Das Landesmuseum Zürich arbeitet ganz im Stillen immer wieder faszinierende Themen auf. Nun ist es der Nachlass der Zürcher Seidenfirma Abraham AG, die Gustav Zumsteg seit den 1940er Jahren zur Weltspitze führte. Die Historiker/innen im Team von Sigrid Pallmert tauchten in unbekannte Welten ein. Denn für die fotografisch reich dokumentierten Kollektionen findet man selten Namen von Fotografen.
Die Abraham AG verbindet auch das internationale Kunst- und Modeparkett mit dem Restaurant Kronenhalle von Hulda und Gustav Zumsteg. Die Geschichte des Seidenhandels in Zürich, der Schönen und Reichen und ihrem gesellschaftlichen Leben ist untrennbar mit ihrer Kunstsammlung verflochten. Was man heute als Peoplepresse bezeichnet, hat zum Ruhm beigetragen. So wird die Aufarbeitung eines Teils des Archivs der Abraham AG zu einer faszinierenden Reise in die jüngere Vergangenheit der Zürcher Wirtschafts- und Gesellschaftsgeschichte und ihrem visuellen Medium, der Fotografie. Bob Verhelst hat ein nahzu uferloses Spektrum an Bezügen in einer Ausstellung inszeniert.
Die Fotosammlung des Nachlass umfasst allein 2 600 Modefotografien aus unterschiedlichen Perioden. Am besten abgedeckt sind die fünfziger und sechziger Jahre als vermutlich interessanteste Epoche der Modefotografie. Dem Forschungsteam gelang es, innerhalb von nur zwei Jahren einen Teil der Bilder aufzuarbeiten. Diese Leistung ist bemerkenswert, denn über die Fotografen der Haute Couture gibt es auch internatinal wenig Forschungsarbeiten und noch unbekannter sind die Models.
In der Ausstellung finden sich identifizierte und datierte Aufnahmen von André Ostier-Heil, Willy Maiwald, der Brüder Tom und Jean Kublin und Gian Paolo Barbieri, der aus îhrem Atelier seine eigene Karriere aufbaute. Die Bilderwand mit Modefotografien aus unterschiedlichen Epochen, zum Teil identifiziert, zum Teil unbekannt zeigte bereits der Vorbesichtigung der Ausstellung durch die Presse Erfolg. Die Korrespondentin einer deutschen Modezeitschrift erkannte die Autorschaft einer Fotografie eindeutig, und sie wird in die Nachbearbeitung des umfangreichen Katalogs einfliessen.
Fotohistorisch interessant ist auch der Produktionsprozess der Seidenstoffe. In anschaulichen Beispielen erfährt man die einzelnen Stufen und Verfahren wie Lithographie und Siebdruck. Geheimtipp: Nachdrucke stehen ab Meter zum Verkauf bereit, zu Preisen unter CHF 100.-. Sie dürften schon Tage nach der Eröffnung ausverkauft sein.
Die faszinierende und sinnliche Ausstellung lässt viele Fragen offen. Die an der Pressebesichtigung anwesenden Vertreter der Textilindustrie und der Stiftung Hulda und Gustav Zumsteg wiesen darauf hin, dass die Aufarbeitung der Unternehmensgeschichte und des Archivs längst nicht abgeschlossen ist. Weitere Forschungen aus fotohistorischer und modegeschichtlicher Perspektive sind erwünscht.
Landsmuseum Zürich. Soie pirate. 22. Oktober 2010 bis 13. Februar 2011.
Hinweis: Die Vernissage am Donnerstag, dem 21. Oktober 2010 ist nicht öffentlich. Bereits im Vorfeld zeichnete sich ab, dass mehr geladene Gäste als gewohnt kommen werden.
Zur Ausstellung erscheint bei Scheidegger&Spiess ein reich illustrierte Katalog.