Zwei Verleger ersten Ranges waren an der «Photo 14» in der Maaghalle Zürich geladene Gästen des photoFORUMs. Gerhard Steidl und Philipp Keel unterhielten sich gestern Mittag mit Ewa Hess, Leiterin Kulturressort der Sonntags-Zeitung.
Autoren seien schwierige Menschen. Darüber waren sich Gerhard Steidl und Philipp Keel im Gespräch mit Ewa Hess einig. Der Sohn von Daniel Keel, Autor, Künstler und Filmemacher, der nach dem Tod seines Vaters, Gründer des Diogenes-Verlags, 2011 nun selbst Verlagsleiter geworden ist, erinnerte sich, wie schwierig er in der Rolle des Künstlers bei der Realisierung seines ersten Fotobuchs im Steidl Verlag gewesen sei. Das ausgiebige Gezänke zwischen ihm und Gerhard Steidl um die konkrete Umsetzung habe nicht drei Wochen, wie es Steidl zuerst geschildert hatte, sondern insgesamt drei Monate gedauert.
Keels erster Bildband «Color», 2004 bei Steidl publiziert, aus dem im Verlauf des Abends rund drei Dutzend farbige Fotografien via Beamer-Projektion gezeigt wurden, ist mittlerweile vergriffen. Steidl, der sich als 18-jähriger von Andy Warhol die Technik des Siebdrucks hatte erklären lassen, in jungen Jahren Assistent bei Joseph Beuys gewesen war, weiss seine eigene Kreativität für das Verlagsgeschäft offenbar erfolgreich zu nutzen. Im Bewusstsein, dass hinter einem fotografischen Projekt oft eine jahrelange Arbeit stecke, befrage er die Autoren zuallererst nach deren Vision. Erst dann gelte es, Ideen zu entwickeln bezüglich des passenden Formats und Papiers. Mit seinem aussergewöhnlichen Verlagshaus – die Druckerei befindet sind im selben Haus, einen Stock unterhalb der Büroräumlichkeiten – hat sich Steidl ein kleines Imperium erschaffen. Hier sei er nicht der König, wie es Hess ausdrückte, sondern der Diktator, meinte Steidl. Der Geruch der Druckerfarbe sei die süchtig machende «Droge».
Gerhard Steidl © Karl Lagerfeld
In einer Schaffenskrise habe Karl Lagerfeld ihm die beste Antwort gegeben bezüglich Sinn und Zweck der mit ihm zusammen realisierten Fotobücher. Es gelte, Atmosphäre zu verkaufen. Steidl verglich das Erlebnis «Fotobuch» mit einem Theaterabend und möchte die Leute für ein paar Stunden verzaubern. Ähnlich denkt auch Philipp Keel. In seinem belletristischen Verlag sei der Vorhang zu Beginn und am Ende etwas anders, aber auch er wolle die Leute gut unterhalten, bei Diogenes natürlich mit spannenden Geschichten.
Philipp Keel © Nathan Beck
Nach der Qualität der freundschaftlichen Beziehung zwischen dem Verleger und den Autoren befragt, stellt Keel fest, dass er, seit er Verlagsleiter sei, ein permanent schlechtes Gewissen habe, weil ihm die Zeit fehle, seine Versprechungen, wieder einmal anzurufen, einzuhalten. Mehr als eine Arbeitsbeziehung wolle er mit seinen Autoren auf gar keinen Fall eingehen, sagte Steidl, auch nicht mit Günter Grass, dessen weltweite Rechte er an seinen Werken besitzt und mit der «Blechtrommel», die in Übersetzungen noch immer einige hunderttausendmal pro Jahr verkauft werde, viel verdiene. Nach dem Wunsch von Grass fliesse von den Einnahmen auch etwas Geld in die Förderung junger Talente. Das Beschränken der freundschaftlichen Beziehung auf eine Arbeitsbeziehung sei, so Steidl, eine sehr gute Methode, um über Jahrzehnte hinweg über die Runden zu kommen. So habe Grass beispielsweise versucht, ihn zu verheiraten. Das habe allerdings nicht geklappt.
Eine aus dem Publikum gestellte Frage im Anschluss an das moderierte Podiumsgespräch entlockte Steidl ein paar interessante Zahlen aus seinem Verlagsalltag. Der bei seinem berühmten Fotobuchverlag offenbar abgeblitzte Fotograf fragte nach einem Erfolgsrezept, um sein Buchprojekt doch noch realisieren zu können. Jährlich erhalte er etwa 2‘000 Angebote für Bücher, darunter seien 300 bis 400, die er gerne machen würde, mehr als 20 bis 30 Debütautoren könne er bei seiner Jahresproduktion von 220 visuellen Büchern nicht berücksichtigen, sagte Steidl. Schliesslich gelte es vor allem auch, neue Bücher von Autoren zu veröffentlichen, mit denen er teilweise bereits über mehrere Jahrzehnte hinweg gut und gerne zusammenarbeite. Vom Drucken im Eigenverlag rate er dringend ab. Bei erfolgloser Suche, sei es besser, das Projekt ganz fallen zu lassen.
Philipp Keel ermutigte den Fragesteller aus dem Publikum, bei seiner Suche auf jeden Fall hartnäckig zu bleiben. Mit gutem Beispiel voran, nutzte Keel selbst die Gunst der Stunde und übergab Gerhard Steidl vor den Zuschauern, als hilfreiche Zeugen, einen Umschlag mit dem Buch-Dummy seines neuen Bildbandes. Gerhard Steidl könne nun nicht mehr sagen, die Maquette sei wohl irgendwo in seinem Verlag liegengeblieben und er habe sie noch gar nicht gesehen. Ob sich der Eigentümer und Geschäftsführer des bekannten Göttinger Verlags diesem öffentlichen Druck fügen wird oder das neue Projekt von Philipp Keel nun erst recht für längere Zeit in die Warteschlaufe legt, wird sich weisen. Wir warten gespannt auf den zweiten Fotoband.
Die photo14 dauert noch bis morgen, Dienstag, 14. Januar 2014.
Heute Abend findet übrigens das mit Spannung erwartete Gespräch mit Arnold Odermatt und Tages-Anzeiger Chefredaktor Res Strehle statt. Tickets gibt es noch für diejenigen, die sich beeilen.