Urs Tillmanns, 11. Mai 2014, 07:00 Uhr

Ilford-Ende und Ilford-Neuanfang – wie war es wirklich?

Mit der Übergabe der Ilford Markenrechte an Chugai und Kennedy ist der Konkurs der einstigen Ilford Imaging Switzerland GmbH wohl endgültig abgeschlossen. Wir wollten mehr über die Hintergründe wissen und führten ein Interview mit dem früheren CEO von Ilford Imaging Paul Willems.

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Ilford_Marly

Das Gelände der früheren Ilford Imaging Switzerland GmbH, des heutigen Innovationcenters in Marly mit der Ilford Produktionsanlage

Für Ilford Imaging Switzerland GmbH, das einstige Vorzeigeunternehmen der Schweizer Fotobranche, bedeutete der 9.Dezember 2013 das endgültige Aus. Jetzt wird mit der Markenübernahme durch die japanische Chugai Photo Chemicals und die australische C.R. Kennedy & Co. Pty Ltd der Begriff «Ilford» weitergeführt (siehe Kasten am Schluss des Artikels). Wie war das damals, als die Ilford Imaging Switzerland GmbH Konkurs ging? Wieso war Ilford nicht zu retten? Wo lagen die Fehler, dass es jahrelang sukzessive mit dem Unternehmen bachab ging?

Wir haben uns mit Paul Willems unterhalten, der als CEO von Ilford Imaging bis zuletzt versuchte, die Pleite abzuwenden. Zudem hatten wir Gelegenheit, die legendäre Produktionsanlage in Marly bei Fribourg zu fotografieren, auf der das berühmte Cibachrom- und Ilfochrom-Material gegossen wurde. Wahrscheinlich sind dies die letzten Aufnahmen …

Ilford_Paul_Willems

Paul Willems, letzter CEO der Ilford Imaging Switzerland GmbH, versuchte mit über 20 möglichen Partnern die Produktionsanlage mit den 120 Arbeitsplätzen in Fribourg-Marly zu retten. Im Hintergrund die Produktionsanlage von Ilford. Hier wurden die legendären Produkte, wie Cibachrom, Ilfochrom und die Inkjet-Papier gegossen und konfektioniert

Fotointern.ch: Herr Willems, Ilford hat eine bewegte Geschichte mit vielen Eignern hinter sich: Ciba, International Paper, Oji Paper und Paradigm Global und danach das Aus. Seit 2004 begann eigentlich bei Ilford die Talfahrt. Wo lagen die Fehler

Paul Willems: Es ist in der Tat eine bewegte Geschichte, und im Nachhinein ist es auch einfach die Fehler zu interpretieren. Man darf bei der ganzen Entwicklung den enormen Wandel in der Imagingbranche nicht ausser Acht lassen, und vielleicht hat sich Ilford – wie andere Unternehmen auch – zu lange auf die analoge Fotografie konzentriert ohne auf die Kosten zu achten. Im Vordergrund stand die Auslastung dieser riesigen Produktionsanlage hier in Marly, und die Frage nach dem Profit wurde erst gestellt, als es eigentlich schon zu spät war.

Ilford_Produktion_Emusionsherstellung

Blick in die Emulsionsaufbereitung. Die blitzblanke Chromstahlanlage mit den hoch präzisen Dosier- und Mischstationen hat nur noch Schrottwert

Sie kamen ja 2011 zu Ilford. Was fanden Sie vor, und welches waren Ihre Massnahmen?

Als ich zu Ilford kam stand für mich die Festigung der Markenbekanntheit im Vordergrund. Ilford verzeichnete einen sehr hohen Fertigungsanteil an Fremdprodukten, sogenannte OEM-Produkte (Original Equipment Manufacturer), mit denen man zwar die Anlage gut auslasten konnten, die aber bei einem enormen Preisdruck relativ wenig Gewinn abwarfen. OEM ist eine zu grosse Abhängigkeit bei geringer Kosteneffizienz. So war es in erster Linie meine Zielsetzung, den Verkauf eigener Produkte und Diversifikationen zu fördern, was auch recht gut gelang. Gleichzeitig kam hinzu, dass die Nachfrage nach chromogenem Material, also Ilfochrom und die Chemie dazu, immer stärker zurück ging. Wir suchten nach neuen Produkten, erinnerten uns daran, dass Ilford einst ein erheblicher Player im Tintengeschäft war und begannen neue Produkte für die Industrie und den Direktkundenbereich zu entwickeln und fertigen. Wir mussten umdenken: Nicht mehr der Fotobereich war unser Kerngeschäft, sondern die Beschichtungstechnologie.

