Urs Tillmanns, 5. Juli 2015, 07:00 Uhr

Hat der Fotografenberuf zu wenig Lehrstellen?

Zukunftskamera mit AaBbCc_350Seit drei Jahren wird der Fotografenberuf wieder als Berufslehre mit eidgenössischen Fähigkeitszeugnis angeboten. Doch es sind nur wenige Kandidaten, die sich an den Berufsschulen ausbilden lassen. Liegen die Probleme bei den Ausbildungsplätzen, bei den Schulen oder ist der wiedergeborene Lernberuf noch zu wenig bekannt?

 

Den Fotografenberuf hatte es schon immer gegeben – bis auf Initiative der Berufsfotografenverbände geplant war, die Berufslehre zu streichen und durch das tertiäre Fachstudium des Fotodesigners zu ersetzten. Das passte jedoch nicht allen in den Kragen, vor allem den westschweizer Fotografen nicht, die zusammen mit der Berufsschule in Vevey ein neues, der Zeit angepasstes Ausbildungsreglement ausarbeiteten und den Fotografenberuf neu beim entsprechenden Bundesamt anmeldeten. Seither gibt es die Fotografenlehre offiziell wieder – doch es harzt: Die Auszubildenden lassen sich an der Berufsschule für Gestaltung Zürich an einer Hand abzählen. Woran liegt es? Wir haben dazu die Schulleitung, einen Dozenten, einen ausbildenden Fotografen und eine junge Fotografin befragt, die ihre Ausbildungszeit gerade mit Bravour beendet hat.

 

Marianne Glutz, Rektorin der Berufsschule für Gestaltung Zürich

Foto: Urs Tillmanns / Fotointern.ch

Vor sieben Jahren kam ich von Basel in die Schulleitung der Berufsschule für Gestaltung Zürich, seit vier Jahren leite ich die Schule in der Funktion der Rektorin. Ausgebildet als dipl. Fachfrau für textiles, dreidimensionales und grafisches Gestalten mit Diplom der päd. Hochschule war ich während 14 Jahren im Kunsthandel sowie in der Modebranche tätig, sieben Jahre in der Schulleitung der Fachmaturitätsschule Basel und unterrichte neben der Leitung einer Bildungsinstitution immer wieder auch gerne selber gestalterische Fächer.

Vielleicht stellen Sie die Berufsschule Zürich kurz vor. Welche Berufe bildet sie aus, und welchen Stellenwert haben dabei die Fotografenberufe (Fotofachmann, Fotodesigner und Fotograf)?

Das duale System der Berufsschule für Gestaltung Zürich, Medien Form Farbe, ermöglicht in der Grund- wie in der Weiterbildung die Vertiefung und Erweiterung von Wissen unvergleichbar effektiv, das Theorie mit der Praxis vernetzt. Auftrag der Bildung ist, die Gegenwart mit der Zukunft zu verbinden.

Die Berufsschule für Gestaltung Zürich bildet in der Grundbildung 18 Berufe mit 29 Fachrichtungen aus und führt jährlich drei Klassen im gestalterischen Vorkurs zur Vorbereitung auf gestalterische Berufslehren. Als Kompetenzzentrum für Gestaltung, Medienproduktion, Malerei und Lackiertechnik fördern wir die bildhafte Vermittlung von Informationen, die gestalterische Umsetzung von Kommunikation und die Mitgestaltung unserer Umwelt. Professionalität für die berufliche Praxis und Ermutigung zur Selbstverwirklichung sind uns im Besondern als Schule für Gestaltung wichtig. In berufsbegleitenden Lehrgängen/Fachklassen bereiten sich Berufsfachleute auf einen Abschluss in der höheren Berufsbildung vor. Zudem bietet die Schule ein breitgefächertes Kursangebot an, im Besondern auch für Fotografie.

Für die Fotoberufe verfügen wir über eine sehr gute Infrastruktur, die den Lernenden Fotografie, den Lernenden Fotofach (in den Fachrichtungen Beratung und Verkauf, Finishing sowie Fotografie), den Fotodesignerinnen und -designen zur Vorbereitung auf die höhere Fachprüfung, aber auch für die Fotografiekurse zur Verfügung steht. Dies zeigt materiell, wie wichtig uns diese Berufe in der Grund- und Weiterbildung sind.

