Urs Tillmanns, 23. Februar 2014, 11:00 Uhr

Philippe Halsman im Museé de l’Elysée

Halsman_Elysee_PlakatSo aussergewöhnlich wie seine Bilder sind, war auch sein Leben. 1921 entdeckt Philippe Halsman die alte Fotokamera seines Vaters und spricht vom einem «Wunder» als er seine ersten Glasplatten im Waschbecken des familiären Badezimmers entwickelte. Damals war Philippe Halsman 15 Jahre alt, und diese erste Begegnung mit der Fotografie war ausschlaggebend dafür, dass Halsman einer der grössten Fotografen des 20. Jahrhunderts wurde.

 

Philippe Halsman wurde 1906 in Riga, Lettland geboren. In seinem 22. Lebensjahr verunglückt sein Vater tödlich im österreichischen Tirol. Philippe wurde in einer bereits stark vom Antisemitismus geprägten Atmosphäre fälschlicherweise wegen Vatermordes verurteilt. Er kommt nur dank der Unterstützung seiner Schwester Liouba frei, nachdem sich viele prominente europäische Intellektuelle wie Albert Einstein, Thomas Mann, Erich Fromm und Sigmund Freud gegen die ungerechte Verurteilung einsetzten. Philippe Halsman wird daraufhin freigesprochen, jedoch des Landes verwiesen, worauf er nach Paris zu seiner Schwester zieht.

Dank der Unterstützung des französischen Ministers Paul Painlevé erhält Halsman in Paris Asyl. Als er dort ankommt, erhält Halsman von Painlevés Sohn Jean, der wissenschaftlicher Filmemacher ist, eine der damals besten Kodak-Kameras für 9×12 cm Platten zur Förderung seines künstlerischen Schaffens. Halsman versucht sich in verschiedenen Motivbereichen wie Stadtansichten von Paris, Aktaufnahmen und der Modefotografie. Seine Arbeit wurden dreimal in der Galerie «Pléiade» gezeigt, dem bekannten Ort der Avantgarde, wo auch so berühmte Künstler wie Man Ray, André Kertész und Brassaï ihre Werke ausgestellt hatten. Die Galerie ist einer der Orte in Paris, welche die «Nouvelle Photographie» in Form von thematischen Veranstaltungen, Gruppen- oder Einzelausstellungen verbreitet, was viel zur Bekanntheit von Philippe Halsman in der Seinestandt beigetragen hat.

HALSMAN_Affiche Pleiade 1936 (c) 2013 Philippe Halsman Archive Magnum Photos_500

Philippe Halsman, Plakat für die Einzelausstellung «Portraits et nus», 1936 in der Galerie «Pléiade». Philippe Halsman Archive © 2013 Philippe Halsman Archive / Magnum Photos

Halsman arbeitete von 1930 bis 1940 mit den auflagestärksten Illustrierten wie «Vogue», «Vu» und «Voilà» zusammen, und schuf die besten Porträts von berühmten Persönlichkeiten wie Marc Chagall, Le Corbusier oder André Malraux. 1937 heiratete Halsman Yvonne Moser, eine auf Kinderporträts spezialisierte Fotografin, mit der er zeitlebens zusammen arbeitet.

Der Druck der nationalsozialistischen Besatzer in Paris auf die jüdische Bevölkerung wurde 1940 dermassen unerträglich, so dass Halsman plant Frankreich zu verlassen und nach New York umzusiedeln. Vorerst konnte er jedoch nicht aus Paris flüchten, erhielt aber schliesslich 1940 aufgrund eines Briefes von Albert Einstein an Eleanor Roosevelt einen Notfallreisepass und konnte zu seiner Familie reisen, welche vor sechs Monaten das Land verlassen konnte.

