Urs Tillmanns, 29. September 2013, 07:00 Uhr

Keystone: 60 Jahre im Dienste der Fotoaktualität

Keystone_LeadKeystone feierte kürzlich als die wichtigste Bildagentur der Schweiz ihr 60jähriges Bestehen. Sie verwaltet über 11 Millionen Bilder, täglich kommen Tausende hinzu, die allen wichtigen Redaktionen angeboten werden. Abgesehen davon beschäftigt Keystone 20 Fotografen, welche für Keystone die Aktualitätsschauplätze und Events besuchen.

Vom Einmann-Betrieb zur führenden Bildagentur

Die Vorgeschichte der heutigen Keystone beginnt bereits im Jahr 1891 mit der Gründung der «Keystone View Company» in den USA. Diese war darauf spezialisiert, Schulen mit Stereoskopiebildern von Sehenswürdigkeiten aus aller Welt und den dazu gehörenden Vorführapparaten zu beliefern. Während des Ersten Weltkrieges fusionierte «Keystone View Company» mit der Agentur «Press Illustrated Service». Der ungarische Emigrant Bert Garai (1890-1973) baute die daraus entstandene «Keystone Press» bis zum Zweiten Weltkrieg zu einer der bekanntesten transatlantischen Bildagenturen auf, mit einem Verteilnetz zu den grossen Zeitungskonzernen und mit Filialen in vielen Ländern.

Mit dem wirtschaftlichen Aufschwung nach dem Zweiten Weltkrieg in Europa setzt ein Aufbruch in der Medienbranche ein, neue Illustrierte mit grossem Bildbedarf werden lanciert, technische Umwälzungen im Druckbereich verbessern die Qualität im Zeitungsdruck.

Foto: Urs Tillmanns/ Fotointern.ch

Das Gebäude von Keystone an der Grubenstrasse 45 in Zürich

In der Schweiz beliefern neben freien Fotojournalisten die Agenturen «Photopress» (seit 1932) und ATP (seit 1936) sowie die Reportageagentur «Presse Diffusion Lausanne» (seit 1937) die Presse mit Bildern. Der Schweizer Journalist Max Schneider (1924-1998) übernimmt von Lotte Sigg, die einige Monate Bilder von Keystone München an Schweizer Wochenblätter verkauft hat, die Vertretung dieser Bilder und gründet im Jahr 1953 am Seilergraben in Zürich eine unabhängige Keystone Filiale.

Im Februar 1954 stellt er für zwei Jahre die Fotografin Ilse Mayer-Günther (*1934) ein, die beim Aufbau der Agentur mitarbeitet und in der Schweiz fotografiert,was im Ausland gefragt ist. Im Mai 1956 tritt Hans-Ueli Blöchliger (*1937), der soeben seine Lehre als Fotograf abgeschlossen hatte, der Agentur bei. Der Tagesablauf in der Agentur ist klar geregelt: Jeden Tag treffen mit der Post Couverts mit Bildern von den Keystone-Filialen in London, Paris und München ein, mit pro Sujets je drei Prints. Nachmittags werden mit diesen Bildern die Redaktionen besucht, immer in der Reihenfolge wie die besten Preise pro Bild erzielt werden: Schweizer Illustrierte, Sie+Er, Die Woche, Meyers Modeblatt. Die übriggebliebenen Bilder werden mit der Post an die Zeitungen Tribune de Genève und das St. Galler Tagblatt geschickt.

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In den 1970er Jahre revolutionierte der Bildfunk die Bildübertragung. Hier die Sende- und Empfangsanlage der Agentur Photopress © Keystone | Photopress-Archiv

Keystone übernimmt von ATP, die 1962 von Ringier gekauft wird und vom Markt verschwindet, die Zusammenarbeit mit etlichen Bildagenturen europäischer Länder und kann damit ihr internationales Angebot an aktuellen Bildern beträchtlich erweitern. Weitere Fotografen und neu auch Redakteure für die Bildlegenden werden eingestellt. Hans-Ueli Blöchliger, («Blöch», wie er von allen genannt wird) wird nun vom «Mädchen für alles» zum Organisator der Agentur und zum Redaktionsleiter. Er wird bis zu seiner Pensionierung im Jahr 2002 Chefredakteur und prägendes Gesicht von Keystone bleiben.