Unsere Lehrpersonen sind engagierte und ausgewiesene Fachleute, die ihre konzeptionellen, gestalterischen, technologischen und pädagogischen Kompetenzen gerne und mit Überzeugung vermitteln.

Dafür setzen wir uns ein und dazu tragen wir Sorge.

Besteht bezüglich der Thematik des Fotografenberufes ein Erfahrungsaustausch mit anderen Berufsschulen? Wie sind die Erfahrungen in Vevey?

Ein Ideenaustausch betreffend gemeinsamer Durchführung der ÜK fand statt, ist aber leider noch nicht weiter gereift. Neben dem fachlich wertvollen Austausch bieten sich auch ein in jedem Falle bereichernder kultureller Austausch und nicht zuletzt auch die Förderung der Sprachkompetenz an.

Gibt es für den Fotografenberuf zu wenig Ausbildungsplätze oder ist noch zu wenige bekannt, dass es für angehende Fotografen wieder einen Lehrberuf gibt?

Aus meiner Sicht trifft bedauerlicherweise beides zu.

Welche Massnahmen trifft die Berufsschule für die Gestaltung, um gewisse schwächere Berufe, z.B. derjenige des Fotografen, zu fördern? Werden gewisse Werbemassnahmen getroffen oder die Berufsberater entsprechend gebrieft?

Mit Ausstellungen in der «Photobastei» im «schau!fenster», dem ehemaligen Ausstellungsraum der Plakatsammlung, der Beteiligung an Messen und Informationsanlässen sowie öffentlichen Diskussionen machen wir auf die Möglichkeit und Chance der Lehre in Fotografenberufen aufmerksam.

Mit der Leiterin für gestalterische Berufe des BIZ (Berufsbildungszentrum des Kantons Zürich) sind wir regelmässig in Kontakt. Sie wird immer über unsere Veranstaltungen informiert und delegiert regelmässig auch Laufbahnberater/innen an Veranstaltungen der Schule.

Die Berufsschule für Gestaltung hat einerseits Kontakte mit den Ausbildungsbetrieben, anderseits mit jungen Leuten. Könnte die Berufsschule eine Lehrstellenvermittlung in ihr Dienstleistungsangebot aufnehmen?

Die Berufsschule ist im dualen System nicht Arbeitgeberin bzw. nicht Lehrvertragspartnerin sondern bildet im Auftrag des Kantons den Berufsschulunterricht aus. Wer ausbilden darf, entscheidet das kantonale Berufsbildungsamt. Ausbildner, welche eine Lehrstelle anbieten, können sich gerne an uns wenden. Lehrstellenanbieter für gestalterische Berufe wecken aber auch auf der Lehrstellenplattform «LENA» sehr grosses Interesse. Wir pflegen das Netzwerks zu professionellen Fotografinnen und Fotografen sehr gerne und finden sowie machen wir gerne Hinweise auf Fotografie-Lehrstellen.

 

Christian M. Westermann, Dozent für Fotografie an der Berufsschule für Gestaltung Zürich

Foto: Urs Tillmanns / Fotointern.ch

Nach einer dreijährigen Berufslehre als Zimmermann machte ich mein Hobby zum Beruf gemacht und bildete ich mich als Fotograf EFZ aus. Seit den 80er Jahren betreibe ich ein eigenes Fotostudio (Werbung), welches ich – zu Gunsten meiner Lehrertätigkeit an der BfGZ – in den letzten Jahren stark reduziert habe. Ich war an vorderster Front als der Mac in die Schweiz kam und als die Bilddigitalisierung ihren Anlauf nahm. Mit Freude nahm und nehme ich die Herausforderungen an und bilde mich laufend weiter. Zur Zeit unterrichte in der Grundbildung die FotografInnen, Fotofachmann/frau alle Fachrichtungen und in der Weiterbildung Fachklassen sowie fotografische Kurse.

Mit dem Fotodesigner, der Fotofachangestellten Fachrichtung Fotografie und jüngst dem Fotografen gibt es drei Ausbildungsmöglichkeiten für Kandidaten in der gestalterischen Fotografie. Welche Ausbildung ist für wen gedacht?

