Urs Tillmanns, 4. Juli 2014, 15:00 Uhr

Kunstmuseum Basel: Paul-Martials Welt der gewöhnlichen Dinge

Das Kunstmuseum Basel zeigt vom 5. Juli bis 19. Oktober 2014 die neu erworbene Fotografien der Pariser Werbeagentur Éditions Paul-Martial aus der Sammlung Herzog. Die 100 Bilder dokumentieren das spannende Bildschaffen der Epoche der Neuen Sachlichkeit mit Bildern, die in den 1920er Jahren von der renommierten Pariser Werbeagentur für Plakaten, Broschüre und Prospekte benutzt wurden.

 

Ab 5. Juli 2014 zeigt das Kunstmuseum Basel eine Auswahl von hundert Fotografien der Pariser Werbeagentur Éditions Paul-Martial. Die Schwarzweiss-Aufnahmen dienten als Rohmaterial für Plakate, Inserate und Werbebroschüren und zeigen gewöhnliche Dinge: Gebäude, Autos, Schreibmaschinen, Radiatoren, Schaufensterpuppen.

KMB_Trockenhaube Hollywood

Éditions Paul Martial, Paris, «Trockenhaube Hollywood», Juni 1937, Silbergelatine-Abzug, 23.8 x 17.9 cm, © Kunstmuseum Basel, Ankauf aus der Sammlung Herzog, Basel

Ungewöhnlich und neu hingegen waren Komposition, Beleuchtung und Belichtung der Bilder. Heute spiegeln sie die vielseitige Entwicklung der Fotografie ab den 1920er-Jahren. Gleichzeitig geben sie Aufschluss darüber, wie damals Waren inszeniert und mit welchen Werbestrategien die Konsumenten verführt wurden. Die Fotografien stammen aus einem neu von der Sammlung Herzog erworbenen Bestand und werden erstmals der Öffentlichkeit gezeigt.

KMB_Auto-Scheinwerfer Marchal

Éditions Paul Martial, Paris, «Autoscheinwerfer Marchal», um 1929/30, Silbergelatineabzug 23.7 x 17.8 cm, © Kunstmuseum Basel, Ankauf aus der Sammlung Herzog Basel

Büchsen ermöglichen die lange Konservierung von Lebensmitteln, Reissverschlüsse das sichere Verschliessen von Taschen, Gummisohlen rutschfestes Gehen und Wagenheber den einfacheren Radwechsel. Die Werbefotografien der Éditions Paul-Martial erzählen Geschichten über den Alltag und wie dieser, beispielsweise dank Heizungen, Boiler und Kochherd, angenehmer gestaltet werden konnte. Damit stellen sie eine unschätzbare historische Quelle für frühe Inszenierung von Waren und damalige Verführungsstrategien der Werbung dar.

KMB_Frau posiert neben Radiator, Werbeaufnahme für Gaz et Eaux

Éditions Paul Martial, Paris, «Frau posiert neben Radiator, Werbeaufnahme für „Gaz et Eaux“», April 1936. Silbergelatine-Abzug 23.9 x 17.9 cm, © Kunstmuseum Basel, Ankauf aus der Sammlung Herzog Basel

Neben Konsumgütern dokumentierten die Fotografen der Agentur aber auch die neuen Arbeitswelten in Fabriken und Büros, die zunehmende Mobilität und die modernen Kommunikationsmittel. Die Fotografien sind vorläufig noch weitgehend anonym. Für die Firma war die Autorschaft offenbar von sekundärer Bedeutung, zumal die Bilder mehrheitlich eine Art Zwischenprodukt darstellten, das anschliessend von Grafikern für die Gestaltung von Broschüren und Plakaten genutzt wurde.

