Vier Jahre hat die Neugestaltung der permanenten Ausstellung des Schweizer Fotoapparatemuseums in Vevey gedauert. Mit dem jüngsten Teil, «Das Zeitalter der Fotoplatten», präsentiert sie sich in neuem Glanz – noch informativer und umfassender. Hinzu kommt ein neues Informationssystem mit einem App fürs Smartphone.
In den letzten vier Jahren hat das Kameramuseum seine permanente Ausstellung völlig neu gestaltet, und aus den temporären Ausstellungen «Die digitale Revolution» und «Das Zeitalter des Films» wurde eine optimierte und noch interessantere Präsentation aufgebaut. Jetzt kommt der dritte Pfeiler hinzu, «Das Zeitalter der Fotoplatten», welcher am letzten Samstag feierlich eröffnet wurde. Das Museum deckt damit die gesamte Entwicklung der Fotografie, von den frühesten Exponaten der Daguerreotypien über die Plattenkameras bis hin zu aktuellen Digitalkameras, auf spannende Weise nahezu lückenlos ab.
Die aktuelle Teilausstellung «Das Zeitalter der Fotoplatten» führt in die Anfänge der Fotografie zurück, als es noch keine Filme gab und Glasplatten selbst beschichtet und später fabrikatorisch hergestellt wurden. Zwar existierte der Rollfilm bereits ab Ende des 19. Jahrhunderts, doch setzte er sich gerade in der anspruchsvollen Berufsfotografie erst ein gutes halbes Jahrhundert später allmählich durch. Bis dahin war es üblich, dass man die Plattengrösse nach dem gewünschten Endformat wählte und das Glasnegativ im Kontaktverfahren kopierte. Die Ausstellung zeigt die verschiedenen Verfahren, Utensilien und Kameras aus der heute fast vergessenen Plattenzeit.
Ein Highlight im Kameramuseum ist der Bereich der Daguerreotypie-Ausrüstung, der dank intensiver Recherche immer umfassender wird
Der lange Weg zu den Gelatine-Trockenplatten
Die Daguerreotypien, das Verfahren des Erfinders Louis Jacques Mandé Daguerre von 1839, wiesen den Nachteil auf, dass sie als versilberte Kupferplatten Unikate waren, von denen keine Kopien angefertigt werden konnten. Verständlich, dass die Fotografen nach einem Verfahren suchten, das sich auf Glasplatten anwenden liess, welche man auf lichtempfindliches Papier in beliebiger Anzahl kopieren konnte.
Dies gelang 1851 dem Engländer Frederick Scott Archer, der Schiessbaumwolle in Äther auflöste, eine klebrige Masse, die er mit Silbernitrat durchsetzte und damit hauchdünn Glasplatten beschichtete. Das Verfahren hatte einen grossen Nachteil: Die Beschichtung musste unmittelbar vor der Aufnahme erfolgen, und die Platte musste sofort danach entwickelt werden. Trocknete die Schicht ein, verlor sie enorm an Lichtempfindlichkeit und wurde unbrauchbar. Dies hatte zur Folge, dass die Fotografen mit ihren Dunkelzelten oder speziellen Reisewagen durch die Landschaft zogen, in denen es im Sommer unerträglich heiss war, während im Winter das Wasser einfror. Die Suche nach einem besseren Verfahren war unverändert angesagt …
Eine Ausrüstung der Kollodiumfotografie um 1860 mit allen Utensilien, die es dazu brauchte
1855 mischte der Chemieprofessor Jean-Marie Taupenot Albumin und Kollodium zusammen und stellte dabei fest, dass die so gefundene Emulsion auch trocken verwendet werden konnte. Sayce und Bolton verbessserten kurz darauf Taupenots Verfahren, indem sie Kollodium- und Bromsilber mischen und solche Platten 1867 auf den Markt brachten. Wir sprechen hier vom «trockenen Kollodiumverfahren», das allerdings eine deutlich geringe Lichtempfindlichkeit aufwies als das nasse, und deshalb kaum Verbreitung fand.