«Als ich 1940 in Amerika ankam, musste ich mich an den amerikanischen Stil gewöhnen, das heisst technisch perfekte Fotos scharf und präzise, gut ausgeleuchtet und ohne Verformungen. (Ein-) Mal habe ich einem Foto blaue Gelatine hinzugefügt, um bei einer regnerischen Landschaft den Eindruck der Kälte zu akzentuieren. Wilson Hicks entfernte diese Folie und sagte mir: ‚Sie schummeln, Philippe‘. Jede Künstlichkeit wurde damals als unehrlich verschrien.» Philippe Halsman

Halsman, Familienbild, 1948, Philippe Halsman Archive (c) 2013 Philippe Halsman Archive - Magnum Photos

Philippe Halsman, Familienbildnis mit (von links nach rechts) Jane, Yvonne, Philippe und Irene Halsman, 1948 Philippe Halsman Archive © 2013 Philippe Halsman Archive / Magnum Photos

In New York war Philippe Halsman kein Unbekannter und erhielt vor allem für das amerikanische Magazin «Life» Aufträge, was im insgesamt 101 Titelseiten einbrachte, sowie die Begegnungen mit den berühmtesten Persönlichkeiten des Jahrhunderts, darunter Marilyn Monroe, Rita Hayworth, Duke Ellington, dem Herzog und der Herzogin von Windsor, Richard Nixon und Albert Einstein, um nur einige zu nennen.

HALSMAN_Philippe_Cocteau lArtiste multidisciplinaire 1949 (c) 2013 Philippe Halsman Archive Magnum Photos

Philippe Halsman «Jean Cocteau, l’artiste multidisciplinaire», 1949, Philippe Halsman Archive © 2013 Philippe Halsman Archive / Magnum Photos

Abgesehen davon ein Fotograf von Berühmtheiten zu sein, wurde Philippe Halsman zeitlebens nicht müde zu experimentieren und die Grenzen des Mediums zu erweitern. Er arbeitete insbesondere während mehr als dreissig Jahren mit Salvador Dalí zusammen und veröffentlichte viele Reportagen über diesen aussergewöhnlichen Experimentalisten.

HALSMAN_Dali Atomicus 1948 (c) 2013 Philippe Halsman Archive Magnum Photos_Images Rights of Salvador Dali reserved

Philippe Halsman, Dalí Atomicus, 1948, Musée de l’Elysée © 2013 Philippe Halsman Archive / Magnum Photos, Exklusivrechte der Bilder von Salvador Dalí: Fundació Gala-Salvador Dalí, Figueres, 2014

 

Philippe Halsman und Salvador Dalí

Eines der Lieblingsmotive von Halsman war Salvador Dalí, mit welchem er eine einzigartige über dreissig Jahre andauernde Freundschaft und Zusammenarbeit teilt. 1953 erkennt Halsman im wachsenden Schnurrbart von Salvador Dalí «die Möglichkeit einen seiner kühnsten Träume realisieren zu können: die Schaffung eines übermässig exzentrischen Kunstwerks». Dalí ist offen für jedes Fantasiespiel bei der Verwirklichung der Szenen: er modelliert seinen geliebten Bart mit ungarischer Bartwichse und erklärt sich einverstanden in eher ungewöhnlichen Inszenierungen mitzuwirken.

Halsman, Dali moustache_500

Philippe Halsman «Plantées comme deux sentinelles, mes moustaches défendent l’entrée de ma personne», Dalí’s Mustache, 1954, Philippe Halsman Archive © 2013 Philippe Halsman Archive / Magnum Photos, Exklusivrechte der Bilder von Salvador Dalí: Fundació Gala-Salvador Dalí, Figueres, 2014

«Während unserer dreissigjährigen Freundschaft habe ich unzählige Fotografien gemacht, die den surrealistischen Maler in den unmöglichsten und unwahrscheinlichsten Situationen zeigt. Jedes Mal wenn ich einen markanten oder berühmten Protagonisten für eine meiner wahnsinnigen Ideen brauchte, hat Dalí grosszügig akzeptiert. Und jedes Mal wenn Dalí eine Fotografie ausdachte, die so bizarr war, dass sie unmöglich erschien, versuchte ich eine Lösung zu finden. ‚Können Sie mich aussehen lassen wie Mona Lisa?… Können Sie es möglich machen, dass ein Mann halb Dalí und halb Picasso ähnlich sieht?’» Philippe Halsman

 

«Jumpology»  und «Jump-book»

Möglicherweise von Dalí inspiriert, kommt er um 1950 auf die Idee, die Persönlichkeiten springend zu fotografieren und so ein natürlicheres, spontaneres und ungewöhnlicheres Porträt seiner Modelle einzufangen.

