Urs Tillmanns, 24. Juli 2011, 07:34 Uhr

Ungleiche Zwillinge

Wer länger vor dem Schaufenster eines Fotofachgeschäftes verweilt, kann interessante Entdeckungen machen. Zweimal die gleiche Kamera oder doch nicht? Sind das Spiegelreflexkameras oder Kompaktkameras? Was haben Leica V-Lux 2 und Lumix FZ-100 gemeinsam? In diesen Artikel beschreibt Daniel Day Huber die beiden Kameras und vergleicht sie mit anderen Systemen.

 

Leica und Lumix: Handlich und gut ausgestattet

Auf der Suche nach einer geeigneten Reisekamera habe ich im Schaufenster von meinem Fotofachgeschäft zwei interessante Kameras entdeckt, die fast gleich aussehen. Die Leica V-Lux 2 und die Panasonic Lumix DMC-FZ100. Meine Neugier ist geweckt. Wo liegen die Gemeinsamkeiten? Gibt es technische Unterschiede? Der Name Leica bürgt seit Beginn der Fotografie für höchste Qualität. Den Namen Lumix dagegen, kennt man erst seit der Einführung der digitalen Fotografie. Tatsächlich besteht die Zusammenarbeit der beiden Firmen Leica und Panasonic schon einige Jahre. Beim fotografieren mit den beiden Kameras hat sich mein erster Eindruck bestätigt. Bei der Entwicklung der Produkte wurde auf höchste Qualität Wert gelegt. Wie ich im Gespräch mit der Firma Leica erfahren habe, liegt die Entwicklung der optischen Komponenten, also der Objektive bei Leica und die Fertigung der Produkte bei Panasonic. Offensichtlich eine erfolgreiche Kombination. Die beiden Kameras liegen gut in der Hand und vermitteln beim Fotografieren ein sicheres Gefühl.

Leica und Lumix sehen sich zum Verwechseln ähnlich.

Unterschiede und Gemeinsamkeiten

Beim Vergleichen und Beurteilen der Fotos konnte ich keine Unterschiede feststellen. Beide Kameras liefern die selben hervorragenden Aufnahmen. Unterschiedlich ist dagegen das Design, der Lieferumfang und der Preis der Zwillinge. Die Leica V-Lux 2 kostet im Fachhandel CHF 1’200.–, die Lumix DMC-FZ100 CHF 600.–. Deutliche Unterschiede findet man im Lieferumfang. Während Panasonic eine CD mit dem RAW-Konverter Silkypix und dem FotoFunStudio dazu legt, kann der Käufer der Leica die Vollversionen der beiden Programme Adobe Photoshop Elements und Premiere Elements von der Leica homepage herunterladen. Die Kombination dieser beiden Programme macht Sinn. Neben dem Fotografieren machen die Apparate auch als Videokamera eine gute Figur.

Der Lieferumfang der Leica V-Lux 2

Der Lieferumfang der Lumix DMC-FZ100

Für mein Empfinden ist die Leica V-Lux 2 etwas schöner und aufgeräumter gestaltet und besitzt natürlich das berühmte rote Leica Signet an der Front. Wer bereits aktuelle Bild- und Video-Bearbeitungsprogramme besitzt und mit etwas weniger Prestige leben kann, der entscheidet sich für die Lumix.

Hier noch einige Kritikpunkte die auch als Anregung für die Entwicklungsabteilung gelten können: Für den elektronischen Sucher wünsche ich mir eine höhere und damit präzisere Auflösung. Das Fach für die Speicherkarte und den Akku ist an der Unterseite der Kameras finden. Ich musste die Kameras jedes mal vom Stativ schrauben um die SD-Karte zu entnehmen. Das war unpraktisch. Ich bevorzuge ein separates, seitliches Fach für die Speicherkarte. Neben dem normalen Kameramenü gibt es noch das «Quick-Menu». Dieses müsste, um wirklich hilfreich zu sein, völlig neu konzipiert und gestaltet werden. Und dann ist da noch der beachtliche Preisunterschied zwischen den beiden Kameras, den ich auch nach intensivem Gebrauch der Zwillinge nicht vollständig nachvollziehen kann. Die Firma Leica ist seit einiger Zeit Mitglied des Comité Colbert. Einer Vereinigung von Luxusmarken zu denen auch Chanell und Lacoste gehören. Luxus hat eben seinen Preis – und der Stolz und die Freude des Besitzers, ein nobleres Ptrodukt zu haben.

Die Unterschiede im Hauptmenü Design

Die Kategorie der Bridge-Kameras

Die beiden Fotoapparate gehören zu der Kategorie der Bridge-Kameras. Diese sollen eine Brücke zwischen den Kompakt- und den Spiegelreflexkameras bilden. Diese Kategorie, von mir auch gerne als Universalkamera bezeichnet, punkten nicht nur mit guter Bildqualität, nein, sie lassen sich auch problemlos als Camcorder für Videoaufnahmen einsetzen. Filme werden im Full-HDFormat aufgezeichnet und mit dem als Zubehör erhältlichen Stereo Mikrophon können sie locker einen Camcorder ersetzen. Das 24 Fach Zoom, das schwenkbare Display und die kompakten Abmessungen machen die beiden Kameras zu idealen Reisebegleitern. Zwar sehen die Geräte aus wie kleine Spiegelreflexkameras, aber wo genau liegt nun der Unterschied?

Der entscheidende Unterschied liegt wohl bei in der Grösse des Aufnahmesensors. Damit ist nicht die Anzahl Pixel gemeint, sondern die Abmessung des Aufnahme-Chips. Die beiden Kameras besitzen einen 1/2.3“ inch Sensor mit 14 Millionen Pixel. Die Bilddiagonale beträgt etwa 8mm. Der winzige Sensor hat den Vorteil, dass alle Kamerakomponenten, aber vor allem das Zoomobjektiv sehr platzsparend gebaut werden können. Die meisten Spiegelreflexkameras allerdings besitzen einen APS-C Sensor mit einer Bilddiagonale von 27mm.

