Alle fünf Jahre findet die Canon Expo statt, eine Technologieshow, in welcher das japanische Unternehmen in Tokio, Shanghai, New York und Paris seinen Kunden und Partnern Einblick in die aktuellen Entwicklungs- und Forschungsprojekte gewährt. Unser Eindruck: Canon diversifiziert mit Hochdruck in andere Bereiche, insbesondere in die Grafische Branche, in die Medizin und in die Überwachungstechnik.
Nicht dass der Fotobereich an der gigantischen Hausmesse «Canon Expo» in der Pariser «Villette» eine untergeordnete Rolle zugekommen wäre – es waren auch im Fotobereich ausgesprochen spannende technologische Lösungen zu sehen. Dennoch, wenn man die Show mit derjenigen vor fünf Jahren vergleicht (Fotointern berichtete) wird offensichtlich, dass Canon seine Imaging-Kompetenz immer stärker in anderen Geschäftsfeldern anwendet.
Der Aufwand, welcher Canon mit der Expo betreibt, ist enorm. Als Ausstellungsort diente der einstige Schlachthof und heutiges Kultur- und Ausstellungsgelände «Villette» im Nordosten von Paris.Hier werden 13’000 Kunden, Partner und Gäste von Canon aus Europa, Mittlerer Osten und Afrika erwartet, die kostenfrei einen Einblick in den gegenwärtigen technologischen Stand und die laufenden Entwicklungsprojekte des Imaging-Giganten bekommen. Unübersehbar ist dabei die technologische Vernetzung der verschiedenen Sparten, bei der die internationale Zusammenarbeit sowohl intern als auch mit neu gewonnen Partnern zentrale Bedeutung bekommt. Dies betonte auch Fujio Mitarai, Chairman und CEO von Canon Inc. In seiner Eröffnungsansprache.
«Ich freue mich,» so Fujio Mitarai in seinem Keynote-Vortrag «Ihnen meine Vision für die Zukunft von Canon vorstellen zu können – eine Zukunft, in der sowohl regionale Unabhängigkeit als auch internationale Zusammenarbeit in die Praxis umgesetzt werden … In dem neuen Unternehmensnetzwerk wird jedes regionale Headquarter das Management der lokalen F&E- und Produktionsaktivitäten übernehmen, genauso wie die Steuerung von Service und Support – zugeschnitten auf die jeweiligen Marktgegebenheiten. In Europa wird sich Canon auf Drucken und Netzwerk-Videoüberwachung konzentrieren. Das Unternehmen hat sich in diesen Geschäftsbereichen bereits mit führenden Anbietern wie Océ, Axis und Milestone Systems verstärkt. Damit ist Canon zusätzlich zu seinem weltweiten Ansehen als Kamerahersteller jetzt der grösste Anbieter von Druck- und Netzwerk-Videoüberwachungssystemen der Welt.»
Rokus van Iperen, President und CEO von Canon Europe, Middle East and Africa fügt hinzu: «Wir freuen uns über die enormen Chancen, die das sich wandelnde Umfeld bietet und sind der Überzeugung, dass in Zukunft jedes Bild mit Canon in Verbindung stehen sollte. Ganz gleich, ob es um die Aufnahme von Fotos, das Filmen oder die Speicherung, Bearbeitung und das Drucken von Bildern geht – wir wollen daran teilhaben und bauen Geschäftsbereiche auf, um dies zu tun.»
Ein Rundgang durch die Expo
Dass der Pixelrausch weitergeht, hat Canon bereits in den letzten Wochen signalisiert. Die neuen Sensoren mit 120 und 250 Megapixeln wurden bereits angekündigt und nun auf der Expo mit beeindruckenden Beispielbildern untermauert.
Allerdings dürfte der 250 Megapixel-CMOS-Sensor – hier im Bild mit einer Prototyp-Kamera – noch nicht so schnell auf den Markt kommen. Es soll damit vielmehr gezeigt werden, was heute technologisch möglich (jedoch kaum bezahlbar) ist. Die Bilder, die damit gemacht wurden, sollen 30mal schärfer sein als 4K. Zudem sind die heutigen Kameramodelle noch nicht für den entstehenden Datenstrom ausgelegt.