«Wenn Sie eine Person auffordern in die Luft zu springen, kristallisiert sich ihre Aufmerksamkeit auf den Akt des Springens und die Maske fällt, sodass die wirkliche Persönlichkeit zum Vorschein kommt.» erklärt Halsman seinen neuen Stil. Während rund zehn Jahren schafft Halsman eine aussergewöhnliche Porträtgalerie der amerikanischen Gesellschaft, welche die Grundlage für sein mit über 170 Porträts illustrierte «Jump Book» ist. Für seine Jump-Bilder pflegt Philippe Halsman immer die gleiche Vorgehensweise: Am Ende eines Fototermins, für den er beauftragt wurde, fragt er die Personen, ob sie einverstanden wären, an seinem persönlichen Projekt teilzunehmen und vor Ort Luftsprünge zu machen. So gelingt es ihm einige hundert Sprünge von Persönlichkeiten zu fotografieren, die sich sonst wohl eher ungern zu solchen Experimenten hergeben würden. Das «Jump-book», welches 1959 erscheint und sein damit verbundener völlig neuer fotografischer Stil, war sein durchschlagender Erfolg.

HALSMAN_Halsman-Marilyn Monroe jump 1954 (c) 2013 Philippe Halsman Archive Magnum Photos 

Yvonne Halsman, Marilyn Monroe und Philippe Halsman, 1954, Archives Philippe Halsman © 2013 Philippe Halsman Archive / Magnum Photos

 

Fokus auf Marilyn Monroe

Philippe Halsman fotografierte Marilyn Monroe mehrmals zwischen 1949 und 1959. Begonnen hat die Zusammenarbeit damit, dass Halsman im Herbst 1949 vom Magazin Life nach Hollywood geschickt wird, um dort eine Reportage über acht junge Mannequins zu realisieren, welche ihre Karriere als Schauspielerinnen beginnen wollen. Halsman bildet sie in vier vorgegebenen Szenen ab und bemerkt dabei schnell die Fähigkeiten der jungen Marilyn Monroe. Dieser Eindruck führt drei Jahre später dazu, dass Life ihn beauftragt eine Bildstrecke über die Schauspielerin zu fotografieren.

HALSMAN_Marilyn Monroe jump 1959 (c) 2013 Philippe Halsman Archive Magnum Photos

Philippe Halsman, Marilyn Monroe, 1959. Musée de l’Elysée © 2013 Philippe Halsman Archive / Magnum Photos, und Titelseite des Magazins Life mit einem Porträt von der springenden Marilyn Monroe durch Philippe Halsman, 9. November 1959, Musée de l’Elysée © 2013 Philippe Halsman Archive / Magnum Photo

«Marilyn war die einzige, die aus der Gruppe der Starlets herausragte. Die Fotografen haben ihre natürliche Fähigkeit entdeckt mit dem Kameraobjektiv zu flirten und ihr Image als Blondine, ihre unmittelbare Verfügbarkeit haben aus ihr eines der beliebtesten Pin-up-Girls in den USA gemacht. Marilyn fühlte, dass das Objektiv nicht einfach ein Auge aus Glas war, sondern das Symbol der Blicke von Millionen von Männern. Sie wusste besser als irgendeine Schauspielerin, die ich je fotografierte, dem Objektiv den Hof zu machen.» Philippe Halsman

Halsman schafft mehrere emblematische Bilder der Schauspielerin und trägt so zu ihrer Bekanntheit bei, indem er ihr das erste Titelbild der Zeitschrift Life verschafft. Die Fotografien von Halsman widerspiegeln durchaus das von ihr geschaffene Bild des «Sexsymbols», doch Halsman schafft es auch ein natürlicheres Porträt von ihr zu realisieren, indem er sie bittet in die Luft zu springen. Zunächst reagiert sie ablehnend, erst fünf Jahre später akzeptiert sie die Spielregeln der «Jumpology» und landet damit schliesslich auf der Titelseite des Magazins «Life».