Grösse der Aufnahmesensoren im Vergleich

Kamerasysteme im Vergleich

Es wäre so schön gewesen. Aber natürlich hat der winzige 1/2.3“ inch Sensor, wie er in den meisten Kompaktkameras Verwendung findet, auch seine Nachteile. Nehmen wir einen kleinen 1/2.3“ und einen grossen APS-C Sensor, beide mit 14 Millionen Pixel, so ist klar, dass die einzelnen Bildpixel im winzigen 1/2.3“ Sensor auch deutlich kleiner sein müssen. Bei guten Lichtverhältnissen spielt das keine Rolle. Sobald man aber bei geringem Licht auf höhere ISO Werte angewiesen ist, haben die Mini-Pixel Schwierigkeiten, die Lichtinformationen korrekt zu lesen. Dies führt zu erhöhtem Bildrauschen. Nun kann die Bildverarbeitungssoftware in der Kamera das Bildrauschen für die JPG Aufnahmen weg rechnen, oder aber auch stehen lassen. Panasonic hat sich entschieden das Rauschen grösstenteils zu entfernen.

Auf meinem Bild mit den Vergleichsaufnahmen, kann man den beschriebenen Unterschied deutlich sehen. Bei ISO 100 liefern beide Systeme eine hervorragende Bildqualität. Bei ISO 1600 dagegen wirken die Aufnahmen mit dem kleinen 1/2.3“ inch Sensor leicht verwaschen und neblig.

Für die Fotos mit dem 1/2.3“ inch Sensor verwendete ich die Lumix DMC-FZ100. Die Bilder mit dem APS-C Sensor entstanden mit der Canon EOS 550D. Um den Abbildungsunterschied deutlich zu machen, musste ich eine extreme Vergrösserung wählen. In der Praxis, also im täglichen Einsatz, zeigen sich auch die Aufnahmen dem kleinen Sensor und den hohen ISO Einstellungen als absolut brauchbar.

Testaufnahmen: Sensorgrösse und Abbildungseigenschaften. Oben: 1/2.3″, unten: APS-C

Für die Perfektionisten: Das RAW Format

Den hohen Qualitätsanspruch der beiden Kameras zeigt sich auch daran, dass man dem Fotografen die Möglichkeit gibt, seine Bilder nicht nur im üblichen JPG Format sondern auch im RAW Format zu speichern. Wer also die absolute Kontrolle über seine Aufnahmen haben möchte und genügend Zeit für die Bildbearbeitung am Computer mit bringt, der wählt im Kameramenü die Einstellung «Speichern im RAW Format». Dass sich dieser Aufwand lohnt, kann man auf meinem Vergleichsbild eindrücklich sehen. Bei der JPG Aufnahme hat die Rauschunterdrückung wieder ihre unübersehbaren Spuren hinterlassen. Dagegen zeigt das sorgfältig entwickelte RAW Bild deutlich mehr Details. Für Landschaftsaufnahmen ein echter Gewinn.

Testaufnahmen: Vergleich JPG und RAW

Wer den zeitlichen Aufwand nicht scheut und ein passendes Bildbearbeitungsprogramm besitzt, wird mit beeindruckenden Bildern belohnt. Tatsächlich ist es sehr wichtig, einen kompatiblen RAW Konverter einzusetzen. Meine Experimente mit den RAW Dateien haben teilweise zu merkwürdigen Ergebnissen geführt. Die besten Resultate erzielte ich mit Programmen von Adobe.

Ein geeigneter RAW Konverter ist unverzichtbar

Weitere Eigenschaften und Funktionen

Einer der grössten Vorteile der Bridge-Kameras ist das fest eingebaute Zoomobjektiv. Mit einem Brennweitenbereich von 25-600mm ist man für die meisten Situationen bestens gerüstet.

Der Brennweitenbereich der Lumix DMC-FZ100 und der Leica V-Lux 2

Keine Angst vor Dunkelheit. Dank dem POWER I.O.S., also dem optischen Bildstabilisator gelingen auch bei ungünstigen Lichtverhältnissen verwacklungsfreie und scharfe Aufnahmen.

Foto: Leica V-Lux 2, ISO 400, 1/50 sek, 1: 3.3

Die Leica und die Lumix verfügen zusätzlich über umfangreiche Einstellmöglichkeiten für schnelle Hochgeschwindigkeits-Serienbilder. 60 Bilder in der Sekunde sind selbst für rasante Motive ausreichend.

Serienbildaufnahmen eines bewegten Motives

Fazit

Fast alle grossen Kamerahersteller verfügen über mindestens eine Bridge-Kamera im aktuellen Sortiment. Mit dem Siegeszug der Spiegelreflexkameras in den vergangenen Jahren, wurde diese Kategorie leider vernachlässigt. Die kompakten Abmessungen, der grosse Zoombereich ohne Staub auf dem Sensor und das geringe Gewicht machen diese Foto- und zugleich Videokameras zu idealen Reisebegleitern. Die Leica und die Lumix sind keine reinen Livestyle Produkte. Vielmehr wurden sie für die ernsthafte Fotografie entwickelt.

Daniel Day Huber

Technische Daten und weitere Infos zu den beiden Kameras finden sie hier:

zur Leica V-Lux 2: de.leica-camera.com

im Leica Forum

über die Lumix DMC-FZ100: Panasonic.ch

im Lumix Forum

 

Autor Daniel Day Huber ist Bild- und Fotokünstler und freier Mitarbeiter von Fotointern.ch

 

 

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