Zur Zeit findet im Musée Elysée in Lausanne eine Retrospektive zum 100. Geburtstag von Werner Bischof statt. Dazu ist ein Bildband erschienen, der die frühesten Werke von Werner Bischof zum Inhalt hat, jene, die während seiner Ausbildungszeit an der damaligen Kunstgewerbeschule Zürich und in den Vierzigerjahren entstanden sind. Sie wurden bisher kaum gezeigt.
Das Schaffen von Werner Bischof ist in Büchern, Ausstellungskatalogen, Zeitschriftenartikeln und nicht zuletzt in vielen Beiträgen der Zeitschrift «Du» reichhaltig dokumentiert. Es sind Bilder, die uns heute noch ebenso bewegen, wie damals. Bischof pflegte eine sehr emotionale Fotografie und hat nach der Schule von Hans Finsler immer auf das Wichtigste in der Fotografie geachtet – auf das Licht. Der Einfluss Finslers findet man in den Bildern von Werner Bischof unverkennbar wieder: der harmonische Bildaufbau, das beherrschende Licht, die perfekte Schattenzeichnung und nicht zuletzt die Fähigkeit, mit wenigen Bildelementen einen starken Bildausdruck hervorzurufen.
Werner Bischofs Bilder faszinieren uns heute ebenso wie damals in den Vierziger- und Fünfzigerjahren, als Bischof die Welt bereiste, zunächst mit dem Fahrrad in das kriegszerstörte Europa, dann nach Asien und zuletzt nach Amerika – bis ihn 1954 ein Unfall in den peruanischen Anden jäh aus dem Leben riss. Viele von Bischofs Bildern sind Ikonen geworden, Bilder, die wir ewig in Erinnerung behalten und die uns an einen der grössten Schweizer Fotografen erinnern.
Doch Werner Bischofs Werk hat eine zweite, kaum bekannte Seite. Es sind seine frühen Aufnahmen aus den Dreissigern und den Kriegsjahren, in denen er als freischaffender Fotograf verschiedenste Themen konsequent bearbeitete. Nur wenige dieser Aufnahmen wurden vergrössert, geschweige denn in Ausstellungen bisher gezeigt. Werner Bischof hat die Kontaktkopien und Negative nummeriert und thematisch in alphabetischer Reihenfolge abgelegt. Jetzt, zum hundertsten Geburtstags des Fotografen, kommen diese Bilder ans Tageslicht – nicht nur in der Ausstellung im Musée Elysee, sondern ebenso im Bildband «Helvetica», der als wertvolle Dokumentation auch dann an das Frühwerk des Künstlers erinnern wird, wenn die Ausstellung schon lange Vergangenheit ist.
Was macht das Buch «Helvetica» so wertvoll? Es ist einerseits die Erstpräsentation der Werke aus der frühesten Schaffensperiode von Werner Bischof, es ist aber auch die Vielfalt dieser thematischen Arbeiten. Die Kontaktbögen in der Ausstellung aber nicht minder hier im Buch, zeigen uns, wie Bischof gearbeitet hat, wie er ein Motiv aus verschiedensten Blickwinkeln und Perspektiven erfasst, und wie er letztlich, mit Fettstift markiert eine definitive Auswahl traf und den endgültigen Bildausschnitt festgelegte. Dies führt uns einerseits in die Arbeitsweise des grossen Fotografen ein, anderseits sind aber diese Kontaktbögen eine hervorragende Schule für junge Fotografen, die mit Hilfe der Bildserien studieren können, wie sich ein grosses Vorbild mit seinem Motiven auseinandergesetzt und schliesslich ein Bild aus einer solchen Sequenz realisiert hat.
Einführend zu den Bildern sind drei Texte sehr informativ und lesenswert. Einmal das Vorwort der Direktorin des Musée Elysée Tatyana Franck, die generell auf die Bedeutung von Bischofs Lebenswerk eingeht, dann der Beitrag des Kurators Daniel Girardin, welcher sich intensiv mit der Persönlichkeit Werner Bischof und seiner Arbeitsweise auseinandersetzt und letztlich ein kurzes Interview mit Marco Bischof, der heute das Archiv seines Vaters verwaltet und meint, es wäre durchaus denkbar, dass noch weitere Bilder seines Vaters posthum Bedeutung erlangen könnten. Die Kontaktbögen liefern dazu schon einmal eine Auswahl, die sich lohnt genau angesehen zu werden.
«Helvetica» öffnet uns die Augen. Das Buch zeigt uns völlig neue Werke von Werner Bischof, ein zweites Oeuvre, das jetzt erst entdeckt wird. Es ist einerseits dem Musée Elysée und der Bildagentur Magnum zu verdanken, dass wir dieses Erbe von Werner Bischof zu sehen bekommen, und es ist anderseits das Verdienst des Verlages «Les Edition Noir sur Blanc», dass wir ein Dokument in den Händen halten, welches diesen neuentdeckten Bilderschatz von Werner Bischofs Schaffen verewigt.
Urs Tillmanns
Buchbeschreibung des Verlages
Werner Bischof ist ein Ausnahmetalent der Schweizer Fotografie. Nach seinem Studium an der Kunstgewerbeschule Zürich arbeitete er als Mode- und Pressefotograf. «Helvetica» präsentiert Bischofs Frühwerke, wobei die zwischen 1932 und 1945 angelegten, hier erstmals gezeigten Kontaktbögen im Vordergrund stehen. In ihnen treten seine Vorbilder, sein ästhetisches Gespür sowie seine Vorliebe für Abstraktion und Form zutage, bevor er sich der Reportagefotografie verschrieb und 1949 Mitglied von Magnum Photos wurde.
Der Inhalt
Abstraktion
Abstraktion Akt
Arbeiter
Bäume
Berge
Genfersee
Kinder
Landschaft
Mode
Nationalpark
Paläontologie
Pflanzen
Physik
PTT
SBB
Schuhe
Tiere
Volk
Wasser
Wintersport
Wolken
Zirkus
Bibliografie
Werner Bischof
Helvetica
148 Seiten, gebunden, fester Einband
mit einem Vorwort von Tatyana Franck
einer Einführung von Daniel Girardin
und einem Interview mit Marco Bischof.
Herausgegeben von Daniel Girardin
No. 1 Collection Musée Elysée, Lausanne
Format: 21 x 27,2 cm
Preis: CHF 42.00 / EUR 35.00
Verlag «Les Editions Noir sur Blanc» Lausanne / Paris
Das Buch wurde verlegt
auf Deutsch (ISBN 978-2-88250-420-3)
auf Englisch (ISBN 978-2-88250-419-7)
auf Französisch (ISBN 978-2-88250-418-0)
Das Buch ist im Shop des Musée Elysée oder im Buchhandel erhältlich.
Die Werner Bischof Ausstellung im Musée Elysée dauert noch bis 1. Mai 2016. Weitere Infos hierzu finden Sie unter www.elysee.ch
Lesenb Sie hier unsere Ausstellungsbesprechung «Werner Bischof Retrospektive im Musée Elysée» (21.02.2016)