Urs Tillmanns, 3. Juni 2011, 11:45 Uhr

Impressionen von der Photo Münsingen

Das alljährliche Fotofestival «Photo Münsingen» lockte gestern eine rekordverdächtige Besucherschar in das Kleinstädtchen zwischen Bern und Thun. Der Anlass ist zu einem internationalen Begriff geworden, denn viele Besucher sind auch aus dem Ausland nach Münsingen gereist. Das lohnt sich, denn viele der 25 Ausstellungen und zahlreichen Multivisionen haben Topniveau.

Das diesjährige Programm des bedeutendsten Fotoklubfestivals der Schweiz darf sich sehen lassen. 25 Ausstellungen verschiedenster Arten sind auf dem Schlossgutareal zu sehen und präsentieren bekannte Grössen und talentierte Jungfotografen. Schwerpunkt ist die Schau des Klubwettbewerbs, bei dem sich 62 Fotoklubs der Schweiz mit dem gleichen Thema massen. «Stille» war das Thema, und dabei sind originelle, nachdenkliche und beeindruckende Lösungen herausgekommen.

Die Fotoklubschau zum Thema «Stille» präsentiert sich im Schlossgutsaal, der gewissermassen das Herz des Festivals ist. «Stille» lautet das Thema des grossen Fotoklubwettbewerbs. Die insgesamt 62 Fotoklubs konnten ihrer Kreativität in der Themensetzung und der entsprechenden Umsetzung freien Lauf lassen. Bis zu fünf FotografInnen präsentieren in einer Teamarbeit maximal fünf Bilder. Die besten Arbeiten wurden mit dem begehrten «Photo Münsingen Award 2011» ausgezeichnet.

Eine Überraschung und zugleich ein Höhepunkt im Freien, ist die Ausstellung über Japanvon Luciano Lepre auf dem Schlossgutplatz . Er bereiste Japan mehrmals mit dem Fahrrad und hat dabei einzigartige Impressionen fotografiert, die der Tourist normalerweise kaum vor die Kamera bekommt.  Ergreifende Aufnahmen, bezeugen den Reiz der Fremdartigkeit: Traumlandschaften wechseln mit dicken Sumo-Ringern, fettarme Sushi-Häppchen mit unergründliche Geishas sowie stille Gärten und Szenen aus den ohrenbetäubenden Millionenstädten.

«Fantastomaniac» nennt Uli Staiger aus Deutschland seine surrealistische Bildwelt. Seine Bilder entstehen grösstenteils in seinem Berliner Studio. Neben Kamera und cgi (computer generated imaging) ermöglicht vor allem die post production mit Adobe Photoshop die Entstehung seiner komplexen und vielfach ausgezeichneten Arbeiten.  Kühe, die an Ballons durch dramatische Berglandschaften schweben, abpokalyptische Sturmfluten oder Luftschiffe wie aus einem Roman von Jules Verne. Das alles in einer Präzision und Perfektion, die erstaunt und verblüfft.

Im Dachgeschoss des Schloss Münsingen zeigt Wolfgang Straube aus Deutschland seine solarisierten Polaroidbilder, die er «Polar(t)oid» nennt. Er verwendet die letzten Filme des Polaroid Schwarzweissfilms Typ 665 und belichtet dessen Negativ während der Entwicklung kurz nach, so dass eine Solarisation entsteht. Wolfgang Straube erinnert mit dieser Technik und seinen originellen und ästhetischen Akt- und Blumenbildern an die entschwindende analoge Zeit der Fotografie.

Gleich daneben zeigt Michael Schlegel minimalistische, schwarzweisse Landschaftsaufnahmen aus Island und Australien. Die Bilder dieser beiden landschaftlich so unterschiedlichen Länder sind in quadratischen, extrem grafischen Aufnahmen dargestellt. Durch die Kombination von sehr langen Belichtungszeiten, gezielte Kontrastbearbeitung und das Warten auf das richtige Licht entstanden Aufnahmen mit fast unwirklichen Stimmungen von den schwarzen Sandstränden in Island und dem Wahrzeichen Australiens, Uluru (Ayers Rock).

Fast etwas zu gross für das Blumenhaus im Schlossgarten sind die Canyon-Bilder von Frank Sirona. Die fantastischen Landschaftsbilder sind mit einer Sinar-Grossformatkamera auf 13 x 18 cm Diafilm entstanden und entfaltet sich vor dem Betrachter als faszinierendes Portfolio aus dem grandiosen Südwesten der USA. Die Bilder von «Canyons» sind das Ergebnis einer langjährigen Auseinandersetzung mit den unvergleichlichen Landschaften des Südwestens – und gleichzeitig Beleg dafür, dass die analoge Fotografie keineswegs ausgedient hat, sondern im Gegenteil Massstäbe gesetzt hat, die von digitaler Technik erst noch erreicht werden müssen.

Im Garten des Blumenhauses zeigt der Fotoklub Münsingen die Bilder zum Thema «rund». Der rege  Informations- und Erfahrungsaustausch an monatlichen Treffen innerhalb des Klubs hat auch  die Teilnahme an Klubwettbewerben zum Ziel, sowie das aktive Fotografieren auf Exkursionen und den Besuch von Fotoausstellungen. Jährlicher Höhepunkt und Hauptaktivität des Fotoklubs ist die Organisation und Durchführung der «Photo Münsingen» – das kreative Forum der Fotografie.