Da ist die 4-Millionen-ISO-Kamera ME20F-5H schon eher in Griffnähe. Die Kamera dürfte vor allem im Überwachungsbereich und für Spezialanwendungen eingesetzt werden, denn sie ermöglicht Situationen in Full-HD-Qualität zu filmen, wo bisher eine Bildaufzeichnung schlicht nicht möglich war. (Foto: Canon)
Und doch gab es im Consumerbereich der Expo noch vier Überraschungen: die Powershot-Modelle G5 X und G9 X sowie die neue EOS M10 zum Anfassen, während das neue Zoom EF-M 15-45 mm IS STM die Vitrine hüten musste. Fotointern.ch berichtete bereits am Dienstag detailliert über diese Neuheiten.
Ein neues 600 mm Objektiv zur EOS ist angesagt. Auf der Expo in Paris wurde der Prototyp eines 1:4/600 mm Objektivs gezeigt, das im Vergleich mit den gegenwärtigen 1:4/600mm L IS IIUSM etwa 30% kürzer gebaut werden kann. Dies ist Dank neuen Technologien (DO Diffractive Optical Element Lenses und BR Blue Spectrum Refractive Optics) in der Fotooptik möglich, die derzeit von Canon zur Serienreife entwickelt werden.
Ein Leistungsbeweis für die Canon EOS 5ds. Dieses Riesenbild, das aus etwa 200 Bildern einer Canon EOS 5ds zusammengestitched wurde, vermittelt den Eindruck echter Flugplatz-Atmosphäre. Aus nächster Nähe ist jedes Detail zu erkennen.
Die Nachfrage nach Ciné-Objektiven steigt enorm, und Canon baut das Angebot mit verschiedenen Brennweiten und Lichtstärken laufend aus. Das geht vom extremen Weitwinkel für die EOS- und CS-Kameras bis hin zum Broadcasting-Objektiv mit 8,6 bis 820 mm Brennweite bei durchgehender Lichtstärke von 1:1,7 – dazu noch mit Image Stabilisator.
Optik gehört zu den Kernkompetenzen von Canon. Das Paradestück wurde an der Expo nur in Form eines kleinen Modells gezeigt: Canon ist an der optischen Konstruktion des 30-Meter-Teleskops massgeblich beteiligt, das auf dem Mount Kea in Hawaii bald weit ins Universum blicken lässt.
Ein Besuchererlebnis erster Güte war das Mixed-Reality-Experiment (MREAL), welches eine reale Umgebung mit virtuellen computergenerierten Bildern (CGI) kombiniert. Mit einer speziellen Brille konnten sich Mutige in das Automodell setzen und eine virtuelle dreidimensionale Innenansicht des Gefährts erleben. Solche Darstellungsformen ergänzen bisherige computersimulierten Entwurfsprozesse in der Industrie und dürften in der Prototypen-Entwicklung noch ein grosses Potential bieten.
Ein besonderes Messe-Highlight ist die 8K-Videokamera, die nicht nur als Prototyp gezeigt wurde, sondern auch Videos, die damit produziert wurden und die Besucher mit einer noch nie gesehenen Qualität von 8192 x 4320 Pixeln beindruckten. Allerdings ist auch der Datenstrom enorm: Pro Sekunde werden etwa 21 Gigabyte gespeichert. Wann Canon mit 8K auf den Markt kommen wird, wollte noch niemand sagen …
Zur 8K-Aufnahme gehört auch ein 8K-Monitor. Die Qualität ist beeindruckend: Mit der Lupe sieht man nur winzige Bildpunkte, die ein extrem scharfes und kontrastreiches Bild ergeben. Canon zeigte die 8K-Bildschirme nicht nur bei der 8K-Videokamera, sondern auch im Medizinalbereich, wo dieser Bildschirm beispielsweise bei Gehirnoperationen eingesetzt werden soll.
Hochaufgelöste Videos wollen auch projiziert werden. Dazu bietet Canon nächstes Jahr den 4K-Projektor XEED 4K500ST an, der an der Expo noch unter der Plexihaube war. Durch die Kombination von vier Projektoren soll ein 8K-Bild in höchster Qualität projiziert werden können.
