Die 18. Ausgabe der Bieler Fototage öffnet morgen ihre Türen und wird bis Sonntag, 14. September dauern. 45 Fotografinnen und Fotografen – vom aufstrebenden Talent bis zum renommierten Künstler –, die aus 9 Ländern stammen, zeigen ihre Arbeiten im Rahmen von 20 Ausstellungen, 12 davon sind Schweizer Premieren. Ein origineller Audioguide und die Lancierung der «Editionen», mit denen junge Schweizer Künstler gefördert werden sollen, gehören zu den Novitäten der diesjährigen Ausgabe.
Thema Hybridisierung in der zeitgenössischen Fotografie
Die Fototage widmen sich diesmal dem Thema Hybridisierung in der zeitgenössischen Fotografie, u.a. mit den Arbeiten von Marie José Burki, Oscar Muñoz, Camille Scherrer oder Gregory Collavini. Im Spannungsfeld zwischen der Erfassung der Wirklichkeit und digitaler Technologie eignet sich das Medium Fotografie dank seiner Flexibilität bestens für Vermischungen. Diese Fähigkeit macht aus ihr ein ideales Instrument, mit dem die Herausforderungen einer globalisierten Welt dargestellt werden können. Fotografie, Video und Literatur treten so in den über die ganze Stadt Biel verteilten Ausstellungen in Dialog.
Carlos Spottorno, «Kashgar – Xinjiang – China», 2007, © Carlos Spottorno / Getty Images
Die Vernissage
Die Vernissage zu dieser 18. Ausgabe findet morgen Freitag, 22. August 2014 im PhotoforumPasquArt statt, im Beisein von Gemeinderat Cédric Némitz, Vorsteher der Direktion für Bildung, Kultur und Sport, sowie zahlreichen Fotografinnen und Fotografen: Marie José Burki, Eduardo Cebollero, Gregory Collavini, Livia Di Giovanna, Saskia Groneberg, JocJonJosch, Gabriela Löffel, Romain Mader, Sara-Lena Maierhofer, Eva-Maria Raab, Camille Scherrer, Michal Florence Schorro Prune & Simon-Vermot, Carlos Spottorno, Swann Thommen und Fabian Unternährer. Die österreichische Künstlerin Eva-Maria Raab wird – als Fortsetzung ihrer Arbeit Younic / faceBook Porträs von Besuchern nach dem Facebook-Standard hybridisieren: faceBook goes Bieler Fototage wurde eigens für den Anlass konzipiert.
Die Fotoausstellungen
Die Schweizer Premieren sind mit einem * gekennzeichnet
Die Arbeiten der dieses Jahr ausgestellten Fotografen zeigen den Zusammenstoss verschiedenartiger Elemente, rufen die Vermischung der Kulturen in Erinnerung, zeugen von der Fragmentierung des Individuums, aber auch von einer kollaborativen Wirtschaft. Das Bild wird lebendig, um die Widersprüche herauszuarbeiten, die sich in der Wirklichkeit auftun, um Literatur und Bild in eins zu bringen, oder um mit dem Zuschauer zu interagieren.
Die Serie «China Western» von Carlos Spottorno* steht sinnbildlich für eine durchmischte Welt, in der sich die verschiedenen Kulturen, Gesellschaften, und Religionen im Alltag überlagern. Die Bilder blicken hinter die Fassade von Xinjiang, der westlichsten Provinz Chinas, die an acht Länder grenzt und über reiche Erdöl- und Gasvorkommen verfügt.
Bouillon Group, « Religious Aerobics », Performance, La Biennale di Venezia, 2013, photo : © Bobo Mkhitar
Das Video «Religious Aerobics» der Bouillon Group* strahlt einen anregenden Synkretismus aus. Die gezeigte Gymnastik hat ihre Wurzeln in den rituellen Gesten der islamischen, christlichen und jüdischen Religionen.