Foto: Fotointern.ch / Urs Tillmanns

Zwei der damals revolutionären Bildübertragungsgeräte stehen heute noch als Erinnerungsstücke im Bildarchiv von Keystone

 

Fotografen im Dienste der Schweizer Bilddokumentation

Erstmals werden Fotografen an Grossereignisse im Ausland mit Schweizer Beteiligung geschickt, mit dem Auftrag mit einem «Schweizer Auge» zu fotografieren. Ein (gestelltes) Bild von der Eröffnung des Schweizer Pavillons an der Weltausstellung 1967 in Montreal wird so ein grosser Erfolg.

Als Photopress ihren Cliché-Dienst (die Herstellung von Druckformen aus Kunststoff) einstellt, gewinnt Keystone viele neue Zeitungskunden, von kleinen Zeitungen wie dem Alttoggenburger bis zur NZZ. Ein Bote bringt jetzt mehrmals täglich die Couverts mit den aktuellen Bildern direkt auf die Züge im Hauptbahnhof, von wo aus die Redaktionen in allen Regionen der Schweiz mit der Bahn beliefert werden.

Mit Hilfe von Associated Press, die ab 1974 neu mit Keystone kooperiert, baut die Agentur erstmals ein Bildübermittlungsnetz auf. Damit können pro Stunde vier Bilder an die Redaktionen übermittelt werden – zum Vergleich: heute sind es 5‘000 bis 10‘000 Bilder, die täglich digital übermittelt bei der Agentur eintreffen. Ende 1980 stellt Photopress ihre Aktivitäten ein und wird von Keystone aufgekauft; Keystone übernimmt deren grosses und gut organisiertes Bildarchiv und etliche Fotografen der Agentur. So gelingt es, Fotografenbüros in allen Regionen einzurichten. Mit dem Namen Photopress wird eine eigene Bild-PR-Abteilung aufgebaut, die sich zur eigenständigen Firma PPR Mediarelations AG weiterentwickelt.

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Früher waren Dias und Negative die wichtigsten Bildtträger und Leuchtpult sowie Lupe die wichtigsten Arbeitsinstrumente © Keystone | Gaëtan Bally

Mit KeyColor wird 1980 eine neue Abteilung gegründet, die mit Dias Kunden in den Marktsegmenten Werbung und Publikumszeitschriften gewinnen soll. Daraus entwickelt sich die heutige Creative-Abteilung, die mit hochwertigem Bildmaterial von namhaften internationalen Partnern die Schweizer Werbeagenturen, Magazine und Corporate Kunden beliefert. Die 1980er Jahre sind geprägt von entscheidenden Veränderungen bei den internationalen Bildagenturen, die auch grosse Auswirkungen auf den Schweizer Bildermarkt haben: Reuters übernimmt die UPI-Photo und wird damit zu einem wichtigen Akteur auf dem Bildermarkt. Etwa ein Dutzend europäische Bildagenturen, darunter Keystone, gründen die European Pressphoto Agency EPA und bauen ab 1985 mit einer Zentrale in Frankfurt ein eigenes News-Fotofaxnetz auf, welches auch den Weltdienst der AFP vertreibt.

Die AP wiederum löst ihren Vertrag mit Keystone auf betreibt ab 1985 in der Schweiz einen eigenen vollen Bilderdienst. Keystone bietet neben den Bildern der EPA für einige Jahre die Bilder von Reuters an, während die meisten anderen Keystone-Filialen im Ausland von den grossen Bildagenturen geschluckt werden und als aktive Bildanbieter verschwinden.