Fotodesigner, Fotodesignerin HF. Der Lehrgang an der BfGZ richtet sich vor allem an Quereinsteiger in die Berufsfotografie. Die Absolventen erhalten neben den fotografischen Grundkenntnissen das nötige Rüstzeug, um selbständig im Markt zu bestehen. Die Ausbildung ist berufsbegleitend als Weiterbildungslehrgang mit einer eidgenössischen höheren Fachprüfung konzipiert. Das heisst, die Absolventen müssen bereits über einen Lehr- oder Maturitätsabschluss verfügen.

Fotofachmann, Fotofachfrau Fachrichtung Fotografie EFZ. Oberste Schulstufe oder mittlere Schulstufe mit guten Leistungen sind die minimalen schulischen Voraussetzungen für den/die Fotofachmann/frau. Der Aufgabenbereich des/der Lernenden umfasst die Fotografie (Festhalten von schönen Momenten an Events, Hochzeiten, Feiern, Porträt-Serien, Fachaufnahmen usw.), die Be- und Verarbeitung von  Bildern und die Präsenz hinter der Verkaufstheke. Dabei sind verschiedene Anforderungen von grosser Wichtigkeit: Die Freude an der fotografischen und schnelllebigen Technik, an der fachlichen Kundenberatung und am Verkauf. Der/die Fotofachmann/frau ist ein Allrounder rund ums Bild, der vorwiegend direkten Kundenkontakt hat.

Fotograf, Fotografin EFZ. Je nach Lehrbetrieb sind SchulabgängerInnen mit oder ohne gestalterischem Vorkurs willkommen. Eine gewisse Reife, ein anderer Berufsabschluss oder die Matura sind oft von Vorteil. Zukünftige FotografInnen müssen sich täglich mit neuen verschiedenen Techniken (Kamera, Licht, Bildbearbeitung) und Gestaltungen auseinandersetzen und auch handwerklich sehr begabt sein. Das Entscheidende ist aber das Herzblut für die Fotografie, welche sich sehr oft über den Feierabend und das Wochenende hinaus erstreckt.

Ich fasse kurz zusammen:
• Leidenschaft für die Fotografie (Gestaltung und Technik)
• Liebe zur fotografischen Gestaltung
• Freude an Technik inkl. Bildbearbeitung
• Kreative Ideen für die fotografischen Umsetzungen je nach Auftrag (Werbung, Mode, Architektur, Industrie, Wissenschaft, Landschaft, Reportage und Porträt usw.)

Die Fotografie ist im Wandel, nicht nur von analog zu digital sondern auch mit laufend neuen Geräten, neuer Software und optimierten Workflows. Wie kann ein relativ träges Ausbildungsreglement dieser rasch fortschreitenden Entwicklung Rechnung tragen?

Die BiVO (Bildungsverordnungen) sind sehr offen formuliert. Beim Fotograf spricht man z. B. von den Handlungskompetenzbereichen (z. B. Beherrschen der Bildaufnahmetechniken) und den beruflichen Handlungskompetenzen (z. B. Kamera benutzen). Dies lässt den Dozenten genügend Spielraum um einen aktuellen Unterricht zu gestalten und zu gewährleisten.

Im Weiteren muss mindestens alle fünf Jahre die BiVO den wirtschaftlichen, technologischen, ökologischen und didaktischen Entwicklungen anpepasst werden.

Die anderthalb Tage Schulbesuch des Auszubildenden pro Woche ist für viele Ausbildungsbetriebe ein Problem. Könnte ein Blockunterricht das Problem lösen, und liesse sich dieser in der Berufsschule für Gestaltung realisieren?

Da gehen auch die Meinungen der BerufsbildnerInnen auseinander. Spannend! Wir werden dieses Anliegen zusammen mit der Schulleitung prüfen. Nicht vergessen darf man den AB-Unterricht, die Berufsmaturität und dass neben den FotografInnen auch andere Berufe und Fachklassen im Fachbereich Fotografie unterrichtet werden.

Sie bilden seit vielen Jahren junge Leute in den Fotoberufen aus. Welche Voraussetzungen und Vorkenntnisse bringen die jungen Leute mit, und hat sich ihre Einstellung zum Beruf in den letzten Jahren verändert?

Bei den FotografInnen EFZ stelle ich keine Veränderungen fest. Sie haben ein grosses Engagement, arbeiten sehr selbständig, kreativ und sind sehr wissenshungrig.

