Man muss seine Sommerferien nicht in Graubünden verbringen, um an einem Nachmittag das Bündner Kunstmuseum zu besuchen. Foto Szene GR – Albert Steiners Erben lautet der Titel einer bemerkenswerten Ausstellung, die Gegenwartsfotografie von Heimat- und Fremdbündner/innen zusammenfasst und auch bis anhin unveröffentliche historische Aufnahmen zeigt. (Aufnahme: Guido Baselgia. Marmorera).
Der Titel ist nicht sehr glücklich gewählt, denn über die ästhetische Qualität der Werke von Albert Steiner (1877-1968) kann man durchaus geteilter Meinung sein. Es ist auch nicht anzunehmen, dass die ausstellenden Fotograf/innen ihn als Übervater der alpenländischen Fotografie betrachten. Steiner führte über Jahrzehnte ein Fotogeschäft im Engadin und stelle Postkarten und Bücher her, doch im Alter begab er sich wieder in den heimatlichen Kanton Bern.
Bei den meisten „gebürtigen“ Bündner/innen der mittleren und jüngeren Generation verllief die Karriere in die andere Richtung. Bereits ihre Ausbildung erfolgte in Zürich, in der Romandie oder in Deutschland. Bekennt man sich als „Bündner“ (oder als „Walliser“ oder „Tessiner“ hat man die Chance auf ein (zumeist bescheidenes) Werkjahr oder einen Kulturpreis des Herkunftskantons. (Copyright: Gaudenz Metzger)
Die Szene der mit dem Bünder Kunstmuseum und mit den Subventionen des Kantons verbundenen Fotograf/innen hat weit mehr zu bieten als Assoziationen an den über lange Zeit „unentdeckten“ Steiner. Sie hat in vielfältiger Weise ihre eigenen Zugänge zur Alpen-Fotografie entwickelt. Guido Baselgia überzeugt international mit gestalterischer und technischer Perfektion, Jules Spinatsch mit Innovationen und Ester Vonplon wurde für ihre Arbeiten mehrfach ausgezeichnet. (Copyright: Florio Puenter)
Die Ausstellung greift in die Fotogeschichte zurück, zu Romedo Guler, Erich Meerkämper und den Künstlerszenen in Davos und im Engadin. Erstmals werden Vintage Prints ausgestellt, die man sehen muss. Kuratorin Kathrina Ammann schwebt vor, eine interaktive Website zum Thema FOTO SZENE GR über die Ausstellung hinaus zu betreiben.
Bei aller Sympathie für das Projekt blinzelt uns im Hintergrund der Kantönligeist zu. Es gibt keine spezifische Bündner Fotografie. Graubünden ist nicht Bayern und nicht Tirol, es ist das Engadin und allenfalls Davos. Einige der besten Söhne arbeiten in Paris und Kalifornien. Doch die Ausstellung ist wirklich sehenswert. Wer sich vertieft in das Thema einlassen möchte, soll das Angebot an Führungen und Podiumsdiskussionen nutzen.
Bündner Kunstmuseum
FOTO SZENE GR – Albert Steiners Erben
Bis 12. September 2010
Website zur Ausstellung http://www.fotoszene.gr.ch/