«Büropflanze» von Saskia Groneberg* illustriert ein weiteres, unerwartetes Zusammentreffen, nämlich jenes von Natur und Büro.
Eduardo Cebollero, «Kamagasaki», 2013
Auch die Arbeitslosen von Eduardo Cebollero stehen nicht im Einklang mit ihrer Umgebung. Die Serie «Kamagasaki» zeigt ein Arbeitsvermittlungsbüro und dessen Umgebung in der japanischen Stadt Kamagasaki, öffentliche Plätze, die von Arbeitslosen bevölkert werden, die als Eindringlinge angesehen werden. Indem sie dort die Zeit totschlagen oder weil der Geldmangel sie dorthin treibt, verändern die Arbeitslosen nämlich diese Plätze radikal und gehen dort privaten Aktivitäten nach.
Gregory Collavini, «Silent Outlooks», dès 2012
Auf den Bildern der Serie «Silent Outlooks» von Gregory Collavini* hingegen werden die menschlichen Aktivitäten deutlich isoliert: Die Lärmschutzwände bilden eine durch und durch kontrollierte Landschaft.
Bei «Coming Soon» von Natan Dvir* ist es schwierig, klar abzugrenzen, wo die städtische Wirklichkeit beginnt und wo die Werbefläche aufhört. Die völlig durchkomponierten Bilder zeigen subtil auf, wie die eine in die andere einbricht.
In seiner Serie «Ich mit Girls» führt Romain Mader* seine Auseinandersetzung mit dem anderen Geschlecht fort, diesmal am Genfer Autosalon. Seine Selfies, auf denen er sich wie ein Eindringling ins Bild zu schmuggeln scheint, dienen als Beleg für seine mehr als flüchtigen Beziehungen, die Aufnahmen bedienen sich der gängigen Ästhetik von Ferienfotos. Die virtuelle Welt macht auch vor der vereinheitlichten Darstellung des Individuums nicht Halt.
Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, individualisiert das Projekt «Younic – FaceBook» von Eva-Maria Raab* das symbolisierte Profilbild, das von Facebook eingeblendet wird, wenn kein persönliches Foto hochgeladen wurde. Über Facebook wurden 100 Personen eingeladen, an dieser Hybridisierung des bekannten Symbols teilzunehmen und ihr Porträt einzuschicken.
Mit «In the Woods» lädt Camille Scherrer den Betrachter dazu ein, eine Interaktions-Erfahrung zu machen, bei der sie ihn zu einem integrierten Bestandteil eines virtuellen grafischen Pflanzen- und Tieruniversums macht.
JocJonJosch, «Beast Mutation», 2010
Die gemeinsame Kreation ist das eigentliche Thema, das in den Werken des Trios JocJonJosch behandelt wird. Das Video «Beast Mutation» liefert einen Einblick in den Prozess des partizipativen Nachdenkens: aus Einzelpersonen, die gemeinsam ein instabiles Gleichgewicht aufrecht erhalten, wird ein hybrides Wesen geformt.
Vielleicht ist die Tatsache, dass «Dear Clark,» ein Leben mit gefälschten Identitäten führte, darauf zurückzuführen, dass er sich wünschte, gleichzeitig mehrere Personen in einer zu sein: Sara-Lena Maierhofer* versucht, anhand von Fotos und Dokumenten seine mehrfachen Leben zu rekonstruieren. Jedes einzelne Element ergänzt die anderen; die Information bleibt aber trotz allem lückenhaft.
Die Identität spielt ebenfalls eine Rolle in der Serie «Eukalyptus & Vegas» von Michal Florence Schorro & Prune Simon-Vermot*. Ausgehend von seiner persönlichen Erfahrung zeichnet das Fotografen-Duo eine immaterielle Geographie nach, in der sich Identität und Kultur hybridisieren.
