Die Ausstellung von Nicolas Faure «Alles in Ordnung» im Museum Bellpark in Kriens ergeben ein überraschendes und nicht zu erwartendes Bild der Schweizer Befindlichkeit jenseits der bekannten Klischees. Die Ordnung wird in den dargestellten Bildwelten hinterfragt, aber auch als prekärer Zustand interpretiert. Meike Hanne Seele hat für Fotointern.ch die Ausstellung besucht.
Das Museum Bellpark Kriens zeigt bis zum 26. Februar 2012 eine aussergewöhnliche und spannende Ausstellung des Westschweizer Fotografen Nicolas Faure, der 1949 in Genf geboren wurde. Bekannt wurde Nicolas Faure vor allem durch seine Projekte «Autoland. Bilder aus der Schweiz» (1999) und «Switzerland on the rocks» (1992), in welchen er das Spannungsfeld zwischen Landschaft und Territorialisierung thematisierte.
Die aktuelle Ausstellung im Museum Bellpark Kriens zeigt Einzelbilder des Fotografen aus den letzten 15 Jahren. Es sind Sammelstücke, die – analog seiner steinernen Findlingsbildern – Gewicht erzeugen, hier beim Betrachter.
Die Fotografien sind genau komponiert und wiederholt bei strahlendem Sonnenschein aufgenommen. Dieser Aufnahmemodus – strahlend blauer Himmel, mit Sonnenschein und Schlagschatten – ist ein Indiz dafür, dass sich Nicolas Faure stilistisch von der «deutschen Schule» und dem Becher-Stil abhebt. In allen seinen Fotografien offenbart er seinen profilierten Blick für pikante Details und stimmige Momente.
Nicolas Faure, «Arolla» (VS), November 2004, Courtesy Museum im Bellpark, Kriens
Die Fotografie «Arolla» aus dem Jahre 2004, zum Beispiel zeigt einen Schneehügel inmitten der Schweizer Bergwelt. Isoliert steht der Schneehaufen mit seiner Gaussgleichen Kurvenform in der unverschneiten Landschaft. Der Einsatz einer Schneekanone wird erahnt, sichtbar jedoch ist nur das Produkt der Maschine. Im Bildhintergrund verlaufen Stromleitungen, die zum einen die lokale Besiedelung im Bild sichtbar machen und zum anderen auf die regionale Vernetzung hinweisen. Der Parkplatz im linken Bildhintergrund symbolisiert die Verbindung zwischen der isoliert dastehenden Landschaft mit einer fernen, aber existenten Aussenwelt.
Nicolas Faure, «Exercice de sauvetage», Mont-Russelin Sud (JU), September 1998, Courtesy Museum im Bellpark, Kriens
Mobilität, Vernetzung, Tourismus, der umstrittene Einsatz von Technologien. Es sind die grossen sozialen Themen auf die Nicolas Faure in seinen Fotografien Bezug nimmt. Mit kleinen, fast nebensächlichen Details, die er in seinen Bildern einbaut, spannt er den Bogen zwischen sozialen Themen und seiner fotografischen Arbeit und erzeugt eine Verständnisebene, die sich erst auf den zweiten Blick offenbart.
In keinem der ausgestellten Bilder verliert Faure den Bezug zur Realität, nie wirken seine Fotografien abstrakt, auch jene mit surreal anmutenden Sujets nicht. Seine sorgfältigen Kompositionen erlauben immer wieder Bilddetails, die das Motiv deutlich sichtbar in der Realität verankern.
Nicolas Faure, Satigny Zimeysa (GE), Mai 1995, Courtesy Museum im Bellpark, Kriens
Die Fotografie «Satigny Zimeysa», 1995, zeigt zum Beispiel eine Harrassenlawine auf einem Industrieparkplatz. Chaos ist bestimmendes Bildthema. Und doch wählte Faure den Aufnahmewinkel bewusst so, dass mit dem Blick ins entfernte Jura das Chaos im Bildvordergrund einen festen Bezugspunkt in der Realität erhält.
In allen Fotografien der Ausstellung ist Ordnung das bestimmende Grundthema. Nicolas Faure wählt immer wieder Motive, die Ordnung und Ordnungssinn als Grundeigenschaften der Schweizer Kultur thematisieren.
Nicolas Faure, Rose de la Broye (FR), Januar 2007, Courtesy Museum im Bellpark, Kriens
Da sind Begrenzungspfähle zu sehen, die ein Territorium in der Landschaft abgrenzen und zuordnen, da sind Findlinge im Bildmittelpunkt angeordnet, die in vielen Schweizer Dörfern zum festen Bestandteil des Ortsbildes gemacht wurden und inzwischen zu einer topografischen Selbstverständlichkeit geworden sind oder da sind Rettungskräfte bei einer Notfallübung zu sehen, die mit allem Eifer das inszenierte Chaos wieder in ordentliche Bahnen lenken müssen.
Es sind stille Bilder, für die es Zeit braucht beim Betrachten. Wirkzeit, damit sich die Mehrschichtigkeit vor den Augen des Betrachters entfalten kann.
Die Ausstellung «Nicolas Faure – Alles in Ordnung» ist noch bis zum 26. Februar 2012 im Museum Bellpark in Kriens zu sehen.
Meike Hanne Seele
Museum im Bellpark Luzernerstrasse 21 CH-6011 Kriens Tel: 041 310 33 81 . Öffentliche Führung: Sonntag, 26. Februar 2012, 11.30 Uhr, Rundgang durch die Ausstellung mit Nicolas Faure und Hilar Stadler zur Finissage. . Öffnunszeiten Mittwoch bis Samstag 14-17 Uhr, Sonntag 11-17 Uhr |
Eine äusserst sehenswerte Ausstellung in der wunderbaren Villa in Kriens – ein Besuch lohnt sich.
Immer wieder schön zu lesen: „… ein nicht zu erwartendes Bild der Schweizer Befindlichkeit jenseits der bekannten Klischees. Die Ordnung wird in den dargestellten Bildwelten hinterfragt, aber auch als prekärer Zustand interpretiert“!