Urs Tillmanns, 20. August 2014, 11:00 Uhr

175-Jahr-Feier: Ein fulminanter Jubliäumsabend

Zum Gedenken an 175 Jahre Fotografie fand gestern, am 19. August 2014, ein geselliger Abend in Bern statt, der gemeinsam von den sechs wichtigsten Fotoverbänden der Schweiz organisiert worden war. Knapp 100 Berufsfotografen, Industrievertreter und Interessierte waren der Einladung in den Kursaal nach Bern gefolgt und erlebten dort eine stimmungsvolle und spannende Feier.

 

Dass das Organisationskomittee von Fotohistory, einer Vereinigung zu Pflege und Aufarbeitung der Geschichte des Schweizer Fotohandels, gerade Bern als Veranstaltungsort ausgewählt hatte, war kein Zufall. Hier wurden vom Tierkundeprofessor Andreas Friedrich Gerber 1836 die ersten Fotografien der Schweiz gemacht, also drei Jahre bevor die grossartige Erfindung von Louis Jacques Mandé Daguerre in Paris verkündet und der ganzen Welt zum Geschenk gemacht wurde. Hier in Bern wurde übrigens auch die 1887 die erste Berufsvereinigung der Fotografen, der damalige «Schweizerische Fotografenverein» gegründet und schliesslich wollte man mit der Wahl der Bundeshauptstadt auch dem welschen Kollegen etwas entgegenkommen.

Der Abend startete mit einem gemütlichen Apéro, der pünktlich um 18 Uhr 39, als symbolische Zeit für das Erfindungsjahr, mit einem ersten Höhepunkt unterbrochen wurde. Hansjürg Grau, Präsident von Fotohistory, begrüsste die Gäste zum Gedenkabend der Fotoerfindung und betonte die Einzigartigkeit des heutigen Abends. Heiri Mächler, Initiant von Fotohistory und dieser Feier, wies danach in seiner Eröffnungsrede einerseits auf die epochemachende Erfindung von 175 Jahren hin und betonte anderseits, dass das was uns der französische Staat geschenkt hatte, den Fotofachhändlern heute durch den Wegfall des Passbildes wieder vom Bund genommen wurde. Feierlich enthüllte Mächler danach den Nachbau der Giroux-Kamera von 1839 und betonte den enormen technischen Fortschritt von damals bis heute, gezeigt am Beispiel einer Leica T.

Jubiläumsfeier Bern, Heiri Mächler

Heiri Mächler präsentiert um 18 Uhr 39 die Nachbildung der Giroux-Kamera und erwähnt dieses erstmalige Treffen aller Schweizer Fotoberufsverbände

Weiter betonte Mächler die Einmaligkeit des heutigen Abends: Erstmals in der Schweizer Fotogeschichte sei es gelungen eine Veranstaltung unter dem gemeinsamen Patronat der sechs Schweizer Fotoverbände zu organisieren, mit dem Ziel, dass diese in Zukunft für Branchenprobleme, wie die Copyright-Problematik, Tarifanpassungen, die Berufsanerkennung oder das entgangene Passbildgeschäft, gemeinsame Lösungen erarbeiten könnten. Es sei dies ein Neuanfang in der Verbandsszene der Schweizer Berufsfotografie, der im Laufe des Abends mit gewissen bilateralen Kontaktaufnahmen bereits erste Früchte trug.

175_Jahre_Fotografie_Gruppe

Eine bleibende Erinnerung: Die Gäste, welche dem Jubiläumsabend 175 Jahre Fotografie in Bern beiwohnten. Foto: Zumstein Bern / Mario Wüest

Der Abend gestaltete sich mit verschiedenen Kurzreferaten und Grussbotschaften sehr interessant und vielseitig, wobei die Redner auf die Bedeutung der 175 Jahre Fotografie aus dem Sichtwinkel ihrer beruflichen Tätigkeit beleuchteten:

Jean-Marc Yersin, Direktor und Konservator des Schweizerischen Kameramuseums, Vevey, beleuchtete in einem kurzen Streifzug die Anfänge der Fotografie mit den zaghaften Versuchen von Nicéphore Niépce und seiner Zusammenarbeit mit Louis Daguerre sowie den Anfängen der verschiedenen unabhängigen Erfindern der Fotografie, die zum Teil schon vor Daguerre erste Erfolge vorweisen konnten.

Nora Mathys, Projektleiterin des Ringier Bilderarchivs im Staatsarchiv Aargau, berichtete über ihre Beziehung zur Fotografie, die mit der Aufarbeitung eines Bildbestandes von rund sieben Millionen Bildern, welche die Zeitgeschichte von 70 Jahren fast lückenlos dokumentieren, einen besonders breiten Betrachtungshorizont aufzeige.

Jean-Luc Iseli, Direktionsmitglied der «Ringier Romandie» und Fotochef der Gruppe «Edipresse», Fotojournalist und früherer Co-Redaktor von «L’Illustré», gedachte in seiner Betrachtung der vielen Berufsgruppen, denen die Erfindung der Fotografie eine echte Veränderung brachte. An die Illustratoren und Graveure, welche durch die neue Technik arbeitslos wurden, an die Verlage, die nun illustrierte Magazine anbieten konnten, an die Pioniere, wie beispielsweise Walter Mittelholzer, der uns mit Gründung der Swissair Photo AG 1931 die Schweiz aus einer neuen Perspektive zeigte. Hommage schliesslich aber auch an die vielen Fotografen, welche sich tagtäglich für unsere bildmässige Information einsetzen und dabei oft ihr Leben riskieren.