Beim Fotofach könnten einige (je nach Klasse auch viele) Lernende auch in einem anderen Bereich des Verkaufes tätig sein. Das Interesse und das notwendige Herzblut für die Fotografie sind leider bei Einigen nicht vorhanden. Wie erwähnt, kann sich dies interessanterweise von Klasse zu Klasse unterscheiden.

Was raten Sie jungen Leuten, die sich für den Fotografenberuf interessieren?

Wer einen Fotoberuf erlernen will, benötigt Durchhaltewillen bei der Suche nach einer Lehrstelle und es bedingt eine Bewerbung, welche sich sehen lässt. Was jeweils von den BerufsbildnerInnen verlangt wird sowie genauere Angaben hierzu sind meist auf der Homepage zu finden. Wer wirklich die Lehrstelle möchte, darf nur das eine Ziel verfolgen: Die Fotografie!

 

Tom Stocker, ausbildender Fotograf mit eigenem Studio

Foto: Urs Tillmanns / Fotointern.ch

Ich bin seit 19 Jahren Werbefotograf mit Schwerpunt People, arbeite mit ein bis zwei Lernenden zusammen, einem Polygrafen und ein bis zwei Freelancern. Ich habe eine klassische «Lehre» als Fotograf EFZ gemacht und war davor Sozialpädagoge. Vor zwei Jahren habe ich meine Ausbildung als Coach abgeschlossen. Der Mensch mit seinem Schaffen steht bei mir immer im Mittelpunkt.

Sie bilden seit vielen Jahren Fotografen aus. Wie hat sich deren Einstellung zu ihrem Beruf im Laufe der Zeit verändert? Bringen die jungen Leute ein persönliches Engagement und zusätzliches Interesse für Ihren Beruf mit oder ist es für die meisten «einfach ein Job»?

In den letzten Jahren nehmen ich und meine Kollegen deutlich vermehrt eine ausgeprägte Konsumhaltung (nicht nur junger) Menschen wahr, mit geringer Bereitschaft zu Eigeninitiative und Verantwortungsbewusstsein. Wenn ein Berufsbildner früher als Kompendium genutzt wurde, wird heute oft erwartet, dass Fähigkeitsvermittlung dem Lernenden serviert werden soll.

Löbliche Ausnahmen sind meist Menschen, die nebst ihrer schulischen Leistung Weiterbildungskurse belegt haben oder in Vereinen oder der Pfadi organisatorisch tätig sind.

Mit den heutigen Mitteln ist unser Traumberuf für viele zum Greifen nahe gekommen. Diverse Handybilder «beweisen», dass auch ganz ohne technische Kenntnisse tolle Föteli geschossen werden können. Fotografie wird immer weniger als gestalterisches Handwerk verstanden. Bildnerische Mängel können ja «weggephotoshöplet» werden.

Fotografieren bzw. eben «Fötelen» wollen sehr viele. Damit selbständig Geld verdienen, nur sehr wenige. Die meisten BewerberInnen gehen von einem Anstellungsverhältnis nach der Berufsbildung aus, das der Markt aber praktisch gar nicht anbietet.

Junge Leute, die sich für eine Lehrstelle bei Ihnen bewerben möchten, müssen auf Ihrer Webseite einen umfangreichen Fragebogen ausfüllen. Welches ist die Idee dahinter und wie sind Ihre Erfahrungen mit dieser Massnahme?

Wir verfolgen mit diesem Weg zwei Ziele:

Erstens: Die Bewerbungsflut eindämmen. Nur wer sich wirklich ernsthaft für unseren Beruf interessiert bewirbt sich auf diesem Weg.

Zweitens: Wer sich das Bewerbungsprozedere gewissenhaft erarbeitet, nutzt bereits mit diesem Prozess eine Gelegenheit unseren Berufsalltag hautnah kennenzulernen. Wer diesen Prozess als Hürde versteht, wird im Berufsalltag am Konzeptionieren und Kommunizieren auch keinen Spass haben. Auch Fotografen verbringen ihren Alltag längst zu einem grossen Teil vor einem Bildschirm statt hinter der Kamera. Die vollständigen Dossiers, die uns erreichen, sprühen oft vor Begeisterung und Wissensdurst. Sehr geeignete Voraussetzung für eine prosperierende Zusammenarbeit, finde ich.

