Urs Tillmanns, 20. September 2015, 07:00 Uhr

Verlassene Orte Europas

Mit dem Project Spotlight will Nikon Fotografen mit besonderen Projekten ins Rampenlicht rücken. David de Rueda bereiste in 44 Tagen neun Länder und suchte mit seiner Nikon D810 die geheimnisvolle Schönheit verlassener Orte als Relikte der europäischen Geschichte auf. Klar im Fokus lag die ehemalige Sowjetunion.

 

Der Fotograf und Regisseur David de Rueda wurde für die Zusammenarbeit ausgewählt, weil er sich mit seiner Nikon D810 an unzugängliche Orte wagt. Er besitzt die Fähigkeit, die Ästhetik dieser Orte und der verlassenen Gebäude einzufangen und so sichtbar zu machen. Er reiste von Paris über Mailand, Kiew und Tschernobyl nach Russland, Estland, Bulgarien, Island bis nach Kasachstan und Zypern.

Während seiner aussergewöhnlichen Reise legte David de Rueda besonderes Augenmerk auf die Ära des Kalten Kriegs. Dabei erlebte er einige Highlights: Er fotografierte erstmalig zwei Prototypen der sowjetischen Raumfähre Buran in einem verlassenen Lagerhaus mehrere hundert Kilometer tief in der Wüste Kasachstans. Im Südwesten Islands fotografierte er das alte Flugzeugwrack einer Douglas DC-3, welches in Polarlichtern erstrahlte. Er erkundete mit seiner Nikon D810 Tschernobyl und die dortige Geisterstadt Prypjat. Dort machte er Aufnahmen vom höchsten Gebäude aus, fotografierte die Ruine des Krankenhauses von Prypjat und sogar das Innere des Kühlturms eines Atomkraftwerkes.

David de Rueda«Nikon stellte mich vor die Herausforderung, ein Projekt auszuwählen, zu planen und umzusetzen ohne äussere Beschränkung», so David de Rueda. «Für mich war dies eine Gelegenheit, mich selbst zu übertreffen und meine Urban-Exploration-Fotografie auf eine neue Ebene zu bringen. Mir war sofort klar, dass ich mir dafür die verlassenen Orte der jüngsten europäischen Geschichte aussuchen werde. Die versteckte Seite solcher Orte zu erkunden, ist für mich wie eine Art moderne Archäologie, die durch die künstlerische Darstellung eines Fotografen die Fantasie vieler Menschen beflügelt.»

 

Nikon David de Rueda Ewiges Warten

Ewiges Warten (Eternal Wait). Prypjat, unweit des Kernkraftwerks Tschernobyl, ist heute eine Geisterstadt, die 1986 infolge des Reaktorunglücks geräumt wurde. Das Wartezimmer in der Ruine des Krankenhauses von Prypjat zog meine Aufmerksamkeit durch seine Farben und die verrottenden Pflanzen auf sich. Hier hat man das Gefühl, dass die Zeit stehen geblieben ist.

 

David de Rueda Cafe Pripjat

Café Prypjat (Pripyat Cafe). Dies ist ein ehemaliges Café in Prypjat. Ich wollte die wunderschönen Glasarbeiten hervorheben und durch eine lange Belichtung und Lichtmalerei etwas Einzigartiges schaffen. Wir konstruierten eine Hauptlichtquelle im Inneren des Gebäudes, eine zweite hinter dem Prypjat-Schild, um einen Eindruck von Tiefe zu erwecken, und eine dritte, die das ursprüngliche Schild des Cafés beleuchtet.

 

Nikon David de Rueda Sonnenstaub

Sonnenstaub (Sun Dust). Am zweiten Tag in Prypjat hatte ich das Glück, auf der Spitze des höchsten Gebäudes der Stadt, Fujiyama, den Sonnenaufgang zu erleben. Sonnenstrahlen inmitten einer toten Stadt, die den Ort für ein paar Sekunden wieder zum Leben erwecken.

 

Nikon David de Rueda Creator

Der Schöpfer (The Creator). Neben dem Café Prypjat befindet sich der alte Busbahnhof. Auf seinem Dach steht ein faszinierender Glasraum. Ich wollte etwas Grafisches schaffen, mit einer langen Belichtungszeit und Lichtmalerei. Dies ist auch ein Selbstporträt.

 

Nikon David de Rueda Nuklearer Herbst

Nuklearer Herbst (Nuclear Fall). Dieses Bild entstand im Inneren des Kühlturms eines Kernkraftwerks in Tschernobyl, das nie fertiggestellt wurde. Kühltürme sind schon von aussen beeindruckend, doch mehr noch von innen. Inmitten dieser unvollendeten Architektur betrachtet die Person die vergessene Pracht.

 

Nikon David de Rueda Kindertraum

Kindertraum (Child Dream). Unser letzter Tag in Prypjat. Davor hatte ich mich drei Tage lang gefragt, wie man das berühmte Riesenrad aus einem neuen, originellen Blickwinkel erfassen könnte. Glücklicherweise ging mein Wunsch, dass etwas Schnee fallen würde, in Erfüllung. Die dadurch entstandene verträumte Atmosphäre veränderte Prypjat von Grund auf. Von einem Dach neben dem Riesenrad aus konnte ich schliesslich das Bild schiessen, nach dem ich gesucht hatte.

