Ende Mai 2013 hat die Zeitung Chicago Sun-Times ihr komplettes Fotografen-Team entlassen. Anstelle der 28 Fotografen sollen nun die Reporter Bildmaterial liefern und Freelancer zum Einsatz kommen.
Keine sonnige Zeiten für Fotografen: wie einige US-Online-Medien berichten hat die Tageszeitung Chicago Sun-Times überraschend all ihre Fotografen per sofort entlassen.
Die Zeitung, deren Ursprünge ins Jahr 1844 reichen, hat eine Auflage von rund 400’000 Exemplaren. Der aktuelle Titel entstand 1948 aus dem Zusammenschluss von Chicago Sun und Chicago Times.
Als Grund für die Entlassung führt die Zeitung die veränderten Nutzerbedürfnisse ihrer Leserschaft an, die online nach mehr Videoinhalten verlangen. Die Zeitung will darauf reagieren und mehr Video und Multimedia anbieten, weshalb sie sich (zu Lasten der Fotografen) umstrukturiert.
An Stelle der festangestellten 28 Fotografen sollen künftig die schreibenden Journalisten auch gleich Fotos liefern und werden derzeit entsprechend geschuhlt, indem ihnen fotografische Grundlagen beigebracht werden. Nach wie vor sollen auch professionelle Fotografen Bilder liefern, die jedoch nur als Freelancer und somit bei Bedarf eingesetzt werden.
Übrigens ähnliche Entwicklungen, wenn auch nicht in dieser krassen Form, lassen sich auch in deutschsprachigen Medien ausmachen, wo Fotografenteams reduziert werden und stattdessen häufiger Agenturbilder und auch Leserbilder (und sonstigen User generated Content) verwendet werden. Auch wird online vermehrt auf das bewegte Bild gesetzt.
Weitere Infos
Meldung und Video mit Statements von Fotografen beim Konkurrenten Chicago Tribune
Meldungen zur Entlassung mit Statement der Chicago Sun-Times und zur Schulung der Reporter als Bildlieferanten bei dpreview.com (Amazon)
Die derzeitg überhandnehmende Flut von „animierten Fotos in Videoform“ sind mir ein Gräuel. Es sind Zeitfresser, ich werde gezwungen, alles im vorgegebenen Tempo anzuschauen – bzw. ich lasse es eben sein. Ein paar wirklich aussagekräftige Fotos zum Geschehen lassen sich nicht gegen Videokram austauschen (nur weil es sich bewegt, ist es ja noch nicht automatisch gut – und schon gar nicht in der Qualität eines dramaturgisch gut und interessant aufgebauten Filmes)
Tja, der Aufreger besteht wohl darin, dass hier eine Zeitung auf einen Chlapf alle Fotografen entlässt. Bei uns geht dies, seit Jahren schon, schrittweise voran. Die Textjournis bekommen eine mittelprächtige Digicam, bestensfalls eine Schnelleinführung und dann gehts los mit dem Text- und Bildermachen. Und so sehen die Zeitungen ja heute auch aus… Hauptsache farbig und Promis.
Mit den Fotohandys und auch den hochwertigen Videofunktionen in Fotokameras ist es natürlich schon möglich, dass jedermann gute Fotos und Videos macht, Journis neben ihrer Recherche noch Fotos knipsen und Fotoreporter auch noch gleich Videos aufnehmen. Dies klapp zumindest in der Theorie.
In der Praxis gelingt dies aber kaum, da muss man sich auf die aktuelle Aufgabe konzentrieren. Ausserdem braucht man für solche Kombi-Einsatz mehr Zeit, die selten zugestanden wird und wieder niemand bezahlen will.
Diese Gruppenentlassung scheint eher eine drastische Sparübung zu sein, sonst hätte sich die Zeitung Zeit für einen eher sanften Übergang innerhalb der „natürlichen“ Entwicklung (Fortschrittt!?) genommen.
Wie das aussieht wenn Laien sich auf Spezialgebieten tummeln konnte man letztes Jahr bei den sog. 3DStereo-Anaglyphen des FCBasel(Endspiel/Meisterfeier) in der neuen Wochenzeitung in Basel sehen. Alles falsch gemacht, Henry L hat das bestätigt. Und unsereiner reisst sich für perfekte 3DStereo Aufnahmen jahrelang den A.. auf! Alles muss schnell gehen und nichts kosten. Das wird uns noch viel mehr kosten als bisher.
tja…vielleicht werden dann die Texte aufmerksamer gelesen, da niemand mehr ein Augenmerk auf die Bilder hat.
Wann wohl werden dann die Journalisten entlassen?
Und…so kann sich dann jeder seine Bilder selber machen und sich den Text dazu reimen. Oder machen wir das nicht schon selber?
Happy Day, Lydia
Vor 35 Jahren gab mir einer der besten Schweizer Fotojournalisten-Karl Hofer-sein Rezept für bessere Zeitungsbilder preis: Immer vorher und länger am „Tatort“ sein. Bei der Sprengung des alten Basler Stadttheaters hingen die meisten etablierten Basler Fotografen hoch und abseits über dem Objekt im Kirchturm. Ein anderer auf dem niedrigen neuen Theaterdach. Unsereiner-meine Wenigkeit und der Basler Blickreporter Noldi Köng-stiegen die Bautreppe an der Elisabethenkirche hoch(Tags zuvor inspiziert) und konnten die Idealhöhe wählen.
Erst sind es die Fotografen, dann folgt die schreibende Zunft. Sport- und Börsennachrichten können heute schon ohne menschliches Zutun erstellt werden.