Urs Tillmanns, 27. November 2011, 07:00 Uhr

Fotomuseum Winterthur: «Wolkenstudien – der wissenschaftliche Blick in den Himmel»

Wolkenformen haben Meteorologen und Fotografen von jeher gleichermassen begeistert. Die Meteorolgen aus wissenschaftlichen Beweggründen, Fotografen der Formästhetik wegen. Jetzt zeigt das Fotomuseum Winterthur eine Ausstellung zu diesem Thema, welche diese Faszination dokumentiert.

Der englische Apotheker und Meteorologe Luke Howard schrieb 1802 im Vorwort zu seinem Entwurf einer Klassifikation der Wolkenformen: «Anhand der Formen der Wolken lässt sich erkennen, welche unsichtbaren Kräfte den Zustand der Atmosphäre bestimmen, ebenso wie man im menschlichen Gesicht Stimmungen und Gemütslagen lesen kann.» Achtzig Jahre später waren sich die Meteorologen noch immer nicht einig, wie die Formen der Wolken richtig einzuteilen, zu benennen und zu lesen wären. In dieser Zeit bedienten sich Wissenschaftler erstmals der Fotografie, um Wolken abzubilden und zu vermessen. Mit ihrer Hilfe versuchten sie, präzise und naturgetreue Bilder zu gewinnen, die Aufschluss über das Zusammenspiel von Wolken und Atmosphäre gaben, und mit denen sich eine Klassifikation der Wolkenformen erschliessen und vermitteln liess.

Albert Riggenbach, «Cirrus», Basel, um 1895, Tableau mit Silbergelatine-Abzügen © Schweizerisches Nationalmuseum, Zürich

«Wolkenstudien – der wissenschaftliche Blick in den Himmel»

Die Ausstellung «Wolkenstudien – der wissenschaftliche Blick in den Himmel» zeigt sechs Stationen der meteorologischen Wolkenfotografie, von ihren Anfängen in den 1880er Jahren – in der Schweiz mit den ersten Bildern von Albert Riggenbach, auf dem Säntis fotografiert – bis zu den in Tageszeitungen veröffentlichten Aufnahmen der ersten Wettersatelliten in den 1960er Jahren in den USA. Anfang des 20. Jahrhunderts werden Wolkenformationen und -systeme fotografisch vor allem vom Militär erkundet und führen zu grundlegenden Erkenntnissen in der Bestimmung von ineinandergreifenden Wettersituationen.

Ralph Abercromby, Cloud Photographs 1884-1888, London, Fotoalbum mit Silbergelatine-Abzügen © Met Office National Meteorological Archive

«Wolkenstudien – der wissenschaftliche Blick in den Himmel» ist eine reiche Materialsammlung von Fotografien, Notizen, Aufzeichnungen und Atlanten aus den unterschiedlichsten Forschungsquellen und zeigt die Ursprünge unserer heutigen Wetterprognose. Jede der sechs Stationen steht dabei für eine eigene wissenschaftliche und fotografische Sichtweise auf Wolken, die sowohl die «Geschichte des Blicks“ als auch die Mediengeschichte mit ihren Aufzeichnungsapparaten und Reproduktionstechniken aufgreift.

Masanao Abe, Cloud Film No. 116 b, Gotemba, Japan, 1932, © Archiv Masanao Abe

Ein weiterer möglicher Erzählstrang ist die Entwicklung der Wissenschaft mit ihren unterschiedlichen Auffassungen über Wolken. Akteure und Arbeitsformen wechseln: vom ambitionierten, wohlhabenden Amateur Ralph Abercromby hin zum anonymen Technikerteam des Wettersatelliten. Während Riggenbach noch Idealbilder von Wolkentypen festhalten wollte, erweitert sich der Blick auf Wolkenkonstellationen und ihre chaotischen Systeme spätestens mit dem Medium Film und der durchgehenden Registrierung und Messung mit digitalen Kameras, deren Bilder zur Erde übertragen, dort ausgewertet und veröffentlicht werden.

Wolkenformationen fotografiert von Tiros III, 1961, und Wolkenfoto über dem nördlichen mittleren Westen der USA, von Tiros II, 1960, © Sammlung Günter Karl Bose

 

Die von Kurator Helmut Völter (Leipzig) konzipierte Ausstellung «Wolkenstudien – der wissenschaftliche Blick in den Himmel» geht der Frage nach, wie all diese Wandlungen in den Intentionen, Auffassungen und technischen Möglichkeiten die Bilder von Wolken beeinflusst haben. Sie zeigt auf, wie ähnlich oder unähnlich Wolkenfotografien sein können, die nach ganz eigenen Massgaben aufgenommen wurden. Sie überlässt es am Ende dem Betrachter, ob und in welcher Form sich wissenschaftliche Wolkenfotografie von verwandten und oft publizierten Motiven der Kunst- und Fotogeschichte unterscheidet.

 

Weitere Informationen finden Sie hier.

 

Das Buch zur Ausstellung

Die Ausstellung entsteht in Zusammenarbeit mit dem Museum für Photographie Braunschweig.  Zur Ausstellung erscheint ein dreisprachiger Katalog:
«Wolkenstudien. Cloud Studies. Études des nuages». Hg. Helmut Völter, Spector Verlag Leipzig, 2011, 284 Seiten, 144 zweifarbige, 22 vierfarbige Abbildungen, Festeinband, 202 mm x 270 mm, Deutsch / Englisch / Französisch. Mit einem Essay von Marcel Beyer. Preis: CHF 49.-

 

Begleitprogramm zur Ausstellung:

Zu dieser Ausstellung wird ein Bildfokus am Mittag angeboten:
24. Januar 2012, 12:15-12:45 Uhr mit Astrid Näff: Raggy Inky Cloud – Fotografische Fixierungen des Flüchtigen

 

Fotomuseum Winterthur
Grüzenstrasse 44 + 45
CH-8400 Winterthur
Telefon  052 234 10 60
Infoline 052 234 10 34

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