David Meili, 15. Juni 2011, 13:24 Uhr

Art|42|Basel: Noch nie so viel Fotografie

Auch in ihrem 42. Jahr folgt die Art Basel einem strengen Ritual. Für Sponsoren und auserwählte Gäste wird der Zutritt zu einer Vor-Vernissage am Montagabend freigegeben. Da kaufen die Happy Few ein. Interessanter ist der Dienstag als Preview-Day, wo elegante Menschen und Kunstverständige unter sich sind. Erst dann werden die Schleusen für das Publikum geöffnet.

Für die ausstellenden Galerien macht dieses System Sinn. Denn sie können, was nach den Filetstücken übrigbleibt, noch bis zum Messeschluss Stück für Stück verkaufen, – und hinter den Vorhängen der Stände hat es stets noch einige Schnäppchen. Für die Messe Basel fliessen dann die Eintrittsgebühren.

An der Medienkonferenz gab es nur kleine Häppchen, etwas Jus und vor allem Wasser. Es war der kürzeste Auftritt der Art Basel vor den Medien seit ihrer Gründung und dauerte nur 13 Minuten. Viele JournalistInnen traffen erst ein, als er vorbei war. Fragen konnten keine gestellt werden, man verwies auf persönliche Interviews, – doch mit wem? Die gängige Hypothese ist, dass die bis anhin missglückte Expansion der Art in den asiatischen Raum nicht angesprochen werden durfte.

Wehmütig erinnert man sich an die Zeiten von Sam Keller, der heute die Fondation Beyeler leitet. Damals sass man in bequemen Fauteuils mit der Messeleitung zusammen und lernte interessante Leute kennen. Heute sei das nicht mehr „cool“, sagte der Kunstredaktor einer bekannten deutschen Wochenzeitung und begab sich zu Wurst und Bier in den Innenhof.

 

Auf unserer Shortlist steht Marta Minujín. Die Konzeptkünstlerin und Fotografin wurde bis anhin in der Schweiznie  ausgestellt, doch sie sei nur die Spitze  des Eisbergs der Kreativen in Buenos Aires. Man darf  sich bei der sie vertretenden Galerie hinsetzen und sich mit interessanten Büchern, die man nie gesehen hat, durchblättern.

Wir begaben uns dann auf die Suche nach Fotografie im Bereich Art Unlimited. Er ist in diesem Jahr schwach kuratiert und wird mit Gianni Jetzer für die Auflage Art 43 hoffentlich neue Impulse erhalten. Jetzer war einige Zeit in St. Gallen tätig und ist in der hiesigen Szene kein Unbekannter.

Dennoch zeigte keine Art Basel derart viel Fotografie. Im Bereich der Gegenwartskunst (1. Etage) dürfte jede zweite Galerie auch Fotografie präsentieren. Im darunter liegenden Stockwerk der Klassischen Moderne sind spezialisierte Fotogalerien vertreten, die sich seit Jahren an der Messe etabliert haben. Und selbst im umstrittenen, und im Bereich der Art Unlimited überzeugt Fotografie als Medium. Dorthin kehrten wir zurück, nachdem wir das Werk von Bernardi Roig entdeckten.

Bernardi Roig: Blow up. Roig kombiniert inszenierte Fotografien und Installationen mit Skulpturen aus Polyester.

Auf unserer Shortlist in der Art Unlimited ist eindeutig Goshka Macuga mit einer Fototapete im Format von 4,2 auf 14,7 cm mit einer Fotomontage. Man sieht Joseph Beuys in einem Wald knien, mit Dutzenden von anderen Personen zusammen, alles Ausschnitte aus Pressebildern und Katalogen, die Macuga überlagert hat. Wie er dies technisch gelöst hat, konnten wir noch nicht erfahren. Wenn man darüber nachdenkt, steht man ratlos davor.

Riesengrosse Fototapete von Goshka Macuga

Im gleichen Bereich zeigt Robert Longo Wating Wall (bezeichnet es als „Untitled“). Es sind zu einem Triptychon zusammengefügte  Kohlezeichnung auf der Basis von Fotografien. Longo hat sie mit Kohle auf Papier übertragen. Die Werke von Longo sind beispielhaft, wie Fotografie und graphische Techniken in sich verschmelzen.

