erstklassig, die lockeren Texte hätte sich Christiane Binder nochmals überdenken sollen. Weshalb eine Schweizer Zuchtforelle nicht gegessen werden soll, weil Greenpeace auf die Überfischung der Weltmeere hinweist, bleibt ein Rätsel. Und reife Auberginen, in erstklassigem Olivenöl gebacken, schmecken definitiv nicht nach „Karton“.

Gunnar Knechtel porträtiert im gleichen Heft Lorenzo de` Medici. Auch dieser Text (Helmut-Maria Glogger) ist witzig geschrieben, unterhaltsam für einen regnerischen Sonntag. Die Bilder gefallen, mit Direct Flash und vielleicht doch etwas Nachbearbeitung. Man möchte wirklich wissen, wie sie entstanden sind.

Im SonntagsBlick dominiert die Hochzeit in Stockholm. Helmut-Maria Glogger und Aurelia Forrer waren offensichtlich vor Ort. Die Aufnahmen sind aus Agenturbildern zusammengeklaubt. Kein Wunder, denn die wenig verbliebenen Fotografen des Pressehauses sind ja in Südafrika. Der Text von Glogger rührt zu Tränen. Selbst als People-Bild-Fotograf muss man nicht mehr vor Ort präsent sein. Man schiebt die Bilder locker mit der Maus zusammen.

Die Berichterstattung über Victoria und Daniel von heute im SonntagsBlick hat einen Vorläufer. Georges Mélies schlug in den Anfängen des Kinos die Konkurrenz Pathé, indem er die Königskrönung von Georg V ganz einfach im Studio (mit Schauspielern) nachstellte und damit den Film bereits in den Kinos in Paris (nahezu in Echtzeit) projezieren konnte, als Pathé in einer spektakulären Aktion den Film noch in einem Bahnwagen auf der Rückfahrt von London entwickelte und kopierte. (Bildnachweis: Keystone für BlickamSonntag)

Micheline Calmy-Rey dürfte wenig geschlafen haben, und wer sie gestyled und fotografiert hat, auch nicht. Sie ist für den Abwehrkampf der kommenden Woche auf allen Kanälen präsent. Im SonntagsBlick wird sie von Philipp Zinniker porträtiert, recht sympathisch, doch mit eher welschem Geschmack bei der Einrichtung ihres Büros (und dem Dress).

Doch Micheline Calmy-Rey ist auch in einem tadellosen Ganzkörper-Porträt von Alex Spichale in sonntag.ch präsent. Sorry, liebe Kollegen in Baden, sie hat unglaublich lange Beine. Angekündigt ist ja auch das „grosse Interview“. Doch immerhin erfährt man: „Der Diebstahl der Fotos ist auch in der Schweiz eine Straftat.“ Damit schreibt die Frau Bundesrätin Medienrecht.

Der Star unter den People-Journalisten in einer sehr ausgedünnten Welt von People ist Sacha Ercolani. Er bringt auf sonntag.CH auf Seite 8 (Nachrichten!), dass sich Ruth Metzler in Stefan Zimmermann (UBS) verliebt hat und Metzler mit Kaspar Villiger (69) im Bundesrat war.

Erwähnenswert: Das online noch nicht verfügbare Bildli der beiden als Paar wird als „Fotomontage“ bezeichnet. Ein Novum in der Sonntagspresse. Auf die von uns sonst geschätzte Medienseite von Kurt-Emil Merki in sonntag.CH gehen wir nicht ein. Wer Kampagnen mag, soll sie lesen.

4 Kommentare zu “Sex sells, keine Tiere auf dem Teller und eine gestrecke Bundesrätin”

  1. Die sonntägliche Presseschau von Fotointern ist reinstes Vergnügen; der Autor ein begnadeter Formulierer und sehr aufmerksamer Beobachter der hiesigen Presseszene. Vergnügen bereitet vor allem sein Talent für seine Assoziationen mit satirischem Effekt. Es sind die Rosinen in seinem wöchentlich stets von Neuem mundenden Text-Gugelhopf! Da soll mir noch einer sagen, dass Fotografen nur ein Auge haben, eben «nur» das Objektiv. Wie schön, dass ein Talent eben subjektiv schreiben kann UND DARF! Weitermachen!

  2. Langeweile-daran krankt die gesamte Presse und die Werbebranche. Darum das kontunierliche Lokalpressesterben in Basel. Es ging zu gut, man war überfordert. Die wahren Kreativen hatten nichts melden. Das Pressemonopol hat sein Früchte getragen.

  3. @Michael. In Basel nutzt man (wie in Genf) zu wenig die Chance als Grenzregion. Mit den Nahcbarstädten wäre die Region auch werbemässig und damit für die Presse attraktiv. Man hätte einen Markt, der grösser wäre als der „Grossraum“ Zürich. Doch wegen dem „Gärtli-Denken“ der Verleger dies und jenseits, das zweifellos auch auf Absprachen basiert, ist das Mediensterben unaufhaltsam.

  4. Vor Jahren wurde eine direkte Busverbindung aus dem Zentrum Kleinbasels nach Weil am Rhein(Einkaufscenter) verhindert. Aus welchen, vermutlich finanziellen Gründen auch immer. Mittlerweile wird an deiner Tramverbindung gearbeitet. Es muss noch schlimmer kommen, bis Einsicht auf vertieftere Zusammenarbeit einkehrt. Sogar Klein-und Grossbasel haben Mühe zusammenzuarbeiten. Sogar innerhalb von Interessengemeinschaften(„Steinen“) hapert es. Die Geschäftsleute sind überlastet, rennen nur den Zaster nach. Von innovativen Entwicklungen keine Spur.

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