Urs Tillmanns, 22. Januar 2012, 07:00 Uhr

Sony Alpha NEX-7 – ein erster Erfahrungsbericht

Demnächst kommt sie in den Handel – allerdings in homöopathischen Mengen. Henri Leuzinger hatte Gelegenheit, eine der ersten Sony Alpha NEX-7 praktisch zu erproben – und mit einer Nikon D3s zu vergleichen. Die Ergebnisse sind in der Tat überraschend.

 

Endlich ist sie in Sicht, die wirklich kompakte, aber nicht zu winzige Systemkamera von Sony. Die NEX-7 setzt sich souverän an die Spitze der Klasse der spiegellosen sogenannten CSCs (compact system cameras). Mehr noch: mit dem Exmor CMOS Sensor und seinen unglaublichen 24,3 Megapixeln im APS-C Format drängt sich die NEX-7 auf den Thron der vollformatigen Digitalen, wo bisher die Nikon D3s, die Canon EOS 1Ds und die Sony A900 residierten. Ob ihr ein Platz dort wirklich zukommt, wird sich in der fotografischen Praxis zeigen. Davon handelt dieser kurze Erfahrungsbericht.

Solides Metallgehäuse, innovative Bedienung

Solid und wertig gebaut trumpft die NEX-7 mit individuell programmierbarer Bedienung auf, ein mit zwei ergonomisch gut gesetzten Drehreglern viel versprechendes Konzept. Dieses ist denn auch nötig, denn was die Sony-Ingenieure alles an Software in die Kamera gepackt haben, ist schlicht überwältigend – und für viele wahrscheinlich auch deutlich zu viel des Guten. Zum Glück lassen sich die drei wichtigsten Drehregler sperren, damit sie nicht irrtümlich verstellt werden. Leider gilt dies nicht für den Filmstartknopf, der für Rechtshänder so selbstverständlich auf den Daumen zu liegen kommt, dass dieser ihn unwillkürlich berührt und die Kamera unerwünscht zum Filmen veranlasst – ein problematisches Detail. Hoffentlich spendiert ein künftiges Firmware-Update der Kamera eine Movie-Kopf-Sperrre.

Der eingebaute elektronische Sucher greift, wie in der Kategorie der Spiegellosen üblich, direkt die Signale des Sensors ab und wandelt sie in ein hochkontrastiges, etwas gar buntes Bild um, das automatisch vom grossen rückwärtigen Monitor auf den Sucher umschaltet, wenn sich das Auge dem Okular nähert – eine elegante Lösung. Der 75x45mm grosse Monitor mit satten 921’600 Bildpunkten ist nach oben bis 90 Grad, nach unten bis 45 Grad neigbar und ermöglicht so ungewöhnliche Aufnahmepositionen in Bodennähe oder über Kopf.

Schmale NEX-Objetivpalette, aber mit Adapter vielseitig

Soweit die wichtigsten Merkmale, um fotografisch loszulegen. Die vorläufig noch schmale NEX-Objektivpalette deckt aktuell nur «normale» Bedürfnisse ab, die dieser enorm leistungsfähigen Kamera und ihren Fähigkeiten jedoch kaum gerecht werden. Das tun schon eher die beiden angekündigten Festbrennweiten, nämlich ein auf 1,8 geöffnetes 24mm Weitwinkel von Carl Zeiss sowie ein kurzes 50mm-Tele, ebenfalls mit 1:1,8 Lichtstärke, letzteres mit Steady-Shot-Mechanismus gegen Verwacklungen. Das schon lieferbare Makro-Objektiv gehört mit 30mm Brennweite zu den kurzen Vertretern seiner Klasse, sodass man sich seinen Sujets schon sehr stark annähern muss, nicht optimal für die Naturfotografie.

Der LA-EA2-Adapter (siehe Bild) erlaubt den Anschluss der meisten Sony A-Objektive der Spiegelreflexkameras und zwar inklusive Autofokus- und Automatikfunktionen. Von den Fremdherstellern hat Tamron ein 18-200mm-Telezoom bereits lieferbar im Angebot, während Sigma NEX-kompatible Objektive mit Brennweiten von 19 und 30 mm eben an der PMA-CES 2012 angekündigt hat.