Foto: Urs Tillmanns / Fotointern.ch

Im Bildarchiv von Keystone werden über 11 Millionen Bilder sorgsam archiviert und verwaltet

Es zeigt sich schnell, dass der Schweizer Markt für zwei vollausgebaute nationale Bildagenturen mit je eigenem Übermittlungsnetz zu klein ist. AP-Photo-Schweiz und Keystone, die im November 1988 in grosszügige, helle Räume einer alten Fabrik an die Grubenstrasse im Aussenquartier Binz umgezogen ist, schreiben Ende der 1980er Jahre beide rote Zahlen. AP stellt im Oktober 1990 den Bilderdienst in der Schweiz überraschend ein, entlässt alle Fotografen und Redakteure und schliesst mit der Agentur Keystone einen langfristigen Partnervertrag. Reuters erneuert den Ende 1990 auslaufenden Vertrag mit Keystone nicht und bietet seither einen eigenen reduzierten Bilderdienst in der Schweiz an.

 

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Historisch wichtige Negative werden im Archiv der Bildagentur Keystone thematisch geordnet in speziellen Archivschachteln abgelegt © Keystone | Gaëtan Bally 

 

Keystone wird zum Pionier der Digitalfotografie

Mit dem neuen Geschäftsführer und Mitbesitzer Walter Grolimund (*1942) setzt eine Beruhigung und eine langfristige Ausbauphase ein. Zur Ergänzung des aktuellen Bildangebotes wird eine neue Abteilung geschaffen: Die Themenfotografie erstellt mit eigenem Fotografen starke Hintergrundbilder und qualitativ hochstehende Porträts. Die grösste Herausforderung, ökonomisch wie auch organisatorisch, bildet die Digitalisierung des gesamten Bildermarkts. Denn mit dem Internet fallen alle Übermittlungsmonopole, Bilder sind weltweit jederzeit innert kürzester Zeit organisierbar und verfügbar. Keystone, seit 1997 im World Wide Web präsent, rüstet die Fotografen mit digitalen Kameras aus. Zur Jahrtausendwende ist die Newsfotografie vollständig auf digitale Produktion umgestellt. Labor und Postdienst verschwinden, die Kunden werden nur noch digital bedient. Die Organisation von Keystone wird mit neuen Abteilungen Sales, Online-Redaktionen und Bildbearbeitung den Anforderungen des digitalen Zeitalters angepasst und umgebaut.

Foto: Foointern.ch / Urs Tillmanns

Im Bildarchiv von Keystone gehen täglich 5’000 bis 10’000 Bilder ein. Hier werden sie selektiert, aufbereitet und den Redaktionen zugestellt

Auf den 1. Januar 2008 wird Keystone von den zwei Nachrichtenagenturen, der österreichischen APA und der schweizerischen SDA, gekauft und Jann Jenatsch (*1962), der seit 1986 in verschiedenen Funktionen bei Keystone arbeitet, als Geschäftsführer eingesetzt. Mit der Entwicklung der neuen Datenbank und der neuen Website mit differenzierten Features, die 2012 aufgeschaltet wurde, des Aufbaus einer Video- und einer Infografikabteilung und dem Ausbau der Auftragsfotografie antwortet Keystone auf die strukturellen Veränderungen in der Medienbranche und die multimedialen Anforderungen des Bildermarktes.

Heute ist Keystone die führende Bildagentur in der Schweiz mit 75 Mitarbeitenden, darunter 20 festangestellten Fotografen. Dank dem weltweiten Netzwerk mit Partneragenturen und zahlreichen freien Fotografen bietet Keystone auf ihrer Datenbank über 7 Millionen Bilder an und verfügt über ein historisches Archiv mit über 10 Millionen Bildern, die einen wichtigen Bestandteil des visuellen Gedächtnisses der Schweiz bilden.

Text: Keystone

Die Bilder ohne Copyright-Angabe stammen von Fotointern.ch

Keystone AG
Grubenstrasse 45
CH-8045 Zürich

 

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