Pressespiegel vom Wochenende des 14./15 August 2010
Die gute Nachricht: Die Sonntags-Presse verfügt wiederum über reich gefüllte Stellenbeilagen. Wenn die Kassen der Verleger im dritten Quartal klingeln, ist es durchaus denkbar, dass für Bildreportagen bis anhin blockierte Mittel freigegeben werden können.
(Bildnachweis: Le Nouvelliste. Fotograf, Rind und Jagdaufseher nicht genannt)
Die schlechte Nachricht: Der Wolf ist tot. Im Gegensatz zu den „Problembären“ hat er nicht einmal einen Namen. Die Jagdverwaltung hat den „sauberen Blattschuss“ selbst dokumentiert, „embedded“ Reporter waren nicht zugelassen. Ob das Töten eines Wolfes mit der Flinte als archaisches Ritual 2010 noch zeitgemäss ist, bleibt offen.
Zu einer Kontroversen in der Medienszene, die bis anhin vor allem auf Facebook ausgetragen wurde, führte ein kritischer Beitrag im Tages-Anzeiger über das von Kurt Imhof herausgegebene Jahrbuch einer sozialdemokratisch dominierten Stiftung, die freie und kostenlose Medien arg diffamiert. Die politische Stossrichtung liegt in der Luft: Die etablierte Presse sollte Staatssubventionen erhalten, um „Qualität“ zu gewähleisten. (Beitrag noch nicht online).
Interview zum Thema mit Karl Lüönd. Link zum Jahrbuch.
Immerhin ist der Tages-Anzeiger selbstkritischer als die NZZ, die sich stets als Qualitätsblatt auf internationalem Niveau bezeichnet.
Tatsächlich findet man in der NZZ oft sehr gute Textbeiträge, doch für Bilder auf gleicher Augenhöhe dürfte das Budget schmal sein. Ein Beispiel: George Szpiro recherchierte über die umgesiedelten jüdischen Siedler aus Gaza. Die Seite dominiert einen Aufnahme der Umsiedlung von 2005 von AP und ein Luftbild ohne Datum, vermutlich 20$ per Bild.
George Szpiro hat die Menschen aufgesucht und nennt sie auch bei ihren Namen. Doch wir möchten sie gerne im Bild sehen, wie und wo sie leben. Die Infografik wurde vermutlich von einer Praktikantin erstellt. Wer nicht weiss, dass sie Neusiedlung Nitzan ein Teil der Agglomeration der Metropole Tel Aviv ist, sieht nur Wüste. Die, zugegeben, komplizierten Staatsgrenzen von Israel litten unter der Abstraktion. Ob die Spaghetti das Busnetz darstellen, bleibt offen. Qualitätsjournalismus? Dann bitte auch im Bild!
Darf man die NZZ kritisieren? Ja man muss. Keine andere Tageszeitung in der Schweiz litt in den vergangenen Jahren unter einem derart gravierenden Aderlass an Fachkompetenzen, über alle Ressorts und im über Jahrzehnte gerühmten und ausgezeichneten Bildjournalismus. Man fragt sich, ob die Aktionäre ihre eigene Zeitung lesen, und woran sie die publizistische Leistung allenfalls messen. Sie sollten an einem regnerischen Sonntag Le Temps durchblättern. Man muss die exotische Sprache am Genfersee nicht verstehen, allein Layout und Bilder sind Generationen weiter fortgeschritten.
Nicht so einfach dürfte gemäss sonntag.ch der Deal der NZZ-Gruppe beim Abtausch der Landzeitungen mit der TA-Media über die Runde gehen (lesenswerter Beitrag von Andrea Fiedler auf Seite 19) . Keine Geiss schleckt weg, dass es sich de facto um eine Gebietsabsprache handelte. Ob diese gesetzeskonform ist, könnten Gerichte entscheiden. Den „eingesparten“ Kolleg/innen bringen langjährige Rechtsverfahren nichts. Man fragt sich, ob nicht die Gewerkschaften etwas vorausdenken hätten machen können.
Andrea Fiedler hat clever recherchiert. Wenn der Verwaltungsrat (FDP) des „Zürcher Oberländers“ seine Aktien nicht überträgt, kann der Deal nicht vollzogen werden. Leider geht es nicht mehr um das Traditionsblatt, das seinen Glanz längst verloren hat. Doch je länger je mehr wird die Strategie der beiden Verlagshäuser in den Wachstumsregionen um Zürich unglaubwürdiger.
