Die Fotostiftung Schweiz in Winterthur zeigt noch bis 25. August 2013 die Ausstellung «Adieu la Suisse!», die nicht nur dem objektiven Wandel der Wirklichkeit nachgeht, sondern auch den Veränderungen des Blicks auf die helvetische Landschaft.
Erhabene Gipfel, liebliche Seen, friedliche Täler – das klassische Bild der Schweizer Landschaft wurde schon früh von Fotografen mitgeprägt. Was ist aus dieser Landschaft geworden? Die Fotostiftung Schweiz geht in ihrer aktuellen Ausstellung «Adieu la Suisse!» nicht nur dem objektiven Wandel der Wirklichkeit nach, sondern auch den Veränderungen des Blicks auf die helvetische Landschaft. Aus der Dekonstruktion der älteren fotografischen Mythen sind neue, zeitgenössische Bilder der Schweiz entstanden.
Scheune (1943), Infanteriebunker, Ratenpass (Ost) ZG 2001/03 © Pro Litteris / Christian Schwager
Noch wollen uns die früheren Darstellungen der unberührten Schweizer Landschaft nicht aus dem Kopf. Die Anziehungskraft einer idyllischen oder spektakulären Natur ist nach wie vor ungebrochen. Unsere Bewunderung für die entsprechenden Szenerien entspringt aber auch einer Projektion: Vor allem die alpine Landschaft diente immer wieder als Sinnbild für ein Leben in Freiheit und im Einklang mit der Natur. Und die Fotografie leistete einen wesentlichen Beitrag dazu. Bis weit ins 20. Jahrhundert hinein widmeten sich viele Schweizer Fotografen mit Vorliebe den alpinen und ländlichen Gegenden. Der urbanen Welt schenkten sie wenig Beachtung, und häufig bemühten sie sich, die störenden Spuren der modernen Zivilisation auszublenden. Ihre Werke sind Ausdruck einer tief verwurzelten kollektiven Phantasie, oft weit entfernt von den realen Verhältnissen.
Flugplatz Ulrichen VS © Nicolas Faure
Heute gehört die Schweiz zu den dicht besiedelten Gebieten Europas. Ihre Wohnbevölkerung wächst jährlich um 80’000 Personen, die Siedlungsfläche hat in 20 Jahren um rund 25 Prozent zugenommen. Drei Viertel aller Schweizer leben in Städten oder Agglomerationen. Und die Veränderung der Landschaft ist nicht mehr zu übersehen: Ungefähr ein Quadratmeter Grünfläche pro Sekunde – rund zehn Fussballfelder pro Tag – verschwindet unter Strassen, Parkplätzen, Einkaufszentren und Häusern. Adieu la Suisse! Diese tiefgreifenden Umwälzungen verlangen nach neuen Bildern – Fotografien, die nicht bloss ein vergangenes helvetisches Arkadien heraufbeschwören, sondern den Wandel thematisieren und sich der heutigen Wirklichkeit stellen.
Unit BT, Davos 2004 © Jules Spinatsch
Die Fotostiftung Schweiz fügt in ihrer Ausstellung «Adieu la Suisse! Bilder zur Lage der Nation» ausgewählte Werke der zeitgenössischen Schweizer Fotografie zu einem neuen, aktuellen SchweizPanorama zusammen. Die präsentierten Arbeiten sind – mit wenigen Ausnahmen – nach der Jahrtausendwende entstanden; sie reagieren mit lustvollen, spielerischen oder ironischen Ansätzen, aber auch sensibel und ohne Scheuklappen auf die Herausforderungen der Gegenwart. Gemeinsam ist ihnen ein unbefangener, neugieriger Blick, der sich dem scheinbar Nebensächlichen zuwendet und das dokumentarische Verfahren durch subjektive Konzepte und Strategien erweitert. Nicht die plakative Anklage, sondern die ständige, subtile Befragung der Realität steht dabei im Vordergrund.
Leukerbad, 2011 © Andri Pol
Die Ausstellung zeigt Fotografien von Jean-Luc Cramatte, Nicolas Faure, Yann Gross, Andri Pol, Christian Schwager, Jules Spinatsch, Martin Stollenwerk, einer Videoarbeit von Erich Busslinger sowie historischen Bildern aus der Sammlung der Fotostiftung Schweiz.
«Adieu la Suisse!» entstand in Zusammenarbeit mit dem Pavillon Populaire / Ville de Montpellier. Zur Ausstellung ist ein gleichnamiger Katalog (D/F) bei Editions Hazan (Paris-Malakoff), hg. von Peter Pfrunder erschienen. Erhältlich im e-Shop, CHF 35.00
Die Ausstellung ist noch bis 25. August 2013 zu sehen in der
Fotostiftung Schweiz
Grüzenstrasse 45
CH-8400 Winterthur