Das Fotostudio entspricht einer Einrichtung anfangs des 20. Jahrhunderts, mit der grossen Studiokamera und verschiedensten Requisiten. Mit weissem Tüll konnte das durch das Glasdach einfallende Licht dosiert werden
Das erste, wirklich brauchbare Verfahren gelang dem englischen Arztes Richard Leach Maddox im Jahre 1871. Anstelle von Kollodium verwendete er Gelatine und durchsetzte diese mit einer lichtempfindlichen Bromsilber-Lösung. Damit gelang ihm die eigentliche Schlüsselerfindung, denn bis heute gelang es zwar, diese Emulsiontechnologie enorm zu verbessern, nicht aber diese durch ein besseres Verfahren zu ersetzen.
Der nächste Schritt gelang Charles Harper Bennett, der die Emulsion vor der Beschichtung aufwärmte und so ein besseres Empfindlichkeitsverhalten feststellte. Es gelang ihm, bei normalen Lichtverhältnissen mit 1/25 Sekunde zu fotografieren, womit plötzlich Momentaufnahmen aus freier Hand möglich wurden. Fotoplatten wurden nun auch kaum noch von den Fotografen selbst beschichtet, sondern es gab Fabriken, welche diese innerhalb vorgegebener Toleranzen industriell herstellten. Einer der Pioniere jener Zeit war Dr. J.H. Smith in Zürich-Wollishofen, der eine spezielle Maschine erfand, um die Glasplatten hauchdünn mit der Emulsion zu beschichten. Die Maschine soll eine unübertroffene Qualität produziert haben – selbst George Eastman aus Rochester bestellte eine Begiessanlage in der Schweiz.
Fabrikanlage von Dr. Smith in Zürich-Wollishofen um 1900, sowie eine Plattenetikette
Kameras im Plattenzeitalter
Die Kameras zur Zeit der Fotoplatten waren zunächst noch grosse Holzkasten mit einer Mattscheibe, welche der Einstellung diente. Um das lichtschwache Bild darauf zu erkennen, schirmte der Fotograf Nebenlicht mit einem schwarzen Tuch ab, das ihn häufig zum Gespött werden liess. Zur Belichtung wurde eine Kassette anstelle der Mattscheibe eingeschoben, in welcher sich die lichtempfindliche Platte befand, dann wurde bei geschlossenem Verschluss oder aufgesetztem Objektivdeckel der Schieber geöffnet und die Platte belichtet.
Bald wurden kleinere Kameras konstruiert, welche mit mehrere Platten bestückt und aus freier Hand benutzt werden konnten. Damit war weitgehend unbemerktes Fotografieren möglich, was der neuen Kameraform auch den Namen «Detektivkamera» einbrachte. Sie wurden um 1890 beliebt und konnten bis zu einem Dutzend Platten im Format 9 x 12 oder 13 x 18 cm aufnehmen, die nacheinander belichtet werden konnten. Der Plattenwechsel innerhalb der Kamera erfolgte durch Kippen der Kamera oder mit Hilfe eines Stössels und eines Federmechanismus.
Allerdings war den Detektivkameras keine lange Epoche beschieden, denn schon bald kamen Kameras auf den Markt, welche mit flexiblem Rollfilm bestückt werden konnten und damit bedeutend einfacher in der Handhabung waren.
Die immer besser werdenden Platten ermöglichten neue Arbeitweisen: Die Kamera war dank höherer Empfindlichkeiten nicht mehr ans Stativ gebunden, sondern der Fotograf beobachtete das Motiv dauernd durch den Sucher, um den optimalen Bildausschnitt zu wählen, die Schärfe einzustellen und im besten Augenblick auszulösen. Die dynamische Fotografie begann …
Die grossformatigen Fotoplatten mussten retuschiert werden. Die damaligen Werkzeugnamen finden wir heute im Photoshop wieder …
Auf zwei Tausendstel genau …
Der Bestand der Schweizer Kameramuseums zeigt eine Menge besonders seltener Kameras, die entweder auf Grund geringer Stückzahlen sehr teuer waren und nur für spezielle Zwecke eingesetzt wurden, oder – im Gegenteil – sehr billig angeboten wurden, und deshalb kaum erhalten geblieben sind.