Ihre Lehrlinge sind anderthalb Tage pro Woche in der Berufsschule. Stellt dies für Ihren Betrieb ein Problem dar? Würden Sie einen Blockunterricht bevorzugen?

Lernende verdienen auf Augenhöhe gebrieft zu werden. So wachsen sie am schnellsten zu wertvollen Mitarbeitern die mitdenken und vielseitig eingesetzt werden können. Gerade wenn der Schulunterricht in der Mitte der Woche stattfindet, erfahren diese oft nur einen Teil der Umsetzung eines Projekts. Diese Unterbrechungen sind selten willkommen und benötigen Zeit, um abwesende wieder zurück ins Boot zu holen.

Wochenblockkurse habe ich als Möglichkeit einer intensiven Auseinandersetzung gerade mit komplexen Themen selber als sehr nützlich erfahren. Zudem verdichtet sich in der Regel auch der Austausch der Lernenden untereinander.

Die meisten Fotografen sind, nicht zuletzt durch ihre Auftragssituation, auf eines oder mehrere Bereiche spezialisiert. Kann damit noch ein vom Gesetz verlangte allumfassende Grundausbildung gewährleistet werde? Werden entsprechende Massnahmen getroffen?

Ja, das ist möglich und ja, Kreativität ist gefordert. Gerade bei Spezialisten sind bewusst eingesetzte eigene Projekte und ein Lernendenaustausch unter Berufsbildnern eine gute Lösung. Von beiden kann manchmal auch ein Arbeitgeber durch neue Impulse profitieren.

Was raten Sie jungen Leuten, die sich für den Fotografenberuf interessieren?

Seien Sie sich bewusst, dass niemand auf dem völlig gesättigten Markt auf Sie gewartet hat. Wenn Sie mit Ihrem Handy tolle Bilder machen können, ist die Wahrscheinlichkeit gross, dass das Ihr potentieller Kunde auch kann und Ihre Dienste nicht braucht.

Seien Sie einzigartig und attraktiv für mögliche Arbeitgeber und Kunden. Zum Beispiel: Mindestens 18 sein, breit abgestützte Erfahrungen sammeln, neu- ja wissensbegierig sein, Bilder (nicht nur Fotografien) analysieren. Mit Spass viel fotografieren und ausprobieren: Auch Schnappschüsse und ganz besonders, konkrete Projekte mit mehreren zusammenhängenden Aufnahmen. Seien Sie z.B. mal Ihr eigener Auftraggeber.

Und: Lernen Sie Photoshop kennen. Sofort!

 

Lea Reutimann, Fotografin, die Ihre Lehrzeit soeben beendet hat

Foto: Urs Tillmanns / Fotointern.ch

Meine Name ist Lea Reutimann, ich bin in Winterthur wohnhaft und habe diesen Sommer meine Ausbildung als Fotografin EFZ abgeschlossen. Weil mein erster Ausbildungsbetrieb vor einem knappen Jahr aufgrund von Konkurs schliessen musste, habe ich während meines Abschlussjahres in mehreren Studios gearbeitet und mich auf meine Prüfungen vorbereitet.

Was hat Sie bewogen, sich für den Fotografenberuf zu entscheiden?

Die Entscheidung Fotografin zu werden fiel mir nicht leicht. Der Beruf galt für mich über Jahre hinweg als Traumberuf und deshalb auch unerreichbar. Nach zwei Gymnasialjahren und einer intensiven Auseinandersetzung mit dem Thema Fotografie (gestalterischer Vorkurs, einwöchiger Fotografiekurs (SASJF) und halbjähriges Praktikum als Fotografin in Deutschland) war ich mir meiner Entscheidung sicher und trat die Ausbildung zur Fotofachfrau Fotografie mit der Meinung, dass der FotografInnenberuf abgeschafft wurde, an. Nach einem Jahr folgte dann der Wechsel auf Anraten meines damaligen Dozenten, Christian Westermann, in die FotografInnenklasse. Ausschlaggebend für die Entscheidung für die FotografInnenausbildung waren vor allem meine Mitmenschen und Dozenten, welche mir ständig Optionen und neuen Mut zugesprochen haben. Die Faszination am Beruf beziehungsweisen dem fotografischen Gestalten habe ich nach der intensiven, vorgängigen Auseinandersetzung nicht verloren, was für mich ein Zeichen war, dass ich den richtigen Weg eingeschlagen habe. Die Abwechslung im Berufsleben waren für mich auch Argumente für die Ausbildung, denn ein Alltag, der tagtäglich gleich abläuft langweilt mich sehr schnell und stellt für mich keine Herausforderung dar. Der Beruf als Fotografin bringt mich immer wieder in interessante Situationen und schafft neue Begegnungen und Erlebnisse, die ich sonst nicht erfahren dürfte. Ich liebe es mich in solchen Situationen wieder zu finden und dadurch meinen Horizont zu erweitern, auch wenn das manchmal sehr anstrengend sein kann. Aber wie sagt mensch so schön: Das Leben beginnt am Ende deiner Komfortzone.

