Urs Tillmanns, 30. Oktober 2011, 07:00 Uhr

«Einen Tick besser sein als die Konkurrenz …»

Dennis Savini hat sein Buch «Masterclass Workshop» vorgestellt, ein «Kochbuch für Studiofotografen» wie Savini sagt. Er gibt darin drei Jahrzehnte Praxis und Erfahrung vor allem an junge Fotografen weiter. Wie es dazu kam, und wie sich ein Studiofotograf heute behaupten kann, wollte Fotointern.ch in einem Exklusivinterview von Dennis Savini wissen.

Fotointern.ch: Dennis Savini, Sie haben gestern das Buch «Masterclass Workshop» vorgestellt. Wie ist die Idee zu diesem Buch entstanden, und für wen haben Sie es geschrieben?

Dennis Savini: Die Zielgruppe, die ich anvisierte, sind junge Fotografen, die in die Studiofotografie einsteigen wollen. Die Idee ist während eines Workshops entstanden, den ich in Jakarta gab. Die Leute dort haben kaum Ausbildungsmöglichkeiten und haben jeden Praxistipp und jede Anleitung aufgesogen wie Löschpapier. Kurz: Ich möchte jungen Fotografen an Hand von praktischen Beispielen das theoretische Rüstzeug mitgeben, um sich selbst in der Studiofotografie weiter entwickeln zu können. Oder ein «Kochbuch für Studiofotografen» und Autodidakten, in dem sie nachschlagen können, wie man einen bestimmten Effekt erzielt oder welches Licht man wie einsetzt, um zu einem bestimmten Resultat zu kommen.

Fotografen hüten ja in der Regel ihre Arbeitsweise wie Geheimnisse. Sie geben Ihre Erfolgsrezepte aus drei Jahrzehnten in diesem Buch preis. Sind Sie eine Ausnahme?

Vielleicht, aber ich habe eine andere Philosophie: Jeder Fotograf hat seine eigene Ausdrucksweise – seine eigene Bildsprache. Die Technik ist die Grundlage dazu, aus der ich kein Geheimnis mache. Ob dann der Fotograf dieses Niveau erreicht oder darauf aufbauend sogar noch bessere Lösungen erzielt, ist die kreative Herausforderung. Kommt hinzu, dass ich in meiner Ausdrucksweise bereits weiter bin, so wie jeder kreative Fotograf seine Ideen ständig weiter entwickelt.

Wie lange haben Sie an diesem Buch gearbeitet?

Der Entschluss, das Buch zu schreiben, geht etwa acht Jahre zurück. Weitgehend daran Schuld ist Boris Loginov, ein befreundeter Fotograf in Russland, der mich oft besucht und meine Arbeitsbücher durchstöbert hat und immer Tausend Fragen hatte. Er hat mich angeregt, daraus unbedingt ein Buch zu machen. Eines Tages nahm er meine Arbeitsbücher sogar mit, um alles zu kopieren, so haben ihn meine Aufzeichnungen begeistert. Dabei habe ich diese eigentlich nur für mich persönlich angelegt, als Gedächtnisstütze, um mich später daran erinnern zu können, wie ich gewisse Dinge löste.

Das verblüffende an Ihrem Buch ist ja die Vielseitigkeit, die alle Bereiche von der technischen Fotografie über Food bis zum Porträt abdeckt. In der Regel wird ja jeder Studiofotograf mit der Zeit auf Grund seiner Aufträge zum Spezialisten. Wie war das bei Ihnen?

Das mit der Spezialisierung ist sicher richtig. Man hat Erfolg mit Uhren, und schon bald hat man nur noch Uhrenaufträge. Oder Porträts. Oder Food … Aber mit der Zeit verändert man seinen Stil, es kommen neue Kunden hinzu, die ganz andere Bedürfnisse haben, und so wandelt sich eben auch die Spezialisierung im Laufe von drei Jahrzehnten. Ich habe im technisch-industriellen Bereich begonnen, bin dann immer stärker ins Stilllife mit Uhren und Schmuck gekommen, dann Food – vielleicht, weil ich leidenschaftlich gerne koche – und eigentlich erst seit einigen Jahren in die Porträtfotografie. Daraus ist die Kreativbreite entstanden, die ich versucht habe, mit meinem Buch abzudecken.

Einige der Bilder gehen weit ins analoge Zeitalter zurück und zeigen minutiös die Arbeitssituationen und Details im Hintergrund. Haben Sie schon damals alle Aufnahmen so präzise mit Arbeitsfotos dokumentiert?

