Mögen Sie Bilder alter zerfallener Gebäude? Möchten Sie selbst solche fotografieren? Von aussen, aber auch inwendig? Dann müssen Sie dieses Buch lesen. Es gibt nichts Vergleichbares, und es enthält viele nützliche Informationen, die Sie vor falschem Verhalten bewahren. Ganz abgesehen von den Bildern, die zwar etwas speziell, aber qualitativ hervorragend sind.
Ehrlich gesagt bin ich nicht unbedingt ein Freund von Bildern morbider Gebäude. Das mag wohl daran liegen, dass ich früher als Industrie- und Architekturfotograf modernste Gebäude so schön und vorteilhaft wie möglich zu zeigen hatte und ich mich von schönen und perfekten Motiven mehr angezogen fühle als von kaputten und ruinierten. So riss mich auch der erste Eindruck des Buches «Shooting Lost Places» von Charlie Dombrow nicht unbedingt vom Hocker …
Der zweite Eindruck revidierte dann schon bald den ersten. Die Bilder beginnen zu faszinieren. Nicht die halb zerfallenen Gebäude und morschen Fussböden, sondern die Art und Weise, wie diese fotografiert, mit Effekten versehen und präsentiert werden. Es ist eine spezielle Art von Fotografie, in die man sich hineindenken muss und die durchaus ihren kreativen Reiz hat.
Die Seite 33 war für mich der Stopper! «Lex Urban». Schon gehört? «Jeder Urban Explorer, der sein Hobby ernst nimmt, befolgt einige Regeln, die sich die internationale Urbexperte-Gemeinde selbst auferlegt hat, um sich von Vandalen und ähnlichen zwielichtigen Gestalten abzugrenzen.» Es gibt also einen «Urbex Codex» – dieser folgt auf Seite 34 – der ganz klar gewisse Verhaltensregeln festlegt, damit diese dem Zerfall geweihten Objekte nicht mutwillig beschädigt oder weiter in Mitleidenschaft gezogen werden und damit man sich beim Betreten solcher nicht gefährdet. Das Buch hat damit für mich einen ganz klaren Informationsauftrag. Dieser geht sogar noch weiter über ein Schweigegelübde, dass man die geografische Lage der Objekte nicht bekannt gibt und wie man sich in den Gebäude verhalten soll, auch dann, wenn man irgend welchen Vandalen darin begegnet.
Jetzt waren nicht mehr nur die Bilder spannend, sondern auch der Text. Sich in diesen zerfallenen Objekten zu bewegen, erfordert – auch abgesehen von rechtlichen Aspekten – ganz speziellen Verhaltensweisen, und diese kommen in diesem Buch als für mich wesentlichste Aussage deutlich zum Ausdruck. Dann wird auf die technischen Aspekte eingegangen, auf die praxiskonforme Ausrüstung zum Beispiel, auf den Einsatz von zusätzlichem Licht, LED-Taschenlampen, um gewisse Details lichtgemalt zu betonen, sowie auf die Arten der Gebäude – seien es Industrieanlagen, alte Schlösser, Herrschaftssitze, der Eigentümer längst in eine andere Welt abgetaucht sind oder mystische Orte, an denen es auch spuken soll, weil die Herrschaften eben doch noch nicht ganz abgetaucht sind …
Dass sich die verfallenen Szenerien auch oft als Hintergründe für die Sach- oder Personenfotografie – Aktaufnahmen vorzugsweise – eignen, ist auch Teil des Buches, und dass man diese armen Geschöpfe nicht unbedingt in die Schutthalden bitten muss, sondern dass man sie im digitalen Zeitalter auch auf andere Weise dorthin bringen kann.
Charlie Dombrow lässt im Kapitel 11 noch einige arrivierte «Urbex-Fotografen» (empfiehlt sich neu in Ihren Wortschatz aufzunehmen!) im Interviewstil zu Worte und vor allem zu Bild kommen, was sehr lesenswert und äusserst informativ ist, wenn Sie sich demnächst in die Lost Places ihrer Umgebung begeben wollen. Aber lesen Sie zuvor die vielen nützlichen Ratschläge in diesem Buch, denn erstens ist ein solches Unterfangen nicht ungefährlich und zweitens meistenorts verboten.
Was ich jetzt von dem Buch halte? Nun, ich werde mich wohl kaum demnächst in irgendwelche Spukschlösser begeben, um die dortigen Geister fotografieren zu wollen. Aber ich halte es für jemanden, der Spass und Freude an solchen Objekten hat, für ein ausserordentlich wichtiges Buch. Es sind (trotz allem) faszinierende Bilder, und es ist voll von Informationen über «Lost Places», die man sonst wahrscheinlich nirgends findet.
Urs Tillmanns
Buchbeschreibung des Verlages
Mitten in Deutschland: verborgene Welten, verlassene Gemäuer, vergessene Ruinen, verwunschene Orte. Magische Möglichkeiten für abenteuerlustige Fotografen. Morbide Locations für ausgefallene Fotos. Geheimnisvolle Kultorte. Faszination des Verbotenen. Die Schönheit des Verfalls. Zeit für Entdeckungen.
