David Meili, 30. Oktober 2010, 16:53 Uhr

Anregender Dia-Abend der anderen Art mit Üben auf den Flash Mob

Wer rechtzeitig zur Veranstaltung 18x18x18 im Dock 18 eintreffen wollte, musste sich durch die Masse eines mehrheitlich jungen Publikums durchkämpfen. Der Diaabend der anderen Art war es nicht, der Tram für Tram Besucher/innen in die Rote Fabrik spühlte, es war das Konzert A Thousend Leaves. Dennoch dürfte die von Mario Purkathofer lancierte und moderierte Veranstaltung ebenso erfolgreich gewesen sein.

So verpasste man in der wartenden Menge einen Teil der Einführung, mit der Mario Purkathofer souverän kultursoziologische Überlegungen zur Fotografie und eigenen Bildern illustrierte. Eines seiner Interessen gilt der Gegenüberstellung von Schildern, z.B. Verbotstafelen und der gesellschaftlichen Realität, die sich darüber hinweg bewegt. Witzig sind sie, wie die Bitte an Eltern, auf ihre Kinder zu achten, dass sie den Wal nicht besteigen (aus einem Freizeitpark).

Nach 21 Uhr gings zur Sache. Wie steht man 18 Bildstrecken durch? Die gemeinsame Betrachtung von Bildern an Stelle einer als Kulturereignis getarnten Chardonnay-Degustation überzeugt. Als Alternative haben sich die „projections“ im französischsprachigen Raum etabliert. Mario Purkathofer bringt als Veranstalter der legendär gewordenen Pecha Kucha Abende und als glänzender Kommunikator die Erfahrung mit, um diese Form der Fotoausstellung in Zürich zu etablieren. Man muss nicht mehr mit dem Glas in der Hand hin- und zurücktreten und die Fotograf/innen selbst vermitteln ihre Portfolios.

Mitgebracht haben die 18 Präsentierenden ihre 18 Bilder. Der Berichterstatter reiste mit Stick und CD (als Backup) an, wie in alten Zeiten. Teilnehmer/innen, die nicht in die Rote Fabrik reisen konnten, schalteten Purkathofer und sein Team über Skype zu. Ob geplant oder nicht, das Skype-Konto erschöpfte sich im Laufe der Veranstaltung, und der Moderator instruierte in der Zwangspause das Publikum, wie man es wieder auflädt. Einige Teilnehmer/innen verfolgten im Dock 18 die Veranstaltung über den Live-Stream auf dem Handy, weil sie dadurch eine eine bessere Sicht auf die „Bühne“ hatten.

Es gab weder Pfiffe noch Buhrufe, auch wenn das Spektrum von über Jahre entwickelten Kunstprojekten bis hin zum banalen (?) Reisealbum reichte, das vielleicht erst beim Nachdenken am Tag danach an Konturen gewann. Um eine Bilanz vorweg zu nehmen. Die meisten projezierten Portfolios waren fotografisch und medial von sehr hohem Niveau.

Für den Schreibenden war es eine Herausforderung, zwischen den sinnlichen und emotionalen Aufnahmen von Eva Brunner und Gigga Hug (im Bild) trashige Bildli vom Rande der Eröffnung der OLMA 2010 zu präsentieren. Doch die Botschaft wurde verstanden. Die Magie des Augenblicks gibt es mit Kameras, die Serienbilder schiessen, nur noch virtuell. Sobald man sich an die Bar begab, um seine Thesen weiter zu diskutieren, verpasste man wesentliche Beiträge (ausser man hatte ein iPhone, sh. oben).

Grossen Applaus verdiente (und erhielt) Gabriela Domeisen, die in 18 Sekunden ihre 18 Bilder zeigte. Die Retroprojektion auf PowerPoint, um einen gesprayten Spruch bis auf drei Punkte auszulöschen, hat man bis anhin vermutlich noch nicht gesehen. Star des Abends dürfte die im Zeitablauf des Programms letztplazierte Andrea Fischli gewesen sein. Im Dock 18 wurde es still.

Sind Projektionen stärker als Ausstellungen mit aufwändig verarbeiteten Prints? Mario Purkathofer hat in die oft selbstgefällige Zürcher Szene ein neues Thema gebracht und in seinem Schlusswort gleich relativiert. Er forderte seine Referent/innen und die Anwesenden auf, für die photo10 ihre Prints einzureichen.

Braucht es Prints? Aurelia Fischli bewies, dass eine Bildsequenz, vor einem interessierten Publikum vielleicht ebenso eindrücklich sein kann. Die Bildsequenz von Fischli in einem Fotorahmen, undenkbar. Das Werk überzeugte in Interaktion mit einem Publikum und nicht einzelnen Betrachtern.

Selbst wenn Fotografie ein handwerklicher Prozess ist, muss das Endprodukt nicht immer ein C-Print sein, und offensichtlich je länger je weniger. Junge Fotograf/innen interessieren sich kaum mehr für Galerien und entziehen sich dem herkömmlichen Kunstbetrieb.

Für den Flash Mob begab man sich pünktlich um 23 Uhr in die Hauptgasse der Roten Fabrik. Mario Purkathofer hatte die Idee, eine Art Kette bis zum See zu bilden. Jeder sollte jeden flashen. Da gleichzeitig das Konzert zu Ende war, entstand ein buntes Durcheinander mit dem anderen (doch nicht sehr anderen) Publikum. Alle begannen sich spontan zu fotografieren.

Purkathofer wird für das Guiness-Buch nie nachweisen können, wie viele Leute sich fotografiert haben. Das Knipsen ging im Tram zum HB weiter. Doch wenn man die Projekte von Dock 18 verfolgt, ist die Fortsetzung gesicher.

Link zu Dock 18
Kontakt zu Mario Purkathofer über FB

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