In Davos ist das fotografische Schaffen des Expressionisten Ernst Ludwig Kirchner im gleichnamigen Museum ausgestellt. Kirchner hat die Fotografie intensiv genutzt, um seine Werke und Ausstellungen zu dokumentieren, aber auch als Inspirationsquelle für seine Gemälde. Mit der Ausstellung kommt ein bisher wenig bekannter fotografischer Nachlass ans Licht.
Ernst Ludwig Kirchner (1880-1938) ist nicht in erster Linie für seine Fotografien bekannt. Als Maler und Grafiker zählt er zu den bedeutendsten Vertretern des deutschen Expressionismus und nutze die Fotografie sowohl zur Dokumentation seiner und fremder Werke als auch als Inspirationsquelle ein, indem er Augenblicke und Situationen fotografisch festhielt, die er später auf der Leinwand in Linien und Flächen umsetzte.
Kirchner dürfte sich um 1908 ernsthaft mit der Fotografie befasst haben. Das war für die damaligen Maler keineswegs üblich, denn schliesslich war es noch nicht lange her, dass sich das neue Medium in der Gesellschaft durchsetzte und denn Porträtmalern ihren Broterwerb streitig machte. Und letztlich war es die Fotografie, welche die Malerei grundlegend beeinflusste und von der gegenständlichen Darstellung in abstrakte Stilrichtungen drängte.
Und doch gab es unzählige Maler, die sich für das neue Medium interessierten, nicht zuletzt um den Moment mit der Kamera festzuhalten, und das realistische Ergebnis kreativ in Gemälde zu abstrahieren. Auch Ernst Ludwig Kirchner gehörte dazu.
Der grösste Bestand von Ernst Ludwig Kirchners Werken ist im gleichnamigen Museum in Davos untergebracht, wo bis 1. Mai 2016 auch die Ausstellung «Der Künstler als Fotograf» zu sehen ist
Ernst Ludwig Kirchner kam 1917 in die Schweiz, nachdem er vom Ersten Weltkrieg schockiert eine Depression erlitt und sich in einem gesunden Klima erholen wollte. Kirchner zog Davos, das für eine besonders gute Luftqualität bekannt war und besonders Tuberkulosekranken Heilung versprach. Er wählte den Ortsteil Davos-Frauenkirch als seine neue Heimat und lebte bis zu seinem Tod im Wildbodenhaus. Hier, sowie in der malerischen Umgebung der Stafelalp, wo Kirchner eine Berghütte besass, sind viele seiner Fotografien entstanden – sei es als Erinnerungsbilder oder als Inspirationsquellen für seine kreativen Arbeiten.
Das Wildbodenhaus in Davos-Frauenkirch, Wohnhaus und Atelier von Ernst Ludwig Kirchner
Seine lange Zeit in Davos erklärt auch, weshalb ein Grossteil seiner Werke, sowie die meisten Dokumente, welche diese Schaffenszeit dokumentieren, in Davos archiviert sind. 1982 wurde eine Ernst-Ludwig-Kirchner-Stiftung gegründet und 1992 unter deren Patronat das Ernst Ludwig Kirchner Museum errichtet, das heute die wohl umfangreichste Sammlung von Kirchners Werke beherbergt, darunter auch der fotografische Nachlass des Künstlers.
Das fotografische Schaffen von Ernst Ludwig Kirchner
Die repräsentativsten Werke aus dem fotografischen von Nachlass Ernst-Ludwig-Kirchner werden thematisch geordnet und in zwei grossen Ausstellungsräumen präsentiert
Das Kirchner Museum Davos verfügt über einen umfangreichen Bestand an Glas- und Zellulose-Negativen von Ernst Ludwig Kirchner aus der Zeit von 1908 bis 1938. Die fotografische Sammlung des Museums umfasst insgesamt etwa 1500 Werke, zu denen neben den Negativen auch Vintage Prints (vom Künstler selbst hergestellte Abzüge) und Modern Prints (spätere Abzüge) gezählt werden.
Auch zwei Kameras, welche Ernst Ludwig Kirchner benutzte, sind in der Ausstellung zu sehen: eine Holzspreizenkamera 13×18 cm und eine Reisekamera für 18×24 cm-Platten
Durch eine umfangreiche Förderung des Schweizer Bundesamts für Kultur und des Kirchner Verein Davos wurde die komplette Erschliessung des fotografischen Bestands ermöglicht. Sämtliche Negative wurden digitalisiert und von jedem Negativ wurden hochwertige Silbergelatine-Abzüge in Museumsqualität hergestellt.