Das durchaus reale Sujet der Serie «Offscreen» von Gabriela Löffel scheint zunächst dem fiktionalen Genre zuzuordnen zu sein. Die Videoinstallation berichtet von einer Reise, die ein westlicher Tourist, der die starken Empfindungen vermisst, im kriegsgeschüttelten Iran und Afghanistan unternommen hat. Der Einsatz einer Off-Stimme und die in einem Studio gedrehten Bilder verstärken den Verfremdungseffekt zusätzlich.
Im Video «34°8’8.59″N | 118°20’48.61″O» nimmt uns Swann Thommen dank Google Earth mit auf eine Entdeckungsreise aus der Luft, über tatsächlich existierenden Orten, die allerdings eine fiktive Szene darstellen: nämlich die Filmstudios von Universal, genauer den Drehort des Films «War of the Worlds» von Steven Spielberg.
Marie José Burki, video still « Grosse kleine Welt », 2013
Das Video «Grosse kleine Welt» von Marie José Burki richtet den Blick auf die Stadt Biel, um ein Porträt von Robert Walser zu realisieren. Von einer Stimme aus dem Off vorgelesene Texte des Schriftstellers begleiten die aktuellen Bildern der Stadt, um Vergangenheit und Gegenwart in Einklang zu bringen, das Grosse und das Kleine, das Nahe und das Ferne.
Die Serie «Vertigo» von Fabian Unternährer* funktioniert assoziativ. Die Bilder mit den verschiedenen Stimmungen, bei denen sich das Aussergewöhnliche mitten im Alltäglichen verbirgt, erzählen je nach Art, wie sie aufgehängt sind und je nach Lesart verschiedene Geschichten.
Livia Di Giovanna, video still «Doppelt und dreifach umrundet», 2013
Die Diptychen der Video «Doppelt und dreifach umrundet» von Livia Di Giovanna funktionieren ebenfalls assoziativ. Die dreidimensionale Wirklichkeit der aus der Froschperspektive gefilmten Industriearchitektur wird in den neu zusammengesetzten Bildern umgestaltet, daraus ergeben sich neue geometrische Formen.
Stephen Gill* arbeitet experimentell. In «Talking to Ants» platziert er Gegenstände im Fotoapparat und spielt mit dem Massstabeffekt. Während Stephen Gill vor der Aufnahme aktiv ist, interveniert Oscar Muñoz* nach derselben. Indem er in der Video «Cíclope» Bilder in bewegtes Wasser eintaucht, bewirkt er, dass das Bild zwar vom Fotopapier verschwindet, materiell aber in flüssiger Form immer noch vorhanden ist.
Meeting Days: Portfolio Reviews & Artist’s Talk
Neben den Portfolio Reviews unter Mitwirkung von renommierten internationalen Experten werden die Bieler Fototage anlässlich der Meeting Days auch den Artist’s Talk mit der deutschen Fotografin Sara-Lena Maierhofer durchführen, die über ihre Arbeit «Dear Clark,» sprechen wird, in der das Leben und die Lügen des Hochstaplers Christian Karl Gerhartsreiter gezeigt werden, der sich darin gefiel, verschiedene Identitäten anzunehmen.
Portfolio Reviews: Freitag, 22. August 2014, 14 bis 16.40 Uhr und Samstag, 23. August – 14 bis 16 Uhr; Schule für Gestaltung Bern und Biel
Artist’s Talk (d/e): Sonntag, 24. August – 14 bis 15 Uhr; Art-Etage
Natan Dvir, «Juicy Couture 01, Coming Soon», 2008-2014
Aktivitäten & Anlässe 2014
Die traditionellen Anlässe der Fototage stehen auch dieses Jahr auf dem Programm, etwa die Foto Safari, die allen offen steht und es künftigen Fotografinnen und Fotografen erlaubt, ihr Talent unter Beweis zu stellen und, wer weiss, den begehrten Foto Safari-Preis zu gewinnen. Der Tag der FotografInnen bietet dem Publikum die Gelegenheit, die Künstler der 18. Ausgabe zu treffen und sich mit ihnen über den Schaffensprozess zu unterhalten.