KMB_Cocktail Gratte-Ciel Cointreau, Werbeentwurf

Éditions Paul Martial, Paris, «Cocktail „Gratte-Ciel“ Cointreau», Werbeentwurf, Juni 1931, Silbergelatine-Abzug, Fotomontage, 23.8 x 17.9 cm, © Kunstmuseum Basel, Schenkung Ruth und Peter Herzog Basel

Neue Sachlichkeit und Neues Sehen

Die historischen Fotografien spiegeln auch die vielseitige Entwicklung der Fotografie als eigenständige Kunst ab den 1920er-Jahren wieder. Aufnahmen von Gebäuden, Maschinen und einzelnen Produkten folgen der nüchternen Ästhetik der Neuen Sachlichkeit, die sich nach dem Ersten Weltkrieg etablierte. Fotografien von Transformatorstationen und Brücken verraten das Neue Sehen der Bauhaus-Fotografen oder der Russischen Avantgarde, welche vor allem durch die Betonung der Diagonalen die Fotografien dynamisierten. Dazu gehören auch Fotomontagen und Doppelbelichtungen.

KMB_Schreibmaschine Hermes 2000

Éditions Paul Martial, Paris, «Schreibmaschine „Hermes 2000″», November 1933, Silbergelatine-Abzug 23.8 x 17.9 cm, © Kunstmuseum Basel, Schenkung Ruth und Peter Herzog Basel

Isolierte Gegenstände und rätselhafte Sujets wie beispielsweise ein Tannzapfen bringen das Surreale, das Geheimnisvolle und manchmal auch das Absurde in die Welt der gewöhnlichen Dinge. Die Lust am Experimentieren bleibt spürbar: Die Aufnahmen entstanden oft in kleinen Serien, in denen verschiedene Lichteffekte und andere Blickwinkel ausprobiert wurden.
Die Auswahl von hundert Fotografien stammt aus einem grösseren Bestand, der 2012 aus der Sammlung Peter und Ruth Herzog in Basel zum Teil erworben und zum Teil geschenkt worden ist. Die Ausstellung ist in enger Zusammenarbeit der Kuratorin Anita Haldemann mit Fotografiesammler und -experte Peter Herzog entstanden.

 

Bilder: Copyright Pressematerial Kunstmuseum Basel / Fondation Herzog

 

Fondation Herzog und der Fonds Paul-Martial

Die Sammlung historischer Fotografien der Fondation Herzog ist von grosser internationaler Bedeutung. Sie entstand in den letzten vierzig Jahren dank der intensiven Sammlertätigkeit des Ehepaars Peter und Ruth Herzog. Um die rund 300’000 Fotografien öffentlich zu machen und um den für die Erschliessung des immensen Schatzes an Informationen nötigen öffentlichen Diskurs zu fördern, gründete das Ehepaar 2002 die Fondation Herzog. Die umfassende Mustersammlung und die Handbibliothek in Ruth und Peter Herzogs Laboratorium für Fotografie ermöglichen heute eine vertiefte Auseinandersetzung mit der Geschichte der internationalen Fotografie.

 

Vernissage: 4. Juli 2014, 18:30 Uhr, öffentlich

Ausstellungsheft: Ein kostenloses Ausstellungsheft in deutscher Sprache mit Beiträgen von Anne-Céline Callens, Anita Haldemann und Peter Herzog liegt in der Ausstellung auf.

Kolloquium im Kunstmuseum: Am 8. August 2014 findet im Kunstmuseum ein eintägiges wissenschaftliches Kolloquium zu den Fotografien der Éditions Paul-Martial statt. Das gesamte Veranstaltungsprogramm finden Sie unter www.kunstmuseumbasel.ch.

Die Ausstellung wird im
Kunstmuseum Basel
Kupferstichkabinett
St. Alban-Graben 16
CH-4010 Basel
Tel. 061 206 62 62
vom 5. Juli bis 19. Oktober 2014 gezeigt.

Weitere Informationen finden Sie unter www.kunstmuseumbasel.ch

 


Eine laufend aktuellisierte Übersicht der wichtigsten Fotoausstellungen und -Veranstaltung finden Sie unter www.fotoagenda.ch

 

 

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