 

Nikon David de Rueda Hochfrequenz

Hochfrequenz (High Frequency). Dieses Bild wurde in einem stillgelegten Versuchskraftwerk in der Nähe von Moskau aufgenommen, das von einem halben Dutzend Hunde streng bewacht wurde. Nach etwas Überzeugungsarbeit liess der Wächter uns ein. Da die Sonne bereits unterging, blieben mir nur ein paar Minuten, um den perfekten Blickpunkt zu finden. Ein zufällig vorüberfliegender Vogel liess die Szene noch poetischer wirken.

 

Nikon David de Rueda Verraeterische Wege

Verräterische Wege (Suspicious Paths). In Sankt Petersburg erkundeten wir ein altes Fabrikgebäude aus dem 19. Jahrhundert. Es war riesig. Dieser Raum gefiel mir ganz besonders wegen seiner Form, des Lichts und des schöpferischen Potenzials, den ich durch das Model hinzufügen konnte. Sie ist der zentrale Punkt des Bildes.

 

Nikon David de Rueda Mutterschiff

Das Mutterschiff (The Mothership). Linnahall ist ein ehemaliger Konzertsaal in Tallinn, Estland. Mit einer Belichtungszeit von zwei Minuten konnte ich die Architektur des Gebäudes offenbaren, das sonst in kompletter Finsternis liegt. Der zentrale Blickpunkt verleiht dem Foto seine Kraft, denn er lenkt das Auge direkt in die Bildmitte. Für mich sieht es fast aus wie ein Raumschiff.

 

Nikon David de Rueda Jenseits

Jenseits der Zeit (Beyond Time). Auskundschaften, Kriechen und Klettern gehörten dazu, um dieses verlassene Kraftwerk in der Nähe von Budapest, Ungarn, zu erreichen. Wir gelangten durch den Kohleschacht in die Anlage, ein 100 m langer, ansteigender Korridor voller Staub und Sonnenstrahlen: der ideale Ort, um eine Art Erscheinung zu erzeugen die Geister der Vergangenheit der Anlage heraufzubeschwören.

 

Nikon David de Rueda Zeitkapsel

Zeitkapsel (Time Capsule). In Budapest erkundete ich diesen Friedhof für ausrangierte Züge. Er liegt mitten in einem aktiven Eisenbahndepot und ich fühlte mich wie ein Kind, das der Realität entflieht, um für ein paar Stunden durch eine imaginäre Welt aus Stahlmonstern zu spazieren.

 

Nikon David de Rueda Versunkene Epoche

Die versunkene Epoche (The Lost Era). Dies ist das Busludscha-Denkmal in Bulgarien. Ich beschloss, es nachts zu erkunden, und zwar trotz des dichten Nebels, der den Berg einhüllte und erlebte eine unheimliche Begegnung der dritten Art!

 

Nikon David de Rueda Signal

Das Signal (The Signal). Unterhalb des Kongressraums von Busludscha entdeckte ich einen Ort, der von einem anderen Stern zu stammen schien. Das Licht meiner Taschenlampe offenbarte, dass alles mit Eis bedeckt war.

 

Nikon David de Rueda Naechtliche Seelen

Nächtliche Seelen (Night Souls). Irgendwo in einer verlassenen Gegend an der isländischen Südküste liegt dieses längst vergessene Flugzeugwrack einer Douglas DC-3. Ich kam um 4 Uhr morgens dort an und während wir warteten, erschienen immer mehr Polarlichter am Horizont. Ich schaute dieser Zaubershow bis zum Morgengrauen fasziniert zu und nahm dieses Bild mit einer Belichtungszeit von 90 Sekunden und etwas Lichtmalerei im Innenraum des Flugzeugs auf.

 

Nikon David de Rueda Verloren

Verloren im All (Lost in Space). Dieses Bild ist das Ergebnis einer Tour, bei der wir 180 km auf Pisten durch die Wüste Kasachstans fuhren und anschliessend 45 km durch ein Sperrgebiet liefen. Dann standen sie vor uns: zwei sowjetische Relikte aus der Zeit des Wettlaufs zur Eroberung des Weltalls, in einer riesigen verlassenen Lagerhalle. Vielleicht ist dies die absolut monumentalste Szene, die ich je entdeckt habe, seit ich das erste Mal eine Kamera in die Hand nahm.

(Copyright sämtlicher Bilder: Photopress/Nikon/David de Rueda)

Weitere Informationen zum Fotografen finden Sie unter www.davidderueda.com und zum Project Spotlight unter http://nikonlife.eu/events/project-spotlight/.

Ein Kommentar zu “Verlassene Orte Europas”

  1. Die Bilder sind ausgezeichnet. Aber ich musste Lachen wegen dem Flugzeug auf Island „Irgendwo in einer verlassenen Gegend an der isländischen Südküste liegt dieses längst vergessene Flugzeugwrack einer Douglas DC-3.“ Dieser Ort ist schon längst kein Geheimtip mehr sondern eine Wahlfahrtsstätte der Islandreisenden, die dort in Massen auf dem bei weitem nicht vergessenen Frack herumhüpfen. Ich war dort vor 2 Wochen und während 3 Stunden waren wir nicht eine Sekunde alleine :-). Der Besucherstrom stoppte auch nicht nach dem Einbruch der Nacht.

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