Die in New York lebende Karin Gfeller präsentiert mit «Karussell» Porträts von Tänzerinnen eines Nachtclubs in New York, welche sie während eines Jahres intensiv fotografiert hat. Während dieser Zeit hat sie die Frauen persönlich kennen gelernt und realisiert, dass es sich bei vielen von ihnen um Lebenskünstlerinnen handelt, welche mit dem Job im Nachtclub ihr Leben in New York bestreiten. Schade, die hervorragenden Porträtbilder sind etwas abseits im Jugendtreff Spycher zu sehen und hätten ein grösseres Format und eine bessere Bildpräsentation verdient.

In der Schlossaallee präsentieren sich die Young Photo Professionals eine interne Wettbewersarbeit zum Thema «tierisch». Aus den Bildern sprechen viele witzige und originelle Ideen, die mit beachtlicher Perfektion fotografisch umgesetzt wurden. Sie wurden im Rahmen des Klubs gegenseitig juriert und verleihen der Photo Münsigen einen jungen und dynamischen Touch.

Die Mitglieder von nudeART.ch zeigen Aktbilder, die in den letzten Jahren entstanden sind. Diese Fotografien dokumentieren die Vielfalt und die Kreativität der modernen kunstvollen Aktfotografie. NudeART.ch ist eine Verbindung von Schweizer Aktfotografen, Aktmodellen und Künstler mit dem Ziel, die Aktfotografie und Aktdarstellung zu fördern. Im Vordergrund steht die gegenseitige Inspiration und die kritische Auseinandersetzung mit den Arbeiten der Mitglieder.

Es ist Tradition der Photo Münsingen, dass befreundete, ausländische Fotoklubs eingeladen werden, dieses Jahr der Kirchzartener Fotosalon aus der Nähe von Freiburg (D) und die Semaine de Photo Riedisheim bei Mulhouse (F) im Elsass. An der diesjährigen Photo Münsingen zeigen die beiden Organisatoren im Kirchgemeindehaus einen Querschnitt durch ihr  fotografisches Schaffen.

Michel Planson lebt in Paris und zeigt uns mit «Le Paris d’un parisien» einen fotografischen Rundgang durch seine Heimatstadt. «Mein Empfinden für Paris, ist das eines Parisers, der schon lange hier lebt» sagt Planson. «Ich liebe diese Stadt, die von der Geschichte geprägt ist, von ihren Farben, von einem immer wechselnden Licht und seinen Bewohnern, die der Stadt einen unvergleichlichen Charme verleihen. Jedes Arrondissement ist anders, und ich hoffe, dass ich Ihnen mit meinen Bildern ‚mein‘ Paris zeigen kann, das für mich einzigartig ist.»

Die Werkschau «nur gespielt» von Jan von Holleben zeigt Arbeiten und Serien des Künstlers und Fotografen der vergangenen fünf Jahre. Es ist ein wilder Potpourri durch die Dimensionen seiner Fotografie.  Die bunte, poetische Erzählwelt des Fotografen fasziniert und berührt. Die Motive scheinen von einer Aura der Magie umgeben. Es sind einfache fotografische Tricks, die das Spiel mit der Materie ausmachen, die den Betrachter auf eine visuelle Entdeckungsreise mitnehmen.

Die Schülerinnen und Schüler der Klasse 4d aus dem Schulhaus Geisshubel, Zollikofen hatten den Auftrag, in die Zeit zu reisen und einen Gegenstand aus ihrem Schulalltag mitzunehmen. Die Kinder wussten nicht, ob sie die Zeitreise in die Vergangenheit oder in die nahe Zukunft bringt. Doch sie sollten den Menschen in dieser «neuen Welt» ihren ausgewählten Gegenstand zeigen und näher bringen. Auf einem Foto eben. Die verschiedenen Schulobjekte wurden von den Kindern dafür ins richtige Licht gerückt, arrangiert, fotografiert, betrachtet, umschrieben, betitelt usw. Anita di Domenico, Fotografin aus Zollikofen, hat das Projekt initiiert und begleitet.

… und noch viel mehr

Vor allem die 23 AV-Darbietungen, die Workshops sowie die Seminare, für die auch spontan noch Plätze angeboten werden, können in diesen Impressionen aus Münsingen nur am Rande erlebt werden. Münsingen muss man gesehebn und erlebt haben. Und was vor allem wichtig st: Die Photo Münsingen ist ein wichtiger Begegnungsort, an dem man viele interessante Leute trifft … Sie dauert noch bis Sonntagabend 18:00 Uhr.

 

Weitere Informationen zum diesjährigen Festival «Photo Münsingen» finden Sie hier und hier.

Photo Münsingen 2011 – Das kreative Forum der Fotografie
was? 25 Ausstellungen – 21 Audio Visionen – 20 Seminare
wann? Donnerstag (Auffahrt) bis Sonntag, 2. bis 5. Juni 2011
10.00 – 18.00, Freitag bis 21.00 Uhr
wo? CH-3110 Münsingen, Areal Schlossgut
wie? In der unmittelbaren Umgebung des Schlossgutareals stehen nur wenige Parkplätze zur Verfügung. Benutzen Sie wenn möglich die öffentlichen Verkehrmittel mit einer direkten Zugverbindung von und nach Bern
wieviel? Der Eintritt ist frei
was noch? www.photomuensingen.ch

 

2 Kommentare zu “Impressionen von der Photo Münsingen”

    1. Danke Christian! Wahrscheinlich verstehen nicht alle Lesenden diese Impression, deshalb hier die Erklärung: Christian hat einen neuen Wettstreit erfunden, bei dem es darum geht, eine Olympus Tough aus zwei Meter Entfernung zielgenau in einen Wasserbehälter zu werfen. Das Besondere an diesem Film ist, dass die Tough dieses Spiel selbst auf Video aufnimmt und damit ihre Funktionalität trotz Wurf und Wasser problemlos unter Beweis stellt! Gute Idee. Bravo Christian!

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