Ilford_Produktion_Giesskopf

Herz der Giessanlage ist der Giesskopf. Das auf den Tausendstel genau gearbeitete Teil giesst acht Schichten gleichzeitig nach dem Kaskadenprinzip. Ein solcher Kopf kostet mehrere 100‘000 Schweizerfranken. Hier gibt es sieben Stück davon, die immer noch auf Betriebstemperatur gehalten werden, damit die Präzision im µ-Bereich gewährleistet bleibt

Und doch: Ilfochrom war über Jahrzehnte als wahrscheinlich bestes und vor allem farbstabilstes Fotomaterial das Paradepferd von Ilford. Weshalb musste man es aufgeben?

Das hat verschiedene Gründe, einmal abgesehen von der Tatsache, dass die Nachfrage ständig zurückging. Wir haben im Sommer 2012 das letzte Ilfochrom-Material gegossen, von dem jetzt immer noch etwas an Lager ist. Eine Neuauflage ist heute nicht mehr möglich, weil gewisse Rohstoffe aufgebraucht sind und deren Herstellung mit zu grossen Investitionen verbunden wäre. Das definitive Ende ist also absehbar. Etwas anders ist es mit der Chemie. Diese kann man bedarfsweise in kleineren Mengen produzieren, was jetzt auch von einem Startup-Unternehmen mit früheren Ilford-Mitarbeitern getan wird. Die Verarbeitung des noch im Markt befindlichen Materials ist also weiterhin gewährleistet.

Ilford_Produktion_Tunnel4_Antragstelle

Die Emulsionsantragstelle der Giessmaschine. Hier wird der Giesskopf angesetzt. Die flüssige Emulsion läuft aus den acht Schlitzen des Giesskopfes hoch präzise dosiert auf die Papierunterlage

Wie sieht es dann mit Micrography Material aus, dem lichtechten Farbmikrofilm, der immer noch von vielen Instituten und Bibliotheken gebraucht wird?

Genau gleich. Es ist noch etwas Material da, die Verarbeitung ist gesichert, aber das Ende ist in Sicht, zumal ein Kunde in China eine grosse Menge übernommen hat, um den Bedarf der Library of China möglichst lange zu sichern.

Ilford_Produktion_Trockenanlage

In solchen Tunnels, es gibt 13 Stück aneinander, wird die Emulsion getrocknet und abgekühlt

Der Konkurs war ein ziemlich schwieriges Unterfangen, zumal die Firmenstruktur von Ilford Imaging GmbH recht kompliziert war. Können Sie uns die Zusammenhänge erklären?

Ja, es ist tatsächlich nicht so ganz einfach. Ilford Imaging Switzerland GmbH gehörte der Private Equity, einer Tochtergesellschaft der Pardigm Global – das ist eine englische Investorengruppe. Als Ilford im Juni 2013 Liquiditätsprobleme bekam und die Löhne nicht mehr bezahlen konnte (Fotointern berichtete) sagte die Private Equity aus heiteren Himmel jede weitere Unterstützung ab, so dass uns nicht anderes übrig blieb, als beim Konkursamt die Bilanz zu deponieren. Der Kanton Freiburg bezahlte daraufhin die ausstehenden Löhne und gab uns sechs Wochen Zeit, um einen Käufer zu finden um die erforderliche Liquidität zu erlangen. Mit einer Überbrückungsfinanzierung durch den Landverkauf konnten wir etwas zusätzliche Zeit gewinnen, während der ich mit mehr als 20 Firmen weltweit im Gespräch war. Dabei gab es ebenso hoffnungsvolle Aussichten wie Niederlagen, bis wir Ende November die letzte Absage eines möglichen Partners erhielten, so dass wir am 9. Dezember 2013 definitiv den Konkurs anmelden mussten.