Bei den wichtigen und aussergewöhnlichen Situationen schon, bei anderen hingegen nicht. Bei einigen Bildern gibt es keine Arbeitsbilder, weil sie sich erübrigen. Bei anderen hingegen musste ich die Situationen nachstellen und die Arbeitsbilder neu fotografieren.

Ein ziemlicher Aufwand …

Ja, schon, aber er hat sich gelohnt für das Verständnis der entsprechenden Aufgaben und deren Lösungen.

Sie haben in den drei Jahrzehnten Ihre Schaffens, welche das Buch zeitlich abdeckt, die Umstellung vom Film zu Digital haut- und portemonnaienah miterlebt. Ist die Studiofotografie damit einfacher oder komplexer geworden?

Einerseits ist sie einfacher geworden, weil man das Resultat sofort sieht und die Filmentwicklung nicht abwarten muss. Anderseits ist sie komplexer geworden, weil der ganze digitale Workflow hinzu gekommen ist. Aber gerade darin liegt einerseits eine grosse Herausforderung, das Ergebnis zu optimieren, und anderseits die Arbeitssicherheit, weil ich heute genau bestimmen kann, wie die Farben im Druck herauskommen werden. Früher haben die Fotografen zwar schöne Dias produziert, jedoch mit Farben, die sich so nicht drucken liessen. Die Ablieferung von druckfertigen Daten ist in der heutigen professionellen Fotografie ein absolutes Muss. Auch war die Umstellung vom Film zur Datei eine ausserordentliche Faszination, die mich in der Mitte meiner Karriere nochmals richtig gefordert hatte. Wäre sie nicht gewesen, wäre ich kaum auf dem heutigen Leistungsstand.

Ist die digitale Fotografie auch dem früheren Grossformat überlegen?

Absolut. Sprachen wir damals von Hundert Linien pro Millimeter, so sind es heute Vierhundert. Die heutigen Sensoren in den Mittelformatbacks sind dem Film etwa um das Vierfache überlegen. Und durch die kleineren Abbildungsmassstäbe sind Schärfenausdehnungen möglich, die früher technisch nicht machbar waren. Die digitale Fotografie bietet uns technisch und gestalterisch völlig neue Möglichkeiten, die ich auch in meinem Buch zum Ausdruck bringe.

Was möchten Sie einem jungen Fotografen, der in die Studiofotografie einsteigen möchte, mit auf den Weg geben?

Mein Buch – und vor allem den Ratschlag, möglichst viel praktische Erfahrung zu sammeln. Beispielsweise als Assistent, um einem Meister über die Schulter schauen zu können. Damit kann man Jahre an Erfahrung gewinnen. Dann ist das visuelle Talent die wohl wichtigste Voraussetzung. Wer kein fotografisches Auge hat kann auch nicht fotografieren. Dann kommt ein enormes persönliches Engagement hinzu, der Wille besser zu werden und sich immer weiter zu steigern. Die Konkurrenz ist gross, die Kollegen zeigen hervorragende Leistungen. Da kann sich nur behaupten, wer noch einen Tick besser ist …

Ist die Konkurrenzsitutation härter geworden als früher?

Massiv! Gerade die Digitalrevolution hat viele junge, gute Fotografen hervorgebracht, und andere, die den Sprung nicht geschafft haben, sind von der Bildfläche verschwunden. Was völlig weggebrochen ist, sind Studios mit qualitativ durchschnittlicher Leistung. Diese bringen heute die Auftraggeber mit ihren eigenen Spiegelreflexkameras selbst zu Stande. Nur wer in der professionellen Topliga mitspielt, hat in der heutigen Studiofotografie noch eine Chance. Und dazu gehört ein grosses persönliches Engagement und die Herausforderung, immer besser zu werden. Jenen Tick besser, der den Erfolg ausmacht …

Herr Savini, wir danken Ihnen bestens für dieses Gespräch.

Das Interview führte Urs Tillmanns

 Lesen Sie hier die Buchrezension von Dennis Savinis «Masterclass Workshop».

 

 

 

 

2 Kommentare zu “«Einen Tick besser sein als die Konkurrenz …»”

  1. Ich habe Dennis Savini mal vor langer Zeit anlässlich eines Kaufs von Polaroid-Ware getroffen. Damals noch alles analog. Ich gönne es ihm dass er durch die hochwertige Profi-Digital-Technik stark entlastet wird.

  2. Meine Erfahrung ist, dass nur durch Austausch neue Ideen entstehen. Das Internet hilft enorm. Eigenbrödlerei tötet Kreativität.

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