Wie man Lost Places und mystische Motive findet, ihre morbiden Reize mit der Kamera konserviert und aus den Rohdaten per Computer perfekte Bilder entwickelt, erfahren angehende und geübte Urban Explorer in diesem Buch, das zudem Tipps gibt, wie man in diese aufregenden Paralleluniversen legal hinein und auch heil wieder heraus kommt.
Vergessene Motive entdecken und spannend festhalten. Dieses Buch ist eine fotografische Exkursion in spannende Parallelwelten, zu finden überall und nirgendwo, prominent oder ignoriert, ein Ausflug zu Orten zwischen berühmt und geheim, zwischen Touristenmagnet und abstoßendem Schandfleck. An diesen Locations kommt es auf den Blickwinkel an, technisch, mental und emotional. Und auf Ihr Know-how, damit Ihnen nicht auch noch das Ergebnis Ihres Fotoshootings die Haare zu Berge stehen lässt.
Der Inhalt
Vorwort
Inhalt
1. Kapitel: Abenteuerspielplätze für Fotografen
Das Abenteuer lockt / Morbides, Marodes oder Mystisches / Faszination und Ästhetik des Verfalls / Irrationale Architekturfotografie / Stimmungsmache am Computer
2. Kapitel: Urbexer, Geisterjäger und Vandalen
Urban Explorers / Schatzsucher / Spritzende Farbe, fliegende Bälle / Gothic-Jünger /Magische Kraftorte / Klassifizierte Spukorte / Fluch der Zaunkönige / Schwacher Geist und rohe Kraft
3. Kapitel: Lex Urbex
Der Urbex Codex / Worauf man sich einlässt / No risk, no fun?
4. Kapitel: Explorers Instrumentarium
Richtige Ausrüstung / Dresscode für Urbexer / Nützliche App-arate / Planung und Anregung
5. Kapitel: Urbex Bootcamp
Location-Recherche / In der Nachbarschaft / Fundsachen
6. Kapitel: Orte der Erinnerung
Neue Sichtweisen / Fotografieren nach Zahlen / Die Macht in Scherben / Gottes verlorene Häuser / Historische Monumente / Kathedralen der Produktion / Museen der Technik / Am Ende aller Wege
7. Kapitel: Mystische Stätten
Kult- und Kraftorte / Im Reich der stillen Riesen / Geisterhäuser
8. Kapitel: Vergessene Orte
Bröselnde Industrieruinen / Wege ins Nirgendwo / Stätten des Heils / Kalte Betten / Tote Tempel / Palazzo Perdu / Verfallende Villen / Horte des Krieges / Landflucht / Betonleichen / Unterirdisch
9. Kapitel: Coolissen
Lost Locations / Wo bin ich hier? / Akt im Museum
10. Kapitel: Urbexpeditionen
Das Hotel im Wald / Die Waldstadt und die Heilanstalten / Sanatorium / Schwarze Pfingsten
11. Kapitel: Die Urbex-Interviews
David Pinzer / Markus Horn / Marc Mielzarjewicz
12. Kapitel: Das kleine Einmaleins
Interpretationen / Entwicklungsbäder digital / Verzeichnungen / Fleckenteufel / Einstürzende Neubauten / Imposanz / Himmelslöcher
13. Kapitel: HDR-Sandwiches
Augenblicke / Zeitsprünge / High and Low / HDR-Programme / Kurzer Prozess / Oneshot-HDR
14. Kapitel: Pixelpolitur
Stilfragen / Pimp up your pics! / Colorado / Farbenleere / Abgewetzt und verstrahlt / Fotochirurgie / Das digitale Skalpell / Wolkenschieber / Steingrab auf dem Hügel
15. Kapitel: Jäger der verlorenen Schätze
Jagdgründe / Danksagung / Urbexhibitions
Index
Bildnachweis
Der Autor
Charlie Dombrow, Jahrgang 1956, fotografiert bevorzugt Akt, Architektur, Bäume, Landschaften, Mittelalter und Ruinen aller Art. Als hauptberuflicher Locationscout und Fotoproducer sucht er Hintergründe für Werbeaufnahmen in ganz Europa. Seit 1996 fotografiert er Backplates für Bildmontagen und erstellt realistische Composings mit Menschen und Autos. Auf Shootings und Reisen begleitet ihn stets Locationspürhund Lara.
Charlie Dombrow
«Shooting Lost Places – Fotografie an verlassenen und mystischen Orten»
256 Seiten, durchgehend vierfarbig illustriert
Gebunden, kartonierter Umschlag
Verlag: Franzis, Haar (München)
ISBN 978-3-645-60337-9
Preis: CHF 46.90, EUR 29,95
Das Buch kann hier online bestellt werden.
oh,, Buchbestelllink geht nicht …
Vielen Dank. Sehr interessant. Link geht