Die HDR-Technik ist ein hervorragendes Gestaltungsmittel, um den Dynamikumfang eines Bildes zu steigern. Doch oft wird der Effekt übertrieben angewandt, so dass die Bilder unnatürlich, ja sogar abstossend wirken. Dieser Artikel soll dazu dienen, zur vernünftigen Anwendnung zurückzukommen.
HDR-Fotografie ist absolut in Mode. Ein wahrer Hype ist ausgebrochen und so manch einer kann die kitschig, überbunten und auch psychodelisch anmutenden Aufnahmen schon nicht mehr sehen. Motive verlieren oftmals ihre natürliche Anmutung, wenn die hauptsächliche Intention des Fotografens, darin liegt, alles skurril farbig aussehen zu lassen. Dies ist möglicherweise auch der Grund dafür, warum sich so viele an HDR sattgesehen haben. Nachdem so viel Kritik über HDR-Fotografie zu lesen ist, möchten wir heute eine Lanze für diese Art der Fotografie brechen. Der erste Schritt zu besseren HDR-Fotos lautet sicherlich, dass man Aufnahmen nicht unbedingt die Technik ansehen sollte, mit der sie aufgenommen wurden. Weniger ist oftmals mehr, das ist nicht nur in der Fotografie so.
Foto: Gordon Köhler, «Tenerife Red» / Blende / Photoglobus
HDR bietet den grossen Vorteil, dass damit der Tatsache entgegengewirkt werden kann, dass die meisten Kameras nur ein beschränktes Spektrum an Helligkeit aufzeichnen können – da geht es den Kameras nicht anders als unseren Augen, wenn sie kontrastreichen Situationen ausgesetzt sind. Manches ist zu dunkel, anderes zu hell und man hat Probleme damit, es differenziert zu erkennen. Unser Gehirn kann zwar aus der Erfahrung heraus vieles ausgleichen, aber nicht immer alles. Kameras sind, trotz bestechender Technik, Grenzen gesetzt und denen kann mit HDR – also mehrfachem Belichten – entgegengewirkt werden.
Foto: Sebastian Singer, «Powerfrau in einer Männerdomäne» / Blende / Photoglobus
HDR-Aufnahmen setzen sich aus mindestens drei Einzelaufnahmen zusammen, ein Stativ ist Pflicht. Von ein und demselben Motiv macht man eine Aufnahme vom dunklen Bereich, der heller abgelichtet wird, also oberhalb der 0, um noch Zeichnung zu erhalten. Das zweite Bild widmet sich dem hellen Bereich, in dem die maximale Helligkeit 254 erreicht. Für den Bereich zwischen dunkel und hell fotografiert man ein oder mehrere Bilder. Wie viele Aufnahmen man macht, ist abhängig von der Grösse des zu erfassenden Helligkeitsbereich. Immer mehr Kameras bieten zu HDR automatische Funktionen an. Ist diese aktiviert, so müssen vom Fotografen die Belichtungsunterschiede – Angabe in LW oder Blendenstufen – und Anzahl der Aufnahmen – je nach Kamera bis zu neun Bildern – festgelegt werden. Hat man als Fotograf das Ziel, das komplette Spektrum des Motivs differenziert abzulichten, so sollten die Tonwerte oberhalb von 0 und unterhalb von 255 liegen.
Foto: Gordon Köhler, «Teneriffa Benijo» / Blende / Photoglobus
Um ein HDR-Bild zu erhalten, müssen die Einzelaufnahmen zusammengefügt werden. Dieser Vorgang wird als DRI (Dynamic Range Increasment – Steigerung des Dynamik- beziehungsweise Kontrastumfangs) bezeichnet. Bei «echten» HDR-Bildern muss die Datei mehr als die 256 Tonwerte einer 8-Bit-Datei (JPEG) erfassen können. DRI erzeugt im HDR-Bereich 32-, 48- oder sogar 96-Bit-Dateien, die vielfach aber nur ein Zwischenprodukt sind, da sie sich mit üblichen Verfahren (Monitor, Papierbild) nicht abbilden lassen. Der nächste Schritt besteht in der Reduzierung des Kontrastumfangs, was als Tonemapping bezeichnet wird. Wird dies extrem – also falsch – angewandt, erhält man die allseits bekannten psychodelischen Aufnahmen.
Quelle: Prophoto
Literaturtipp:
Jürgen Held / Digitale Fotoparxis: HDR-Fotografie
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Immer wieder wird HDR mit HDR-Effekt verwechselt. Wir alle haben schon sehr viele HDR-Aufnahmen gesehen, ohne zu bemerken, dass es HDR-Aufnahmen waren. Das sind mMn die echten HDR mit dem Ziel, sehr hohe Kontraste möglichst motivgetreu abzubilden. Wir sprechen aber vor allem dann von HDR, wenn wir der Aufnahme das HDR ansehen. Solche Aufnahmen sind für mich HDR-Effekte. Diese können gut sein, oder auch nicht.
siehe dazu auch mein Beitrag auf civiAktiv: HDR ist unnatürlich. Und warum doch nicht?
http://www.civi.ch/civiAktiv_Blog/hdr-high-dynamic-range/
Also bislang dachte ich, dass DRI eine Alternative zu HDR ist, wobei das Ziel dasselbe ist: nämlich den grösstmöglichen Helligeitsumfang abzubilden. Dafür werden bei DRI die Belichtungsvarianten direkt miteinander verrechnet, statt daraus erst ein HDR-Bild zu erzeugen, aus dem dann per Tonemapping ein für heutige Anzeigesysteme normal nutzbares LDR-Bild mit 16/48 oder 8/24Bit erzeugt wird.
Der oft kitschige HDR-Effekt entsteht beim Tonmapping durch übersteuerten Einsatz von Farbsättigung und von lokalen Mikrokontrasten.