Noch ein Wort zum Design der originalen NEX-Objektive. Dieses verursacht, pardon, Kopfschütteln: Die an sich kompakten optischen Systeme verpacken die Designer in voluminöse bullige Tuben, welche die Vorteile der eleganten kleinen Gehäusekonstruktion völlig zunichte machen. Tja, wenn sich die Gehäuse-Ingenieure von der noblen M-Klasse aus Wetzlar inspirieren liessen, weshalb nicht die Designer der Wechselobjektive? Nach dem Motto «small is beautiful» wäre Weniger hier garantiert Mehr, vor allem bei den Festbrennweiten.

A propos Objektive: Dank kurzem Auflagemass erschliessen sich die NEX-Wechseloptik-Gehäuse die grosse Welt der Objektive anderer Hersteller. Novoflex hat bereits ein Dutzend präzis konstruierte Adapter für die NEX-Gehäuse im Sortiment, welche zum Experimentieren animieren.

Schmal-kompaktes handliches Metallgehäuse – riesige Originalobjektive, hier das 30mm Macro. Erst mit dem kleinen Leica Summicron-C 1:2,0/40mm inklusive Adapter trägt die Kamera in der Jacke nicht auf

Besonders angetan hat es der Leica-M-Adapter von Novoflex. Die exzellenten M-Objektive rufen geradezu nach einem modernen Sensor höchster Auflösung, um ihre unübertroffenen optischen Qualitäten unter Beweis zu stellen. Der elektronische Sucher der NEX-7 macht das manuelle Fokussieren normalerweise sicher und schnell. Wer es damit ganz exakt nehmen will, kann ein Messfeld knapp sechs- oder zwölffach vergrössern; allerdings kommt bei düsteren Lichtverhältnissen das so vergrösserte Messfeld verrauscht daher und ruckelt kräftig. Dennoch klappt die Scharfstellung. Gewiss, niemand ist manuell so schnell wie mit dem Autofokus der NEX-Originalobjektive, aber bei präziser Bildgestaltung im Studio, bei Natur- und Architekturaufnahmen, aber auch bei Porträt-Sessions, machen die besonders die kurzen Leica-Teleobjektive mit 75 oder 90mm Brennweite Spass, weil die NEX-7 sagenhafte Bilddateien erzeugt.

 

Beeindruckende Bilddateien

Die Hauptsache nun zum Schluss: Wie gut sind denn nun die Bilder der NEX-7? Um es kurz zu machen: Unglaublich gut. Der Adobe Camera Raw-Converter v.6.6 zaubert aus der 23,88 MB Datei des vergleichsweise kleinen APS-C-Sensors ein 30x45cm grosses Bild in sagenhaften 325 dpi Auflösung – bestens geeignet für hochwertige Druckerzeugnisse.

Prime-Tower Zürich in der Abenddämmerung: NEX-7, ISO 640, 1/30 sec, Blende 5,6, Leica Summicron-C 40mm mit Novoflex-Adapter

Beim Prime-Tower Zürich verlangte der Aufnahmezeitpunkt bei beginnender Dämmerung bereits nach ISO 640, um bei 1/30 sec auf 5,6 abblenden zu können – ein optimaler Wert für das winzige Leica Summicron-C 40mm. Scharf, detailreich und sauber kommen die Bilddetails, Farben und Tonwerte lassen keine Wünsche offen.

Referenzbild für den unten folgenden Vergleich Sony NEX-7 und Nikon D3x. Der Ausschnitt ist markiert.

Doch es kommt noch besser. Die NEX-7 sollte gegen die Nikon D3x antreten – rein visuell ein unfairer Vergleich: Hier die miniaturisierte NEX-7, dort die mächtige Nikon-Maschine. Doch der Vergleich drängt sich geradezu auf, denn beide Kameras wuchern mit ihren Pfunden eines 24 MB Sensors. Die märchenhaft beleuchtete Backsteinarchitektur der Brauerei Feldschlösschen im Abendlicht diente erneut als anspruchsvolles, ja vertracktes Sujet für die Leistung von Objektiven und Sensoren, in Kombination mit der Elektromechanik der jeweiligen Gehäuse.