 

Philppe Halsman fotografiert Richard Nixon

«Ich habe Richard Nixon viermal fotografiert und jedes Mal hatte ich einen anderen Mann vor mir. 1955, als er Vizepräsident war, habe ich ihn für die Titelseite von Collier’s fotografiert (…). Der Vizepräsident war nicht sehr redselig und war ständig auf der Hut. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich die Gewohnheit jedes meiner Modelle zu fragen, ob sie bereit seien, für mich zu springen. Ich habe mich bereits auf eine schroffe, negative Antwort seinerseits eingestellt, aber Herr Nixon machte mit und legte einen eher schüchternen Sprung hin.» Philippe Halsman

Halsman, Richard Nixon, 1955, Philippe Halsman Archive (c) 2013 Philippe Halsman Archive - Magnum Photos_500

Philippe Halsman, Richard Nixon, 1955 Philippe Halsman Archive © 2013 Philippe Halsman Archive / Magnum Photos

Die Krönung seines Lebenswerkes, welche Phillipe Halsman noch erleben durfte, war seine grosse Retrospektive im Jahr 1979 am International Center of Photography in New York. Halsman stirbt kurze Zeit später am 25. Juni 1979 in New York.

«Im Faust von Goethe ruft Dr. Faust aus: ‚Zwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust‘. Diese Bemerkung trifft vollumfänglich auf mich zu. Für meine ernsthafte Arbeit bemühe ich mich den Dingen auf den Grund zu gehen und Ziele zu erreichen, die vielleicht unerreichbar scheinen. Auf der andern Seite zieht mich jede Art von Humor an und dieser kindliche Aspekt meines Charakters erlaubt es mir allerlei Leichtfertigkeiten auszuleben.» Philippe Halsman

Die Ausstellung

Die vom Musée de l’Elysée zusammen mit den Familienarchiven Halsman realisierte Ausstellung «Erstaunen Sie mich!» (Etonnez-moi!) beleuchtet erstmals die gesamte berufliche Laufbahn des amerikanischen Fotografen, von seinen Anfängen im Paris der 1930er-Jahre bis zum überwältigenden Erfolg seines New Yorker Studios zwischen 1940 und 1970.

Die Ausstellung ist in vier epochale Zeitabschnitte des Schaffens von Philppe Halsmann unterteilt: Paris der 1930er-Jahre, Porträts, Inszenierungen und Salvator Dalí. Es werden darin nicht weniger als 300 exklusive Bilder und Originaldokumente gezeigt, welche als Retrospektive ein neues Licht auf das Werk eines aussergewöhnlichen Fotografen Philippe Halsman werfen.

Diese Ausstellung wurde vom Musée de l’Elysée in Zusammenarbeit mit den Halsman Archiven realisiert und ist noch bis 11. Mai 2014 in Lausanne zu sehen. Danach wird sie im «Jeu de Paume» in Paris (13. Oktober 2015 bis 14. Februar 2016), in der «Kunsthal» Rotterdam (27. Februar bis 5. Juni 2016), in der «Caixa-Forum» Barcelona (19. Juli bis 30.Oktober 2016) und in der «Caixa-Forum» Madrid (29. November 2016 bis 12. März 2017) gezeigt.

Ausstellungskuratorium

• Sam Stourdzé, Direktor des Musée de l’Elysée
• Anne Lacoste, Kuratorin des Musée de l’Elysée

 

Das Buch zur Ausstellung

Halsman_Buchumschlag Zwei Kataloge werden aus Anlass dieser Ausstellung veröffentlicht: eine französische Ausgabe im Verlag Photosynthèses Philippe Halsman, «Etonnez-moi !» und ein englischer Titel im Prestel Verlag Philippe Halsman, «Astonish Me!». Diese 320-Seiten Buchpublikation beinhaltet die erste Studie des Gesamtwerks von Philippe Halsman. Das Werk umfasst zwei Essays: der erste ist von Anne Lacoste, Ausstellungskuratorin im Musée de l’Elysée und dem kreativen Prozess des Fotografen gewidmet, der zweite Text von Marc Aufraise beleuchtet die Zusammenarbeit mit Salvador Dalí. Ein Text der Familie Halsman erwähnt persönliche Erinnerungen an den Fotografen und schliesslich gibt es auch eine detaillierte Zeittafel zu diesen Studien.

Das Buch ist mit über 250 Reproduktionen (Abbildungen von Originalabzügen, Farbfotografien, Entwürfen, Fotomontagen und Druckfahnen) illustriert. Es kostet CHF 69.– und kann im Museumsshop gekauft werden.

Ferner sind begleitend zur Philippe Halsman-Ausstellung verschiedene Veranstaltungen im Musée de l’Elysée vorgesehen, siehe www.elysee.ch

Weitere Informationen finden Sie unter www.elysee.ch

 

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