Ilford_Produktion_Aufhaspeln

Am Ende des Tunnels wird das Papier auf riesige Rollen – sogenannte «Jumbos» – aufgespult

Eine schmerzliche Aufgabe für einen Geschäftsführer …

Ja, das war es. Allerdings kam es für die Belegschaft nicht unerwartet, denn wir betrieben immer eine sehr offene Informationspolitik. Und ich muss hier den früheren Mitarbeitenden ein grosses Kompliment bezüglich ihrer Loyalität machen: Alle haben die Entscheide bis zum letzten Arbeitstag akzeptiert und mit höchster Disziplin mitgetragen. Das war für mich in dieser schweren Zeit eine wichtige und sehr positive menschliche Erfahrung.

Ilford_Produktion_Aufhaspeln

Eine «Jumbo»-Rolle wiegt rund 900 Kilogramm und enthält rund 3‘000 Meter Rohmaterial bei einer Breite von 1,56 Metern. Die Jumbos werden lichtdicht verpackt, gelagert und bei Bedarf konfektioniert

Dann kam das grosse Aufräumen …

Ja, da sind wir immer noch dabei. Zum Zeitpunkt der ersten Insolvenzanmeldung im Juni 2013 gab es – etwas vereinfacht dargestellt – drei Unternehmen in der Ilford Gruppe: Imaging, Property (das sind die Immobilien) und die Ilford Group AG, zu der die kurz zuvor erworbene Tecco gehörte. Der Imaging-Bereich war nicht mehr retten. Die Liegenschaften und das Firmengelände kauften mein früherer Finanzchef und heutiger Partner Jean Marc Métrailler und ich. Daraus haben wir den «Marly Innovation Center – MIC» als Liegenschaftenverwalterin gegründet. Für die Ilford Group, bzw. die Tecco, fanden wir in der Chugai Photo Chemical Co., Ltd in Japan einen Käufer, und mit dem Markenverkauf an Chugai und Kennedy ist nun das letzte Kapitel abgeschlossen.

Ilford_Produktion_Konfektionierung

Die Konfektionierung. Hier wird der Jumbo in kleinere Rollen abgespult oder zu Formatpapieren verarbeitet und verpackt. Bei lichtempfindlichem Material erfolgt dies in völliger Dunkelheit

Und jetzt sind Sie «Grossgrundbesitzer» …

Ja, ein nicht ganz sorgloser. Das Gelände, das damals die Ciba mit viel Ausbaureserve gekauft hatte, ist riesig. Die Gebäude sind in einem sehr guten Zustand und die Infrastruktur ist für mögliche Mieter ideal. 25 Firmen sind hier bereits wieder eingemietet, und einige von ihnen konnten auch schon wieder 35 der einst 120 Mitarbeiter von Ilford anstellen. Noch ist Platz für weitere Unternehmen, denn das ganze Gelände könnte bis zu 1’000 Arbeitsplätze bieten.

Ilford_Produktion_Hochregallager

Im Hochregallager werden Rohmaterialien, Halb- und Fertigprodukte bei konstanter Temperatur und Luftfeuchtigkeit gelagert. Nur der Computer weiss, wo sich was befindet

Ein enormer Brocken dürfte die Produktionsanlage, der sogenannte «Tunnel 4» sein, auf welcher sämtliches Cibachrom-, Ilfochrom und die Inkjet-Papiere produziert wurden. Was geschieht damit?

Nichts mehr. Sie wird verschrottet. Erstens gibt es weltweit eine Überkapazität an Beschichtungsanlagen, und zweitens ist der Standort in der Schweiz für eine solche Produktion ganz einfach zu teuer. Die Anlage wurde damals schon von der Ciba vom Feinsten konzipiert, und Oji Paper hatte nochmals gewaltig darin investiert, vor allem in eine neue Trockenanlage, um noch höhere Kapazitäten fahren zu können. Die Begiessanlage ist eine Sache, und die ganze dazugehörende Infrastruktur, mit der Emulsionsaufbereitung bis hin zur Konfektionierung und dem Hochregallager, eine zweite.

Ilford_Produktion_Kommandoraum

Das Herz der Produktionsanlage. In diesem Kommandoraum wurden alle Prozesse minutiös gesteuert und überwacht

Jetzt, wo die Namensrechte auch veräussert werden konnten, ist das «Ilford-Drama» wahrscheinlich abgeschlossen. Welches sind ihre Visionen?