Nicht mehr eindeutig von der Fotografie zu trennen sind Werke wie von Minerva Cuevas. Es sind die visuell stärksten Bilder der Messe. Cuervas hat in Video-Sequenzen Protestkundgebungen in Mexiko festgehalten, die sich in der Inszenierung an religiöse Prozessionen anschliessen. Cuevas hat sich letztlich für das Medium Video entschieden, das man per Knopfdruck technisch auch aus einer DSLR auslösen kann.

Vinzenco Castello beweist, dass es nicht nur eine Düsseldorfer Schule gibt. Auch in Italien entwickelt man seit den achtziger Jahren grossartige Bilder im Grossformat. Zwei seiner sequentiellen Bilder aus Mailand sind ausgestellt. Es ist eine andere Bildsprache als aus dem Ruhrgebiet, vom Kino beeinflusst und wirkt moderner.

Der Übergang zu bewegten Bildern ist offensichtlich. Viele FotografInnen arbeiten mit grossflächigen, hochauflösenden Displays, die Überlagerungen und auch Video-Sequenzen zulassen. Waren vor zwei Jahren noch Leuchtkasten präsent, stossen sie dieses Jahr bereits auf wenig Interesse. C-Prints sind auch kein Verkaufsargument mehr, denn moderne digitale Druckverfahren garantieren eine gleichwertige Haltbarkeit.

Auf dem Stand der Galerie von Urs Meile entdeckte man rasch den Kunstsammler und Kunstmäzen Uli Sigg. Man macht sich Sorgen um Ai Weiwei, dessen Poträtfotografien präsent sind.

Bilder von Ai Weiwei am Stand der Galerie Urs Meile

Die Galerie von Nils Broch Jensen zeigt Aufnahmen, die man noch nie gesehen hat und die auch noch nie publiziert wurden. Sie stammen aus dem Nachlass eines französischen Sammlers, der offensichtlich im Vietnam-Kriege war, und der Fotograf war Vietnamese. Jensen vermittelt unter anderen Werke von Georg Baselitz und Tacita Dean. Die Arbeiten von Dean sind fotografisch kaum reproduzierbar. Man gehe hin und staune.

Im Bereich der Klassischen Kunst folgt die Kicken Galerie in Berlin dem Marktführer aus San Francisco. Beide ergänzen sich perfekt. Kicken präsentiert aussergewöhnliche Werke von Fotografen aus der Deutschen Schule, und dann kommt man zu amerikanischen Klassikern, deren Wert auf dem Markt stark gesunken ist. Sehenswert sind die Hirsche von Hiroshi Sugimoto, einmalig, unbezahlbar, ein Meisterwerk der vergangenen Jahrzehnte und allein einen Besuch der Art Basel 42 wert.

Unklar ist eine Komposition der Positivkopien von Filmstreifen Robert Frank. Das aus mehreren Blättern zusammengestellte Werk repräsentiere „The Americans„. Frank soll es „gemacht“ oder zumindest autorisiert haben. Es gilt als Unikat, doch leider war bei unserem Besuch der zuständige Sachbearbeiter abwesend. Da kamen Zweifel auf. „The Americans“ besteht mehr als einigen Kontaktbogen, und somit schliesst sich der Kreis zur Konzeptkunst.

Weitere Informationen sowie den Katalog finden Sie auf der Webseite der Art Basel.

Art Basel 42, bis 19. Juni 2011
Tipp: Es gibt Spezialbillette ab jedem Schalter der SBB. Neben der Messe gastiert der Zirkus Knie, und Parkplätze findet man kaum.

2 Kommentare zu “Art|42|Basel: Noch nie so viel Fotografie”

  1. Die besten Fotografien kann man nur ausserhalb der ARTBASEL bewundern. Am besten wäre ganz ausserhalb des Gallerien-Theaters. Ohne Stress für potentielle Käufer, nur für Weitsichtige.

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