Pressespiegel zum 1. Advent 2010
Medienthema Nummer 1 bleibt die BaZ. Noch nie sei so viel über die Basler Presselandschaft in Zürich geschrieben worden, schreibt ein zunehmend frustrierter Kollege an seine FB-Freunde in die Medienkapitale. Doch das Interview mit Tito Tettamanti im Tages-Anzeiger ist Pflichtlektüre für alle, die von den Printmedien in der Schweiz abhängig sind. (Mehr zu Daniela Katzenberger am Schluss des Beitrags)
Aus den gleichen Maschinen wie die gelähmte BaZ läuft jeweils wöchentlich eine Zeitung, die auflagemässig unbestritten ist, doch deren redaktionelle Qualität, auch im Einsatz der Fotografie unterschätzt wird. So bringt die Coopzeitung in ihrer aktuellen Ausgabe ein bezauberndes Bild von Monica Kissling (Madame Etoile) auf der Rheinfähre in Basel. Ferdinando Godenzi kann als Fotograf stolz auf diese Aufnahme sein. Chefredaktor Matthias Zehnder beschreibt im Intro kurz das Making Of. Sie dürften, vermutlich zu Viert (wenn man die Verlegerin Gabriella Baumann-von Arx als weitere Teilnehmerin vermutet) in dieser wolkenlosen Nacht auf dem Rhein gefroren haben.
Es war zu erwarten, dass der langjährige IT-Redaktor Matthias Zehnder als Chefredaktor der Coopzeitung eine Poleposition verteidigen wird. Nun führt seine Zeitung eine App ein, mit der auch andere in unserer Presselandschaft experimentieren. Mit Kooaba Paperboy fotografiert man eine Seite aus dem Print (richtig verstanden, man fotografiert mit der eingebauten Kamera). Die Seite wird auf dem Server gesucht und mit Zusatzinhalten von der App abgeholt. Doch aufgepasst, es sind Seiten, die mit einem Symbol besonders gekennzeichnet sind.
Matthias Zehnder sieht den Nutzen vor allem bei Kochrezepten. Was soll das, wenn die Zeitung bereits in einer Ausgabe für Essen und Trinken im iStore bereits bereit steht? Auch die NZZ am Sonntag und 20Minuten bieten Paperboy für einzelne Seiten an. Die Erfahrungen sind offensichtlich ernüchternd, Zugriffszahlen gibt es noch keine. Coop könnte durch Paperboy präzisere Marktdaten erhalten, – doch leider auch hier nur von jenen, die das neue Tool nutzen. Unter den Early Adopters wird eine XBox 360 Kinect (mit Games) verlost.
Zum Release von „Yello by Yello – The Single Collection 1980-2010“ publiziert DAS MAGAZIN bis anhin nie gezeigte Aufnahmen von Anton Corbijn, der das Projekt von Boris Blank und Dieter Meier in den Anfangsjahren als Regisseur und Fotograf begleitete. Die inszenierten Bilder sind mehr als Zeitdokumente. Leider sind sie auf dem Internet nich verfügbar und wir können sie hier weder darstellen noch verlinken. DAS MAGAZIN findet man unverbraucht jedoch in Abfallbehältern der Vorortszüge oder des IC Zürich-Bern.
Anton Corbijn fotografierte in Schwarzweiss und bekennt im von Michèle Roten aufgezeichneten Gespräch, dass Video damals nicht viel taugte. Doch wer ist Anton Corbijn? Der gebürtige Niederländer ist einer der interessantes Regisseure und Art Director für Videoclips. Zur gleichen Zeit wie beim Dreh mit Yello auf Kuba enstand die Produktion für Palais Schaumburg. Zu seinen späteren Kunden zählten Depeche Mode, U2 und Herbert Grönemeyer. Als Fotograf bleibt Corbijn, der aussergewöhnliche Stills inszenierte, ausserhalb von Fachkreisen noch zu entdecken. Auf der Single Collection sind frühe Videos als Bonus enthalten, bei ExLibris zur Zeit für CHF 22.90 . Der Beitrag ist auch auf iPhone mit der App von DAS MAGAZIN anzusehen, für CHF 1.1o, ohne Musik und Video.
Gestern bekannte ein Kollege auf einem Weihnachtsmarkt, der für die Gratispresse fotografiert, er bekomme nun kein Honorar mehr, doch er dürfe publizieren. Der Chefredaktor habe Honorare abgeschafft, und wer über ein Betriebsfest schreibe, soll sich dort verköstigen. Der vorzeitig pensionierte Kadermitarbeiter und leidenschaftliche Fotograf ist gar nicht so unglücklich, denn so bleibt ihm der Ärger mit der SVA erspart. Bei einem Becher Glühwein (geschätzte Marge 80 Prozent) zogen wir Bilanz
Auch die Schweizer Familie spart bei den Fotografen. Wir wurden gebeten, endlich wieder einmal über eines der auflagestärksten Magazine zu schreiben Der Aufmacher zum Ersten Advent über Eichhörnchen ist nicht schlecht geschrieben, bringt jedoch nicht viel Neues. Erwartet hätte man gute Tierbilder aus einheimischem Schaffen. Doch die Redaktion postete sie aus der Datenbank von Livestock. Vielleicht passst dies zur Information, dass man Grauhörnchen in England auch im Supermarkt findet, im Tiefkühler, gleich neben den Kaninchen.