Markus Schürpf, Leiter des Büros für Fotogeschichte in Bern, der auf die enormen noch in der Schweiz schlummernden Bestände fotografischer Nachlässe hinwies. Alleine das Archiv des Büros für Fotogeschichte in Bern verfüge über rund sieben Millionen Bilder mit einer biografischen Aufarbeitung von rund 14‘000 Fotografennamen,was eine geschätzte Bildermenge von 140 Millionen Bilder ergeben würde. Das sei ein Volumen, welches selbst auf dem Bundesplatz in Bern zu wenig Platz finden würde. Er wies auf die Bedeutung und den Kunstwert dieses Bestandes hin und forderte die Fotografen auf, ihre Bilder zur Erhaltung für die Nachwelt in sichere Archive zu übergeben.

Jubiläumsabend Bern

 

Andreana Scanderbeg, Präsidentin der Schweizer Berufsfotografen und Fotodesigner, ging in ihrem Referat auf die Bedeutung ihres Berufsverbandes ein, der sich einerseits eine bessere Ausbildung in der tertiären Berufsausbildung zum Fotodesigner zum Ziel gesetzt hat, anderseits aber auch für eine höhere Berufsanerkennung kämpfe, der viele nicht-professionelle Amateure als Konkurrenten gegen überstehen würden. Sie betonte zudem auch, dass sie mit dem heutigen Abend mit Freude einer besseren Kooperation unter den Verbänden entgegensehen würde.

Philippe Maeder, Präsident der Schweizer Photoreporter, wies auf die Besonderheit der Arbeit der Fotojournalisten hin, die in oft schwierigen Situationen ihre berufliche Pflicht ausüben würden, damit die Brennpunkte des Weltgeschehens dokumentiert und über Magazine und soziale Medien verbreitet werden können. Die Fotoreporter seien dabei auch oft ungenügend finanziell abgesichert, und die Schaffung eines Gesamtarbeitsvertrages sei eines der dringlichsten und wichtigsten Anliegen seines Verbandes.

Alex Mächler, Präsident des Verband Fotofachhandelsverband Imagingswiss, betonte in seiner Ansprache die schwierige Situation des Schweizer Fotofachhandels und erfreute sich anderseits über den erfreulichen Ausbildungsstand der Fotofachfrauen und Fotofachmänner in unserem Land in einem faszinierenden und vielseitigen Beruf. Er äusserte sich auch lobend über die geschichtserhaltende Arbeit von Fotohistory, denn «nur wer die Vergangenheit kenne habe eine Zukunft».

Régis Colombo, Präsident der USPP (Union Suisse des Photographes Professionnels), wies auf das neue technische Umfeld der Berufsfotografen und die Arbeiten früherer Fotografen hin. Mit dem Aufkommen neuer technischer Mittel wie dem iPhone, dem Internet und der Stockfotografie müsse der Berufsfotograf seine berufliche Position grundlegend überdenken und sich auf die Stärken seines Know-hows und seine künstlerischen Leistung konzentrieren.

Gian Vaitl, Präsident der Vereinigung fotografischer GestalterInnen (vfg), erzählte wie man mit den einfachen Mitteln einer Lochkamera beispielsweise junge Leute für die Fotografie begeistern könne und untermalte dies mit persönlichen Erinnerungen, als er vor Jahren mit einem Camera obscura-Lastwagen durch die Schweiz tourte. Die Fotografie habe nichts von ihrem Mythos eingebüsst, und schon mit dem senkrechten Blick in eine alte Rolleiflex wären die Jungen für das Medium der Fotografie leicht zu begeistern.

Jubiläumsfeier Bern

Mit Spannung verfolgten die runder Hundert Gäste die AV-Präsentation zur Pubilumsumfrage «Was bedeutet für Sie 175 Jahre Fotografie» von Lukas Pfammatter

Ein weiterer Höhepunkt war die audiovisuelle Präsentation von rund drei Dutzend Stimmen zur Publikumsbefragung «was bedeutet für Sie 175 Jahre Fotografie?». Lukas Pfammatter hatte die verschiedenartigsten Interviews zu einer originellen und spannenden Präsentation zusammengeschnitten, bei der bekannte Fotografen ebenso ihrer Meinung Ausdruck gaben, wie Leute von der Strasse mit wenig Bezug zur Fotografie. Mit der professionellen Realisierung und der angenehmen akustischen Untermalung boten diese Videoblöcke einen sehr hohen Unterhaltungswert. Davon gibt es übrigens auch eine DVD, die bei Fotohistory.ch per E-Mail bestellt werden kann.

Eine weitere bleibende Erinnerung an den Jubiläumsabend ist die kleine Nachbildung einer Niépce-Kamera, die zwar nicht zum Fotografieren gedacht ist, sondern als originelles Exponat oder eine vielfältig nutzbare Aufbewahrungsbox. Sie wurde am Abend mit einer besonderen Beschilderung verkauft, mit der dieser originelle Gedenkanlass zur 175jährigen Geschichte der Fotografie in Erinnerung bleiben soll.

Eine besondere Dankesadresse gebührt auch dem Kursaal Bern, der den Anlass kulinarisch auf hohem Niveau begleitete, sowie der Moderatorin Mani Sokoll, welche es verstand mit viel Charm und Professionalismus durch den Abend zu führen. Der Anlass wird uns allen noch lange in bester Erinnerung bleiben, zumal der nächste 19. August als «Erfindungstag» der Fotografie wahrscheinlich erst in 25 Jahren wieder gefeiert werden dürfte …

Urs Tillmanns

 Fotohistory.ch dankt allen Sponsoren für ihre grosszügige Unterstützung:

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