Ein Kamera der ersten Kategorie soll hier besonders erwähnt werden: Der in Paris lebende Schweizer Maler Guido Sigriste konstruierte Ende des 19. Jahrhunderts eine Kamera mit besonders kurzen Verschlusszeiten, um die Galoppbewegungen der Pferde zu studieren, damit er diese möglichst naturgetreu in seinen historischen Schlachtgemälden darstellen konnte. 1898 liess eine neuartige Kamera mit einem speziellen Schlitzverschluss patentieren, der auf zwei Tausendstel-Sekunden genau ablief. Der spezielle Schlitzverschluss war lichtgeschützt in zwei Balgen gefasst und «raste» beim Auslösen über die Platte. Die Verschlusszeit wurde einerseits durch die Ablaufgeschwindigkeit des Verschlusses reguliert, anderseits durch die Breite des Schlitzes, bzw. durch die Folgedistanz zwischen dem ersten und dem zweiten Verschlussvorhang. Auf diese Weise konnte ein grosser Bereich von Belichtungszeiten zwischen 1/40 und 1/2500 Sekunde angewählt werden, welche über eine Tabelle an der Kamera eingestellt werden konnten.
Blick ins Labor des Fotoapparatemuseums, das noch immer für Workshops genutzt werden kann
Das Kameramuseum zeigt in seiner aktuellen Ausstellung noch weitere interessante Bereiche der Plattenfotografie, darunter die Popularisierung der Fotografie durch die Cartes-de-visites Bildchen, das Aufkommen erster Passbild-Automaten mit der Erfindung von Anatol Marco Josepho 1924 in New York, die Arbeitsweise der Porträtfotografen in ihren reichlich mit Requisiten geschmückten Ateliers, die Vermessungstechnik mit Hilfe der Stereoskopie bis hin zum Einsatz der Fotografie in der Kriminaltechnik und Verbrechensbekämpfung.
Ein bekannter Name in einem wenig bekannten Zusammenhang: Ciba hatte in den 1920er Jahren Fotoplatten produziert
Ergänzt wird die neue Ausstellung durch den Bereich im zweiten Stock «Das Zeitalter des Films» sowie die Schau im dritten Stock, «Die digitale Revolution», welche in die Neuzeit führt. Mit der totalen Neugestaltung der permanenten Ausstellung präsentiert sich das Schweizer Fotoapparatemuseum in Vevey noch attraktiver und deutlich informativer, Kommt noch hinzu, dass zu gewissen Zeiten spezielle Workshops für jungendliches Besucher durchgeführt werden, um ihnen die Faszination der Fotografie vor Augen zu führen. Sieentdecken dabei zwei Welten, die digitale, mit weöcher sie aufwachsen, und die analoge, die sie immer wieder ins Staunen versetzt …
Urs Tillmanns
Neu: Eine App führt durchs KameramuseumMit der neuen Ausstellung wurde auch das Informationssystem des Schweizer Kameramuseum auf Vordermann gebracht. iPhone- und Android-Smartphone-Benutzer können sich die App «Kamera Museum» im Apple- oder Android-Store herunterladen und so eine Führung durch das Museum und seine interessantesten Exponate erleben. Dabei werden die Objekte im Bild gezeigt und auf Deutsch oder Engisch kommentiert. Die französische Fassung soll in Kürze folgen. Für Nicht-Smartphone-Besitzer stehen im Museum kostenlose Audio-Guides mit dem gleichen Informationsgehalt zur Verfügung. |
Das Schweizer Kameramuseum in Vevey ist von Dienstag bis Sonntag täglich geöffnet von 11:00 bis 17:30 Uhr geöffnet. Weitere Informationen finden Sie hier.
Vielen Dank lieber Urs, Superartikel. War schön mit Dir im Museum und am Freitag Abend. Bis bald, lieber Gruss, Jacques
Lieber Urs, habe Deinen Artikel über Fotoplatten mit Amüsement und Begeisterung gelesen. Er hat mich an meine Lehrzeit bei Foto Gagg (Sihlstrasse, Zürich) erinnert. Wir haben noch mit grosser Atelier-Holzkamera und teils sogar mit Glasplatten gearbeitet (1957-1960).
Das Kameramuseum weckt immer wieder Erinnerungen.
Liebe Grüsse Eleonor
Ich habe ein Dutzend belichtete Foto-
platten von Königsberg/Pr. Die Bilder
habe ich auf ca. 1925 festgelegt? Wielang
wurde mit FPl. gearbeitet? bis 1930 ?