Die Fotografie war für Kirchner auch Inspirationsquelle. Den Beweis liefern zwei Fotos, welche Roswitha Schneider auf einem Pferd zeigen, die Kirchner offensichtlich zu seinem Gemälde «Reiterin» (1931) anregten
Ernst Ludwig Kirchner war, wie viele seiner Zeitgenossen, von den Möglichkeiten der Fotografie fasziniert und nutzte diese in unterschiedlicher Weise. In seinem Werk gibt es eine deutlich erkennbare Wechselwirkung zwischen Fotografie und Bildender Kunst, so dass man von einer geradezu «fotografischen Bildauffassung» sprechen kann. Seine Malerei wollte nicht länger abbildende Malerei sein und obgleich Kirchner ein herausragender Zeichner war, verwendete er die Fotografie als Vorlage, Gedächtnisstütze und optisches Hilfsmittel, um dezidiert fotografische Prinzipien (Weitwinkel, Nahaufnahme) in seiner Kunst umzusetzen.
Wozu hat Ernst Ludwig Kirchner die Fotografie benutzt?
«Die Photographien sind sehr anregend. Ohne direkt danach malen zu können, geben sie die sichere Gewähr der geschauten Form» schreibt Ernst Ludwig Kirchner am 5. Juli 1913 in sein Skizzenbuch. Der Bildbestand von Kirchner lässt sich in verschiedene Motiv- und Verwendungsgruppen unterteilen, nach denen die Bilder in der Ausstellung geordnet sind.
Ernst Ludwig Kirchner hat die Fotografie konsequent benutzt, um seine Werke und seine Ausstellungen zu dokumentieren
Er fotografierte auch Skulpturen, sei es seine eigenen oder diejenigen befreundeter Künstler. Viele der Skulpturen sind verschwunden, nicht so die Fotos …
Ein grosser Teil der Bilder zeigen auch gesellschaftliche Anlässe mit Verwandten und Freunden, oft im Wildbodenhaus oder in der Davoser Umgebung
Kirchner porträtierte gerne die Einheimischen von Davos und Umgebung …
… oder prominente Freunde aus der Künstlerszene
Die Ausstellung versammelt eine Auswahl von rund 300 fotografischen Werken und präsentiert Beispiele aus allen Genres, in denen sich Kirchner betätigt hat: von Akten und Atelierszenen über Porträts bis hin zu Landschaften und Sachfotografien.
Invalid Displayed Gallery
Diaschau mit einigen wichtigen fotografischen Werken von Ernst Ludwig Kirchner
Obwohl Kirchner sich nicht als Fotokünstler verstand, schöpfte er doch die Möglichkeiten des fotografischen Mediums umfänglich aus. Die Fotografie war für ihn ein Instrument der künstlerischen Findung und Erfindung und zugleich spiegelt sich in ihr die Vorstellung einer Inventarisierung der Welt im Lichtbild. Die Ausstellung bietet deshalb eine umfassende Gesamtschau des fotografischen Blicks im Werk von Ernst Ludwig Kirchner.
Copyright: Kirchner Museum Davos
Die Ausstellung über das fotografische Werk von Ernst Ludwig Kirchner ist noch bis 1. Mai 2016 in Davos zu sehen.
Buch und Katalog. Zur Ausstellung wird im Februar 2016 ein Katalog im Kehrer Verlag erscheinen. Bis dahin steht der umfassende Bildband «Das fotografisches Werk» mit über 300 Fotografien von Ernst Ludwig Kirchner zur Verfügung, der von Roland Scotti verfasst wurde und 2005 im Verlag Benteli erschien. Der Katalog kostet im Buchhandel CHF 58.– (ISBN 3-7165-1402-3). Er kann während der Ausstellungsdauer im Museumsshop für CHF 34.00 gekauft werden.
Allgemeine Informationen
Ausstellungsdauer: 22. November 2015 bis 1. Mai 2016
Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag, jeweils 11 bis 18 Uhr. Montags geschlossen
Öffentliche Führungen: Dienstags und sonntags jeweils um 16 Uhr
Informationen zu Veranstaltungen, Workshops etc. finden Sie auf der Website: www.kirchnermuseum.ch
Kirchner Museum Davos
Ernst Ludwig Kirchner Platz
Promenade 82
CH–7270 Davos
Tel. 081 410 63 00
Herzlichen Dank für diesen wertvollen Ausstellungshinweis! Ein Muss – glücklicherweise ist noch reichlich Zeit dafür.