Es war mit bestem Willen nahezu aussichtslos, den oder die Bildautor/in des Beitrags über Schsweizer Möbeldesigner von Rebekka Kiesewetter in der NZZ amSonntag zu erurieren. Doch, – dann findet man ganz klein rechts oben an einem Bild den Namen von Dan Cermak, der auch das Cover beigesteuert hat. Die Bilder sind weit besser als der PR-Text für Möbel Pfister.
In DAS MAGAZIN wagt Michèle Roten den Spagat zwischen People und Sozialkritik. Ob er geglückt ist, muss man als Leser/in individuelle beurteilen. Ihr Objekt ist die Architektin Vera Gloor, deren Ehemann (Tierarzt) im Immobiliengeschäft auf der andern Seite des Hauptbahnhofs Zürich erfolgreich mitmischt. Gloor managed am Zürichberg ein Team von zwei Dutzend Mitarbeitenden und eine Familie von vier munteren Kids. Linus Bill hat einen Tag in der Gentrification-Factory im Bild festgehalten.
Nun läuft die PR-Maschine für Bundesrats-Kandidaturen. Ruedi Noser will es schaffen, und hat mit seiner Familie einen Welschlandaufenthalt durchgezogen. Doch wie bringt er sich ins Bild? In sonntag.ch ist er erst auf Seite 5 präsent, mit einem einer Aufnahme von Martin Stollenwerk. Im Tages-Anzeiger „just out of the box“ . Die aktuellste Aufnahe zeigt die NZZamSonntag (Kilian Kessler). Doch Noser scheint in schwermütige Gedamken versunken. Wird er das Departement Leuenberger übernehmen? Gast der Woche bei sonntag.ch ist ein Weiser, Franz Hohler. Alex Spichale hat ihn gut ins Bild gesetzt und im Layout erscheint er nahezu unverzerrt.
Play Hunter hat sich seit 2-3 Jahren zu einer der trendvermittelnden Mode-Journalistinnen in unserem Umfeld profiliert. Auf ihrem Blog Playlust (angelehnt an Wanderlust) publiziert sie nahezu täglich, unterwegs von Mailand bis nach Rio. Und sie fotografiert immer besser!
Mr. Gay macht Militärdienst und hat keine Angst unter der Kameraden-Dusche. Eine der bleibenden Erfahrungen des Schreibenden aus der Infanterie-RS 1972: Nach dem Schiessen in Düdingen und dem Rückmarsch nach Fribourg und dann mit vielen Männern kalt zu duschen war nicht sehr erotisch. (Aufnahme: Moritz Hager für Blick).
Ob der Blick sein Sommerloch überwunden hat, wird die nächste Woche zeigen. Träffe Geschichten sind noch in weiter Ferne.
Wie mager Stehsatz und Stehbild in der Sommerflaute im Newsroom wurden, zeigt die Bilanz der vergangenen Tage. Da wurde eine Loreley aus der Melezza (Verzasca/TI) in Szene gebracht, füdliblutt. Und ein Pärchen in Brunnen/SZ, das zwei Etagen unter dem Frontman einer Band, die der Durchschnittsbürger kaum kennt, jede Nacht beim Stöhnen die Nachbarn stört. Toini Lindroos hat Kläger und Stöhner im Bild festgehalten. Dass die durchaus sympathische Familienmutter mit einem Baby und einem Kleinkind jede Nacht stöhnt, wäre ein Thema für den Mama-Blog des Tages-Anzeiger.
Doch dann sinkt man noch tiefer. Heidi Breu will ihren alten Namen zurück, weil sie nicht mehr mit ihrem Ex in Verbindung gebracht werden will (Folge 1). Sie heilt mit einer Puppe (Folge 2) und sie will den Hund von Lys Assias heilen (Folge 3).
Tipp an Heidi: Behalte Deinen Namen und bleibe gesund. Der Blick braucht Dich.
Nachtrag: Zur Streetparade hat Blick Online ein 360 Grad Panorama von Dominik Baumann für das Internet aufbereitet und freigeschaltet. Man kann darin herumspazieren und zoomen. Sehr gut gemacht!