Eigentlich war es ja ein Glücksfall, dass Sie Ihre Ausbildung in drei verschiedenen Betrieben absolvieren konnten. Sehen Sie die Spezialisierung der Betriebe als nachteilig für die Grundausbildung?

Ja, auf jeden Fall. Die Spezialisierung der Betriebe führt zu ungleichen Wissensständen unter der Lernenden. Die Schule versucht dazwischen Brücken zu schlagen und alle Auszubildenden in den unterschiedlichen Bereichen auf ein annähernd ähnliches Niveau zu bringen, was natürlich nicht möglich ist bei einem Tag Berufskundeunterricht pro Woche neben vier Tagen Ausbildung in einem spezialisierten Studio. Schlussendlich wird jedoch an der Abschlussprüfung der FotografInnen ein breites Spektrum von Arbeiten erwartet, was meiner Meinung nach auch gerechtfertigt ist. Jede lernende Person muss in den Bereichen Porträt, Stilllife, Architektur, Reportage und Reproduktion abschliessen. Von einem Fotografen/einer Fotografin wird eine möglichst umfassende und breit gefächerte Ausbildung erwartet, was mit dem Bildungssystem in diesem Beruf überhaupt nicht möglich ist. In meinem letzten Ausbildungsjahr als Fotografin habe ich Unmengen an neuen Dingen in den unterschiedlichsten Bereichen dazugelernt. Da mein vorheriger Ausbildungsplatz sehr stark auf (Innen-)Architekturfotografie spezialisiert war, glaube ich, dass mein Abschluss ohne dieses aussergewöhnliche, letzte Jahr nicht möglich gewesen wäre.

Was könnte man an der Fotografen-Ausbildung optimieren? Was ist im Lehrplan unter- oder überbewertet? Was fehlt gänzlich?

Ich würde eine Ausbildung in mehreren Betrieben sehr begrüssen. Das würde der breitgefächerten Ausbildung der vorherigen Frage gerecht werden. Vielleicht wären Zusammenschlüsse von je zwei Studios die Lösung, welche ihre Lernenden nach zwei Jahren «tauschen» könnten und durch den Zusammenschluss zum einen stets auf dem laufenden sind, was der/die andere Lernende bereits kann/gelernt hat und kann sich so sicher sein, dass er/sie nach zwei Jahren einen Auszubildenden aus dem 3. Lehrjahr für die Studiotätigkeiten einstellen kann.

Obwohl von vielen AusbildnerInnen auch Austausche erlaubt wären, welche eine bis mehrere Wochen dauern, werden diese eher selten von den Lernenden genutzt, oder nicht direkt unterstützt. Ich selbst habe Erfahrungen mit zwei solchen Kurzpraktikas gemacht und leider sehr wenig profitiert, weil mein damaliger Ausbildner die Studios für den Austausch ausgesucht hat und diese beide eher im Bereich des Fotofachmanns/der Fotofachfrau angesiedelt waren.

Zudem würde ich den Blockunterricht an der Berufsschule sehr begrüssen, da nicht nur die AusbildnerInnen sondern ebenso die lernenden Personen von einem intensiveren Dabeisein bei Projekten, ob in der Schule oder dem Betrieb, profitieren könnten. Das ständige Briefen, nachdem die lernende Person ein bis zwei Tage nicht im Betrieb war, fällt weg und sie erhält einen Einblick in den wirklichen Berufsalltag, indem Projekte von Beginn bis Schluss mitverfolgt werden können.