Ich sehe den Namen «Ilford» immer noch als eine sehr starke Marke, und ich hoffe, dass die neuen Markeninhaber und ihre Lizenznehmer – zu denen auch Harman Technologies für die Schwarzweiss-Produkte gehört – den Namen mit der gleichen Philosophie weitertragen. Es ist ein Name, der immer für eine sehr hohe Qualität stand, und das soll auch so bleiben.

Interview und Fotos: Urs Tillmanns

Ilford-Markenrechte von Chugai und Kennedy übernommen

Chugai Photo Chemical Co. Ltd aus Tokio, Japan und C.R. Kennedy & Company Pty Ltd aus Melbourne, Australien, haben den Zuschlag für die Nutzung des Ilford-Markenzeichens und für den assoziierten Bestand erhalten. Der Erwerb gewährleistet die globale Fortführung führender Produktreihen, unter anderem Ilford Galerie Prestige und Ilford Omnijet mit existierenden ICC-Profilen. Zu Chugai gehört auch die Japanische Jetgraph und seit letztem Jahr die Tecco in Deutschland.

Als Beteiligungsgesellschaft (Joint Venture) der beiden Eigner wurde am 1. April 2014 die Ilford Imaging Europe GmbH gegründet, welche für sämtliche Aktivitäten bezüglich Produktentwicklung, Produktion, Logistik, Vertrieb und Marketing zuständig ist. Clement Kennedy und Arnoud Mekenkamp wurden in die Geschäftsleitung berufen.

Der Markenname Ilford und dazu gehörende Produktebezeichnungen wird ferner auf Grund eines früheren Vertrages weiterhin von der Harman Technology Limited  in Mobberly, England, für die Schwarzweissprodukte Ilfobrom, Ilfocopy, Ilfofix, Ilfolab, Ilfopan, Ilford XP, Ilfosol, Ilfospeed, Ilfospeed-Multigrade, Ilfotec und Jyford genutzt.

Ilford-Knowhow geht zu wifag//polytype. Der ehemalige COO von Ilford, Dr. Lars Sommerhäuser, wechselte per 1. Februar 2014 mit einem früheren Ilford-Entwicklungsteam bestehend aus zehn Chemikern, Laboranten und Prozessingenieuren zur wifag//polytype Group mit Sitz in Friboug. Damit verfügt diese Schweizer Firmengruppe über eine weitreichende Kompetenz für die Entwicklung von Inkjet-Tinten und funktionalen Schichten.

Über Chugai Photo Chemicals Co. Ltd Seit der Gründung im Jahre 1948, hat sich Chugai Photo Chemical als Hersteller von Fotochemikalien und artverwandte Imagingprodukte spezialisiert. Durch die Unterstützung des Wachstums der Imagingtechnologie, steuert Chugai Photo seinen Teil zur fortgeschritten Informationgesellschaft bei.

Über C.R. Kennedy & Company Pty Ltd C.R.Kennedy wurde im Jahre 1934 gegründet und ist einer der grössten fotografische Distributor in Australien und Neuseeland. Das Unternehmen ist neben Imaging in der Überwachung, im Medizinbereich, in Audio-Vision und in der Vermessungstechnik tätig.

 

 

 

3 Kommentare zu “Ilford-Ende und Ilford-Neuanfang – wie war es wirklich?”

  1. „einst 120 Mitarbeiter von Ilford“ ?
    Bis vor einem Jahr waren es noch fast doppelt soviele wie „einst“.

    In einer auf Wachstum und Effizienzsteigerung getrimmten Welt ist es schwer, sich in einem schrumpfenden Markt zurecht zu finden.

  2. Wenn man sich das Zitat,
    „Im Vordergrund stand die Auslastung dieser riesigen Produktionsanlage hier in Marly, und die Frage nach dem Profit wurde erst gestellt, als es eigentlich schon zu spät war.“
    mal durchliest, bekommt man die Gewissheit, das sicher das auch gravierende Management Fehler, sowohl vor als auch während der Zeit von Hr. Willems zum Zusammenbruch geführt haben könnten.
    Aber wirklich schade finde ich das die Anlage 4, die Beschichtungsanlage abgebaut werden muss um für neues Platz zu schaffen. Es wird sozusagen das Herz der ehemaligen Ilford herausgerissen und verschrottet.

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