Canon investiert stark in Produkte für den Überwachungsbereich. Eine neue Netzwerkkamera erfasst aus 80 Meter Entfernung mit ihrer 600mm-Optik (entsprechend Kleinbild) und nur 0,08 Lux noch Bilder auf denen jedes Detail gut erkennbar ist. Das Beispiel zeigt links die Nachtaufnahme mit der Kamera und rechts den visuellen Eindruck. Autodiebe gehen schlechten Zeiten entgegen …
Canon will in den 3D-Druck einsteigen und dürfte in zwei bis drei Jahren dazu die Geräte, Materialien und die Software liefern können. Das Unternehmen setzt sich eine höhere Produktivität und bessere Qualität als bestehende Systeme zum Ziel. Als Haupanwender sieht Canon in erster Linie Industriefirmen und KMUs im Prototypenbau sowie den Ersatzteilemarkt.
Dass Canon in jedem Imagingbereich dabei sein will, zeigt sich auch in der medizinischen Diagnostik. Die neue Röntgentechnologie der digitalen Tomosynthese von Canon kommt dort zum Einsatz, wo die MRI ihre Grenzen hat und liefert mit einer sehr geringen Röntgenstrahlendosis klare und superscharfe 3D-Darstellungen.
Zu diesem Bereich gehören auch mobile Spezialgeräte für die röntgologische Untersuchung von Neugeborenen …
… oder neue Diagnostikverfahren für die Brustkrebs-Früherkennung, die auf einer komfortablen Liege vorgenommen werden.
Mit dem Zusammenschluss mit Océ ist Canon auch in der grafischen Branche stark geworden. Gross ist das Interesse der Fachbesucher an den Neuentwicklungen im Digitaldruck, von dem erstmals gezeigten Canon imagePRESS C10000VP tonerbasierten Vollfarb-Digitaldrucksystem bis hin zum schnellsten digitalen Grossformatdrucker Océ ColorWave 910, der Druckgeschwindigkeiten bis 1000 Quadratmeter pro Stunde zulässt.
Beim Verpackungsdruck geht es immer um Grossvolumen. Mit dieser neuen Druckmaschine von Canon, die Flüssigtoner verwendet und Papiere bis zu 480 Gramm verarbeitet, können auch Kleinserien rentabel gedruckt werden.
Ebenfalls aus der Heirat mit Océ entstanden ist der Reliefdruck. Die gezeigten Ölbilder verblüften, denn die Reproduktionen alter Meister wiesen befühlbare dreidimensionale Pinselstriche und Spachtelspuren auf. Grundlage dazu ist eine spezielle räumliche Reproduktionstechnik und ein Drucker, der eine Vielzahl von Farbschichten aufträgt. Wenn Sie also das nächste Mal in Ihrem Hotelzimmer einen fantastischen Rembrandt sehen, lohnt es sich kaum diesen mitzunehmen …
Auch im Fotobilder-Geschäft der Grosslabore will Canon mit dabei sein – allerdings gelingt dies nicht so richtig, denn das DreamLabo 5000, das schon vor vier Jahren vorgestellt wurde, will in Europa nicht so recht Fuss fassen. Die Maschine ist auf eine Produktionskapazität von rund 1000 vor- und rückseitige A4-Drucke ausgelegt und mit einem breiten Sortiment an Druckmedien speziell für die Herstellung von Fotobüchern konzipiert.
Im Bereich des Grossformatdrucks scheint Canon noch einiges vorzuhaben. Die kommende Generation von PRO-Druckern soll mit einer neuen Druckkopf-Technologie, einem neuen Tintenflusssystem und einer neuen Bildengine noch mehr Dynamikumfang und höhere Farbsättigung liefern.
Intelligent Imaging for Life: Mit dieser neuen, intuitiv bedienbaren Technologie lässt sich das Zuhause zur allgegenwärtigen Bildpräsentation nutzen. Die Technologie ermöglicht einen völlig neuen Umgang mit Fotos und Videos, die sich über eine interaktive Tischoberfläche oder an der Wand austauschen, zuschneiden und ausdrucken lassen.
Die Canon Expo 2015 hat einen interessanten Einblick in die Entwicklungsprojekte der verschiedenen Sparten von Canon gegeben. Mehr noch: Die Messe zeigte, dass Diversifikationen in jeder Richtung wahrscheinlich das Erfolgsrezept für die Zukunft darstellen und dass mit einer vielfältigen Nutzung neuer Technologien Produkte und Lösungen geschaffen werden können, die unser gegenwärtiges Vorstellungsvermögen übersteigen.
Urs Tillmanns (Text und Bilder)
Weitere Infos finden Sie unter www.canon-europe.com/expo/