Weitere Dinge, die meiner Meinung nach im Lehrplan fehlen sind unabdingbar wichtige Elemente im FotografInnenberuf: Das Erstellen von Offerten, Rechnungen, … Akquisition, Portfolio erstellen usw. Obwohl die Arbeit als FotografIn in den meisten Fällen auf die Selbständigkeit abzielt, werden Dinge, welche für diesen Schritt unabdingbar sind nicht und nur sehr, sehr spärlich unterrichtet.

Die analoge Fotografie hingegen wird immer noch sehr stark in die schulische Ausbildung miteinbezogen. In meinem Jahrgang wurde beinahe ein ganzes Jahr analog gearbeitet, was meiner Meinung nach in der Werbefotografie nicht mehr zeitgenössisch ist. Ich kann die Gründe für das Erlernen des analogen Handwerks sehr gut verstehen. Grosse Teile der theoretischen Fotografie können so viel einfacher verstanden werden und sind auch im digitalen Zeitalter immer noch gültig. Jedoch sollte dieser Bereich nicht so stark vertieft werden.

Wie war die Stimmung während der Lehre bei Ihren Schulkolleginnen? Haben Sie eine allgemeine Zufriedenheit oder eher eine Frustration festgestellt? Waren Ihre Kollegen motiviert oder eher gleichgültig?

Ich denke nicht, dass es eine allgemeine Grundstimmung gab. Viele meiner KollegInnen waren mal frustriert, mal motiviert. Ich glaube, dass für die Ausbildung zum Fotografen/zur Fotografin eine grosse Portion Motivation notwendig ist, weil viele Dinge nicht so einfach funktionieren wie in einer «normalen» Ausbildung. Es wird sehr viel Selbstdisziplin und somit auch Selbstverantwortung verlangt. Viele Anforderungen in dem Beruf benötigen eine starke Willenskraft, welche Hand in Hand mit der Motivation geht. Eine Frustration war höchstens gegenüber den Betrieben vorhanden, weil diese sich nicht an (un)geschriebene Vorschriften gehalten haben und die Lernenden ausgenützt wurden. Solche Situationen könnten durch regelmässige Kontrollen der Ausbildungsplätze vermieden oder zumindest vermindert werden.

Sie haben die Lehrzeit hinter sich. Wurden Ihre Erwartungen erfüllt und würden Sie sich wieder für den Fotografenberuf entscheiden? Würden Sie die Fotografenausbildung Ihren Kolleginnen weiterempfehlen und weshalb?

Ich würde mich auf jeden Fall wieder für den FotografInnenberuf entscheiden. Ich möchte auch in Zukunft in diesem Bereich weiterarbeiten, weil ich in meinem letzten Jahr gemerkt habe, dass ich noch lange nicht ausgelernt habe und es zigtausende Wege gibt ein Bild aufzunehmen. Empfehlen würde ich die Ausbildung aber nur den wenigsten Menschen und zwar nur denjenigen, die ich als genügend erfahren, stur, motiviert, reif und hartnäckig einschätzen würde. Erst im letzten Jahr wurden meine Erwartungen an den FotografInnenberuf erfüllt. Die Vielfältigkeit des Berufs, welche ich durch die unterschiedlichen Betriebe in meinem letzten Ausbildungsjahr kennengelernt habe und auch die Ausbildung in den unterschiedlichen Bereichen der Fotografie haben grosse Teile meiner Erwartungen erfüllt. Die Berufsschule war für mich stets ein wichtiger Ort, welcher neben der Bildung auch Unterstützung in schwierigen Zeiten lieferte und immer genügend Freiraum für eigene Ideen liess.

Die Fotografie ist für mich immer noch ein Handwerk, welches erlernt werden muss. Die duale Grundbildung sorgt meiner Meinung nach für ein gewisses Niveau unter FotografInnen, was in der heutigen Zeit mit der grossen Konkurrenz (zu einem grossen Teil bestehend aus AmateurInnen bestehend) essentiell ist.

Fotointern dankt allen Interviewteilnehmern für ihre Engagement und ihre interessanten Ausführungen.