Foto-Safari: Sonntag, 31. August – 13 Uhr; Foyer 3
Tag der FotografInnen: Sonntag, 7. September –13 bis 17 Uhr; in den Ausstellungsräumen
Stephen Gill , «Talking to Ants», 2009-2013
Das Bild und Robert Walser
Die aus Biel stammende Marie José Burki war schon in den Anfängen ihres 30-jährigen Schaffens eine renommierte Künstlerin. Mit Grosse kleine Welt, einem Film über Robert Walser, kehrt sie nun zurück nach Biel. Der Film wird am 14. September gezeigt, mit einer vorgängigen Einführung zum Bieler Schriftsteller von Pietro Scandola, dem Direktor des Neuen Museums Biel. Ergänzend werden ebenfalls die Filme Ich stehe immer noch vor der Tür des Lebens (Peter Hamm, 1986), Der Vormund und sein Dichter (Percy Adlon, 1978) und Der Gehülfe (Thomas Koerfer, 1976) gezeigt, letzterer wird von Reto Sorg, dem Direktor des Robert Walser-Zentrums (Bern), eingeführt.
Einführung & Filmvorführung «Grosse kleine Welt» (d/f): Sonntag, 14. September 2014, 14.30 – 15.30 Uhr, Neues Museum Biel
Vorführung von Filmen rund um Robert Walser: Sonntag, 14. September – ab 10.30 Uhr; Filmpodium
Romain Mader, «Moi avec des filles», 2009, © Romain Mader / ECAL
Atelier Kulturvermittlung
Die Kulturvermittlung zeigt im Foyer 3 die Ausstellung «Otto & seine Brüder». Die Ausstellung entstand im Rahmen eines Workshops mit dem Fotografen Romain Mader, an dem die Absolventinnen und Absolventen des Motivationssemesters «move der gad«-Stiftung teilnahmen. Die Ausstellung ist rund um die (fiktive!) Person Otto Siegenthaler angelegt, dem Bieler Erfinder des Lochs im Rücken des Schweizer Bundesordners, dessen Leben von den jungen Teilnehmenden mittels Fotos dargestellt wird.
Editionen Bieler Fototage
Die Bieler Fototage lancieren 2014 die «Editionen der Bieler Fototage», mit denen die aufstrebende Schweizer Fotografie gefördert und einem breiteren Publikum bekannt gemacht werden soll. Dieses Jahr sind es Michal Florence Schorro und Prune Simon-Vermot, die es Fotografiebegeisterten ermöglichen, zu Sammlern der Fotografie von morgen zu werden.
Preise und detaillierte Angaben zu den Abzügen finden Sie unter www.bielerfototage.ch
Der Ton lenkt den Blick: Ein origineller Audioguide
Ein in Zusammenarbeit mit dem Schweizer Literaturinstitut entwickelter, komplett neuer Audioguide enthält Texte von Studierenden, die von den ausgestellten Bildern inspiriert wurden; dazu Kommentare zu den Künstlern und deren Arbeiten – eine einmalige Gelegenheit, tief in die ausgestellten Werke der Ausgabe 2014 einzutauchen.
Weitere Informationen zu den Bieler Fototagen finden Sie unter www.bielerfototage.ch
Hier finden Sie das Programm als PDF (4 MB):
Praktische InformationenDauer: 22. August bis 14. September 2014 Öffnungszeiten: Mittwoch bis Freitag: 14:00 bis 18:00 Uhr / Samstag und Sonntag: 11:00 bis 18;00 Uhr |
Bildquellen: Pressematerial Bieler Fototage 2014
Eine Übersicht der aktuellen und geplanten Ausstellungen und Fotoevents finden Sie regelmässig akltualisiert unter www.fotoagenda.ch