Bildresultat der Sony NEX-7 und der Nikon D3x im Vergleich (Ausschnitt)

Bestückt mit dem exzellenten 30mm-Macro arbeitet die Sony NEX-7 bei ISO 1600 noch nicht am Limit ihrer Empfindlichkeit, während die Nikon D3x mit dem brennweiten-adäquaten Nikkor 1:1,8/50mm Objektiv den regulär maximalen ISO-Wert ausreizen musste, bevor die Push-Werte kommen. Wiederum verblüfft die NEX-7-Datei (links), denn sie kommt der Referenzdatei der D3x (rechts) erstaunlich nahe. Allerdings ist der Unterschied in starker Vergrösserung deutlicher sichtbar: Dank grösseren Pixeln kann die Nikon mit saubereren Farben und Tonwerten aufwarten, ebenso erscheinen die Bilddetails knackiger, schärfer und kontrastreicher. Aber ob diesem Resultat könnte man schon ins Grübeln kommen …

Bis ISO 6400 überzeugt die NEX-7 mit beachtlicher Bildqualität, darüber nimmt das Rauschen deutlich zu.

Software: Viel – zu viel des Guten

Was die Software-Ingenieure und Designer an Einstellmöglichkeiten in die NEX-7 gepackt haben, übersteigt so ziemlich alles, was man sich denken kann, sowohl bei den Steh- wie auch den Laufbildfunktionen, letztere nahezu in Kinoqualität. Unglaublich, auf wie viele verschiedene Arten man die klassischen Parameter Belichtungszeit, Blende und Empfindlichkeit auf die jeweilige Situation einstellen kann! Die Tabelle auf der Internetseite vermittelt einen Überblick aller Merkmale, die über die Menus der Kamera gut ansteuerbar sind.

Detailreich und scharf bis in die feinsten Details: NEX-7 mit Macro 30mm

Hohe Alltagstauglichkeit, vielseitiges Fotovergnügen

Die Sony NEX-7 beweist ihre phänomenale Leistungsfähigkeit im kleinen Gehäuse im Alltag mit Bravour – wenn man einmal die Bedienung der Einstellknöpfe individuell abgestimmt und dann verinnerlicht hat. Bis ISO 6400 liefert das System Bilder mit hohem Nutzwert; weiter optimieren lassen sich die Dateien durch gekonnte Rauschreduktion, kombiniert gezieltem Tonwert- und Farbabstimmungen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Dateien verarbeitet ja gut 70 MB schwer sind und selbst bei hoher Auflösung locker das kleine Posterformat von 30x45cm abdecken. Dementsprechend gross sind die Reserven bei kleineren Formaten.

Bei Nahaufnahmen muss man sich mit der NEX-7 und dem Macro 30mm-Objekt seinen Sujets brennweitenbedingt schon sehr nahe zu Leibe rücken. Die Resultate sind tadellos.

Sony ist mit der NEX-7 ein Meisterwerk in der Klasse der kompakten Systemkameras gelungen, das es hinsichtlich Bildqualität und Ausstattung locker mit grossen Reflex-Konkurrenten aufnehmen kann. Spannend dürfte die Konkurrenz unter Klassenangehörigen sein, vor allem im Vergleich mit der Fujifilm X-Pro1, welche im Design direkt auf die edlen Vorbilder aus Wetzlar zielt. Eines erscheint klar: die Erfinder der Kleinbildfotografie stehen, namentlich was die Leistungsfähigkeit der Sensoren anbetrifft, nun unter starkem Zugzwang.

Henri Leuzinger

Weitere Informationen über die Sony Alpha NEX-7 finden Sie bei Sony und in den Fotointern-Meldungen zur NEX-7 und dem Zubehör.

Wir danken Foto Marlin Rheinfelden, welche uns die erste Sony NEX-7 für diesen Erfahrungsbericht zur Verfügung stellte.

 

15 Kommentare zu “Sony Alpha NEX-7 – ein erster Erfahrungsbericht”

    1. @ Michael: Der Autor des Artikels nimmt dazu wie folgt Stellung: „Das 30mm Sony Macro hat eine kleinbild-äquivalente Brennweite von 45mm. Das ihm exakt entsprechende Nikkor 45mm 2,8 P wäre indessen eine ältere Tessar-Konstruktion gewesen, welche leistungsmässig nicht an das Sony-Objektiv herankommt. Daher lag als Vergleichsobjektiv das „normale“ 50mm Nikkor 1,8 nahe, die Differenz ist m.E. vernachlässigbar.“ Gruss Tm

  1. Ich würde die beste linse nehmen und an beide kamera adaptieren. Alles andere ist ungenau. Dann wissen wir endlich wer wo die objektivqualität verbessern muss.

  2. Immerhin interessant dass ich so ein 50/1.8 nikon analog habe. Macht Mut zum vergleich mit den c/y zeiss 50/1.7 rsp 1.4 auf canon EOS. zzt noch analog. später eos D rsp nex rsp fuji x-pro1.