Fragen und Bilder: Urs Tillmanns

 

Wichtige Links zum Thema:

• Berufsbeschreibung der Fotoberufe der Berufsschule für Gestaltung Zürich

• Berufsbeschreibung Fotograf EFZ auf www.berufsberatung.ch

Bildungsplan des Fotografen EFZ (pdf USPP)

• Berufsbeschreibung Fotofachleute auf www.berufsberatung.ch

• Ausbildungsseite des Fotoverbands Imagingswiss

• Ausbildungsbeschreibung Fotodesigner (HFP) auf www.berufsberatung.ch

• Webseite Fotodesigner des SBF und vfg

Ausbildungsseite des USPP (Union Suisse des Photographes Professionels) (französisch)

Ausbildungsseite des Centre d’enseignement professionel de Vevey (CEPV) (französisch)

Lehrstellennachweis der Kantone «LENA»

• Webseite von Tom Stocker

«Fotograf? Fotodesigner? Die Analyse der Fotografenberufe», 27.03.2010
(mit pdf-Broschüre, 2,3 MB)

 

5 Kommentare zu “Hat der Fotografenberuf zu wenig Lehrstellen?”

  1. Guter Bericht – denke lehrstellen zu finden wird immer schwer da es immer mehr kleinere betriebe gibt. dazu kommt dass es viele praktikannten gibt die auch auf den markt drängen. das thema selbstständigkeit könnte man vermehrt in den lehrplan geben. lg peter

  2. Ich weiss zwar nicht wie das Preisgefüge und die Konkurrenz in der Schweiz ist aber hier in Deutschland wird es immer schwieriger sein Geld damit zu verdienen. So spielt bei vielen Kunden der Preis eine große Rolle und da es zuviele Fotografen gibt wird fleissig unterboten und der Preiskampf ist groß.

    Ausserdem gibt es immer weniger Ausbildungsbetriebe so wurde der Zug der Fotografen an meiner ehemaligen Berufsschule geschlossen und die Schüler müssen jetzt 60-80km fahren je nachdem woher sie kommen.

    Da sich heut zu tage jeder eine Digitalkamera kaufen kann ist jeder auch ganz schnell Fotograf der eine mehr der andere weniger und so entsteht zusätzlich ein Druck von unten da die Autodidakten den Markt zusätzlich belasten.

    Und so gibt es nur noch wenige Fotografen die wirklich gut im Geschäft sind und davon leben können.

    Aber vielleicht ist das in der Schweiz alles ganz anders.

  3. Lehrstellenmangel.
    Ich kann mich sehr gut daran Errinnern, ich bin schon seit 36 Jahren mit Fotografie beschäftigt, Dazumale hat es 2-3 Lehrstellen in der GANZEN Schweiz gegeben.Nur die Bessten der Bessen und sehr gute Beziehungen und sehr gute Eltern hatten das Glück ihr Kind als solches zu erfreuen einer Lehrstelle als Fotograf.
    Heute 36 Später sind einfach zu viele die sich damit auseinander setzten und es ist einfach geworden eine Kamera zu Bedienen sowie das gewisse auch über das Internet oder über eine Privat Schule zu erlangen.

    Gr MALO

  4. Zwei Probleme:

    Erstens gibt es praktisch niemanden der Fotografen ausbildet. Wer als selbständiger Fotograf arbeitet schleppt ja niemanden mit.

    Zweitens gibt es nach der Lehre nur wenige Möglichkeiten als Fotograf zu arbeiten.
    Modemagazine nehmen nur bekannte Fotografen.
    Produktfotografie ist ziemlich langweilig.
    Als Pressefotograf ist ein journalistischer Hintergrund fast unverzichtbar und ausserdem sind in den Publikationen bald mehr Fotos von Smartphones von „Leserreportern“ als noch Bilder von Fotografen.

    Hinzu kommt, dass inzwischen jeder Hobbyfotograf seine Dienste auch anbietet und von Hochzeit bis Tier praktisch jedes Genre abdeckt aber viel billiger als ein Fotograf.

    Im Übrigen wusste ich auch nicht, dass man das wieder lernen kann.

    Alles in Allem extrem schwierige Voraussetzungen aus meiner Sicht.

  5. Als leidenschaftlicher „Hobby“-Fotograf, der sein Hobby vertiefen und zu seinem Beruf machen möchte, freut es mich besonders, dass man den Fotograf wieder als Lehre absolvieren kann. Das gibt mir wieder neue Hoffnung und Motivation die Fotografenlehre anzupacken.
    Leider wurde mir anfangs 2013 davon abgeraten, da die Fotografenlehre abgeschafft würde.

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