Tages-Amzeiger/Newsnetz vertieft ein schlüpfriges Thema der Kollegen von BlickOnline. Soll auf Seite 3 (oder besser Seite 1) in Zukunft auch ein blutter Mann gezeigt werden? Dazu werden Meinungen von Expert/innen eingeholt, wie Julia Onken (argumentiert, dass Frauen weniger „visuell“ orientiert seien) und von alt Chefredaktor Peter Übersax, (für den das Thema ein alter Hut ist). Immerhin würden auch Männer an Blick schreiben und Männer wünschen. Ihre Bedürfnisse können sie in einschlägigen Magazinen eher decken, zumal beim Blick ja der Penis abgedeckt sein soll. Immerhin hat das kollegiale Ping-Pong beiden Sites etwas Zugriffe ermöglicht, – und dieser Abschnitt uns vielleicht auch. (Bildnachweis: Screenshot einer von Newsnetz einer Aufnahme von Reuters )
Der SonntagsBlick vermarktet nochmals Romana Spielmann als Miss Handycap (Kandidatin für 2009!) mit Aufnahmen von Adrian Bretscher. Die von Joachim Schoss präsidierte Stiftung MyHandicap hat durchaus sehr berechtigte Ziele, und der Gründer von Scout24 finanziert sie aus eigener Betroffenheit. Es fragt sich, braucht es eine fotogene Vorzeigefrau und PR-Texte wie von Franziska Agosti? Die aktuelle Miss Handycap erleben wir in der SI ab Montag.
InTouch ist das derzeit angesagteste People Magazin in deutscher Sprache (Dank an Trendcoach Philipp Meier für das Feedback). Beim Auftanken kurz vor Mitternacht blätterte die stets freundliche Frau an der Tankstelle darin und überbrückte die toten Minuten. Da wird man doch neugierig. InTouch bietet Etwas, und noch viel mehr. Man weiss nie, ob man ein Satire-Magazin, ein „Heftli“ oder ein Kunstprojekt vor sich hat.
Als kritischer Konsument schlägt man nicht gleich zu. Doch am nächsten Morgen war InTouch an der Tankstelle ausverkauft. Am Bahnhofkiosk in K. wurden wir dann noch fündig. Die stv. Leiterin (und Ehefrau des Geschäftsführers) hatte ein Exemplar für sich auf die Seite gelegt. Für sie ist es das „Must-Mag“, Annebäbi und Bolero schaut sie sich gar nicht mehr an. Beim Durchblättern wird deutlich: Auch im Zielmarkt für junge, aktive Frauen zeichnet sich ein Strukturwandel ab.
Zu 10 Jahren lautundspitz kam Daniela Katzenberger tatsächlich nach St. Gallen. Die Bildstrecke ist so trashig, wie der Stargast. Nach Aussagen von Kollegen soll sie Fotografen mögen, überhaupt nicht zickig und sehr witzig sein. Und herzliche Gratulation an lautundspitz!
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Ach ja, Tettamanti, Blocher und die Baz. Soll doch Tettamanti im Tessin bleiben und Blocher in Herrliberg. Basle tickt eben – Gottseindank – anders. Und bei Tettamantis Lament über Basels Eigensinn kommt mir die Galle hoch. Her Tettamanti: Das ist eben Basel. Ich gratuliere Basel jedenfalls zur beherzten Absage an den Rechtspopulismus aus Zürich.
@Werner Wem die BaZ als Zeitung nun wirklich gehört, und was aus der Druckerei wird, ist auch nach Interviews von heute Sonntag noch nicht klar. Auf alle Fälle wird die Redaktion nochmals schrumpfen, und die einst hochstehende Fotografie noch mehr an den Rand gedrängt. Hoffe, dass wenigstens die Druckerei ihren hohen Qualtätsstandard (vor allem für Farbbilder) beibehalten kann.
Ja, David, das ist das Schicksal aller Zeitungen. Ich finde es trotzdem wohltuend, dass sich die Bevölkerung von Basel für ihre Zeitung gewehrt hat.
Traurig ist auch dass mit Peter Armbruster und Hannes-Dirk Flury (28.10.2010) alle altbekannten ex-Baz-Fotografen-ausser Kurt Wyss, welcher als ex-Bildchef nur sporadisch gezeigt wurde- gestorben sind. Die Verantwortlichen hätten den Stress besser auf mehr Fotografen verteilen sollen. Als Amateur hatte ich in den 70ern bis anfang 80er zahlreiche Feature-bilder in all den vielen Basler Druckmedien publizieren dürfen. Das allererste-1971-zeigte dasselbe Motiv am selben Aufnahmestandort wie es Peter Armbruster sah. Die Coopzeitung ist wirklich interessant gemacht. Während man bei der Konkurrenz M-Zeitung von Anfang an mit Produkt-Werbung zugeschüttet wird, bringt Coop-Ztg. im 1. Teil viel Interessantes. Ich würde mich nicht wundern wenn der Druckauftrag-Verlust mit der damaligen Eigentümerstruktur zu tun hat. Vermutlich ist es noch komplexer. Macht macht blind!
Interessant, dass über die gesittet durchgeführte Podiumsveranstaltung von http://www.rettet-basel.ch am 9.12 in der Uni-Aula(bumsvoll) offenbar nur http://www.onlinereports.ch berichet hat. Es braucht eine Alternative zur BaZ, sonst ist Essig mit dem Fortschritt. Die wenigen Medien sind überfordert oder unwillig oder beides. Offensichtlich sehen das auch zahlreiche besser Bemittelte ein. Ich würde mich nicht wundern, wenn sich viele Bewunderer dieser Idee nicht getrauen in die Liste einzutragen, aus Angst Ihre Pfünde und „Fründä“ zu verlieren. Wetten dass ein Teil der Leute dort jetzt von den anderen geschnitten werden. Ein altes Basler Leid!