  3. Laserentfernungsmesser oder eingeblendeten massstab-ähnlich feldstecher würde helfen das motiv im richtigen verhältnis abzubilden.

  4. Ich habe mir auch diese Kamera gekauft – und es nicht bereut – aber ich bin eher Fotoanfänger und muss jetzt erst mal lernen, was man alles machen kann. Das mit dem irrtümlichen Auslösen des Filmmodus ist mir leider auch schon öfter passiert. Danke für den kenntnisreichen Bericht

  5. Besten Dank für den sehr interessanten Artikel und aufschlussreichen Vergleich. Luminous Landscape hat einen ähnlichen Vergleich gemacht allerdings mit der M9 aber demselben Leica Objektiv. Die NEX 7 scheint wirklich die nächste Generation anzukünden. Gewinner gibt es m.E. keinen und es spielt auch keine so grosse Rolle, denn auch mit der besten Kamera kann man schlechte Fotos machen…

  6. Ich weiss nicht so recht. In dem Artikel herrscht ein Durcheinander.
    Da wird am Anfang 2x von einem Vergleich mit der D3s, unten dann der D3x geschrieben. Ein Vergleich zur D3x macht allenfalls von der ähnlichen Auflösung Sinn, ein Vergleich zur D3s dagegen gar keinen.
    – Da werden adaptierte Leica-Objektiven getestet, was in einen so kurzen NEX-Test nicht dazu gehört oder allenfalls am Rand erwähnenwert ist. Wie sich fremde Objektive im Vergleich zu den Sony-Objektiven verhalten, müsste ein separater Artikel sein.
    – Wenn Fremdobjektive verwendet werden, dann als gemeinsame Vergleichsbasis: das selbe an der Nikon und der Sony.
    – Für den Vergleich von Raw-Daten sind Konvertierungen des Adobe Raw Converters zwar interessant, jedoch muss auch der originale Raw-Wandler einbezogen werden. Denn der ACR liefert nicht immer beste Ergebnisse und variiert in der Qualität seiner Konvertierung z.T. recht stark zwischen Kameramodellen.
    – Ich vermisse auch einen Kommentar zum optimierten Handling. Die ersten NEX hatten ja ein katastrophales Menü, zu wenig Bedienelemente und einen mühsam anzuschraubenden Blitz.

  7. Die NEX7 überflügelt die alte Nikon bei 200 ASA mit EXTREM guten Objektiven, das „billig“ Makro ist sehr fein aber hier leider nicht gut genug um eine Aussage treffen zu können.

    Überragende Linsen sind:

    – Leica APO Summicron (Messlatte!) ggf. das 40er Summicron-C?
    – Sony 50mm/1.8 E-Mount (abgeblendet den F3,5/30mm Makro überlegen!)
    – Zeiss SEL24F18Z (nur bei Blende 4-5,6 auf Top Leica Niveau – die CA ist peinlich!)

    Beim Sony Makro gibt es wie beim 16er ggf. massive Streuungen in der Leistung, wie fällt bei dir der Vergleiche zum 40er Summicron-C aus?

    LG JimSommer

  8. Mich interessiert, wo man ein Firmware-Update für die NEX-7 bekommen kann, denn auch mich stört der Auslöseknopf für Filmaufnahmen. Immer wieder wird unbeabsichtigt eine Filmaufnahme gestartet. Habe irgendwo gelesen, dass es bald ein Update geben soll.

    Weiß jemand den Link zur Firmware?

  9. Vielen Dank für diesen ausführlichen Bericht. Ich kann die Einschätzung vollkommen teilen. Ich habe mir gestern die Sony NEX-7 zugelegt und heute meine diversen Leica M-Objektive drangeschraubt und ausprobiert (siehe http://www.czyslansky.net/?p=7826). Von den Ergebnissen bin ich völlig überzeugt. Die Leistungsfähigkeit übertrifft meine gute „alte“ M8 deutlich. Insbesondere im Available Light-Bereich. Andererseits irritiert mich die ja auch hier beschriebene Funktionsvielfalt. Und sie behindert mich: man denkt mehr über Funktionen nach, als über das Motiv. Aber das ist die Stärke einer M-Kamera: ihre Reduktion aufs Wesentliche: auf Zeit, Blende und – in Grenzen – die ISO-Vorgabe. Die Arbeit mi der M macht mehr Spaß. Aber in einigen Situtationen werde ich sie wohl künftig durch die NEX ersetzen. Schade eigentlich.

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