Pressespiegel zum Wochenende vom 2./3. April 2011
Wirbt die Schweizer Familie nun mit einer Beilage zum SonntagsBlick? Nein, es ist der vor Monaten befürchtete Relaunch des SonntagsBlick magazin. Kritisieren an Inhalt und Layout lässt sich nicht viel. Sauber gemacht, unterhaltsam für alle Altersstufen und genau das,was sich die Werber wünschen. Doch, nun hat die Reportagefotografie in der Deutschschweiz wiederum eine Plattform verloren.
Für die einzige Bildreportage im SonntagsBlick magazin bringt Vera Markus eigene Aufnahmen mitein. Sonst ist das Heft mit sorgfältig ausgewählten, bereits bekannten Agenturbildern aufgefüllt. Auf Seite 31 erklärt uns eine Infografik die weibliche Brust. Hervorragend ist der Beitrag von Axel Brüggemann über die Ausstellung HundKatzeMaus im Zürcher Kunsthaus. High-Light ist das doppelseitige Kreuzworträtsel. Vermutlich hat man mit Telefonumfragen intensiv Leserinnenforschung betrieben. Die Werber freuts.
Es gibt auch Lichtblicke. Jeroen von Rooijen, der NZZ Style aufgebaut hat, kommt mit dem neuen Style-Magazin G.R. – Gentlemens Report auf den Markt, für Männer (und Frauen, die Männer mögen) auf den Markt. Das Magazin ist vom Feinsten, was Layout, Reportagen und Werbung betrifft. Es bietet eine Chance für hochstehende Fotografie, und freut, auf einem gehobenen Niveau, Fotografen und Werber.
Reda el Arbi, der für BlickamAbend die Stadtredaktion mitbegründet und ihr ein eigenständiges Profil verpasst hat, wagte im vergangenen Herbst den Sprung ins kalte Wasser. Sein Satire-Magazin Hauptstadt erreichte nach fünf Ausgaben die finanziellen Vorgaben nicht. Immerhin generierte el Arbi aus seinem Beziehungsnetz etwa 1 000 zahlende (und qualifizierte) Abonnent/innen. Am Kiosk verlor sich die Zeitschrift in der Masse. Den Werbern genügte dies nicht. el Arbi wagt nun ein neues Geschäftmodell in Form eines Vereins. Reda, – halte durch!
Le Temps hat für dieses Wochenende den Launch eines Kulturmagazins angekündigt. Der Berg hat eine Maus geboren, es ist eine Art Kultur-Bund auf Zeitungspapier und erinnert an alte Zeiten. Der Inhalt entspricht Lektionen eines bestandenen prof. am Lycée in Genève. Nach einem tiefschürfenden Beitrag über Populismus entdeckt Le Temps Milan Kundera und Wim Wenders. Was für ein grossartiger Einstieg in die Welt der Kultur.
Im Bund Week-end von Le Temps findet man Fotografie. Rinny Gremaud setzt sich mit Filtern auf dem iPhone auseinander, Filter, die Aufnahmen historisieren. Der Beitrag ist amüsant zu lesen, doch wir kennen in unserem Umfeld niemand, der diese Apps heruntergeladen hat oder sogar benutzt. Dann folgt auf Seite 25 quer eine Aufnahme von einem Mann mit einem schweren Instrument, einer Bassgeige. Sie kommt nicht aus dem eigenen Haus (die Aufnahme). Guy Le Quérec/Magnum ist der Autor. Gretchenfrage: Wie hält es das Aushängeschild der Qualitätspresse in der Schweiz mit der Kultur?
DAS MAGAZIN kann man auch an diesem Wochenende zur Seite legen. Finn Canonica und Birgit Schmid sind für ihren Japan-Beitrag nicht nach Japan gereist. Es genügte, einen Japanologen in St. Gallen zu interviewen. Immerhin stammt eines der Agenturbilder von Andri Pol. Als Eigenleistung hat Lukas Wassmann 1 Bild zum Beitrag über das Britische Könighaus beigesteuert. Man sieht einen Hund mit glänzenden Augen, der vermutlich auf einer Waldwiese auf der Forch aufgenommen wurde. Ob die Leser/innen das Bild schätzen, wohl kaum. Lukas, zurück auf Platz 2. Hättest Du nicht wenigstens einen Welsh Corgy auftreiben können?
Kurt Emil-Merki macht sich in Der Sonntag Gedanken über die Mister Schweiz Wahl. Kaum ein ernsthafter Medienjournalist würde ihm nicht zustimmen. Wenn Ringier Exklusivrechte hat, soll der Konzern die Wahl auch produzieren und auf seinen eigenen Kanälen ausstrahlen. Es ist nicht Aufgabe einer öffentlich-rechtlichen Institution, soweit in den Sumpf von Werbe-Partnerschaften, versteckter Werbung und Product Placement zu versinken. Und wer schaut sich diese Sendung an? Frage, wie heisst der Mister Schweiz. Antwort: Luca Ruch, wenn man den Sonntagsblick liest und Seite 44-47 durchblättert. Sibylle Berg „eine der renommiertesten Autorinnen deutscher Sprache“, „did it for money“ und schrieb einen peinlichen Beitrag über den Event. (Bildnachweis: www.misterschweiz.ch)
Dann folgt in Der Sonntag ein weiterer Beitrag von Kurt-Emil Merki über den Rücktritt von Urs Buess bei der BaZ. Als Basler Leser/in fühlt man sich hilflos, mit einer Traditionszeitung, die vermutlich von Zürcher Kapital bestimmt wird und eher ungarischen Verhältnissen entsprechen dürfte. Die früher gepflege Qualitätsfotografie ist längst verblichen. Christof Moser äussert sich in einem klugen Kommentar auf der Medienseite über die fehlende Debattenkultur in den Schweizer Medien.
André Häfliger hat nach dem Interview Kurt Zurfluh für den SonntagsBlick gleich eigenhändig fotografiert. Und das Bild ist nicht einmal schlecht, das Interview muss man danach nicht mehr lesen. Kurz zusammengefasst: Zurfluh heiratet seine Partnerin nach der Pensionierung, und die AHV von 2 200.- unterhält seinen Weinkeller. Hopp de Bäse, lieber Kurt, wir mögen es Dir gönnen. Du hast zur Aufwertung des Lokaljournalismus soviel geleistet.