Es gab nicht nur Farbfilme der bekannten Namen wie Agfa, Kodak oder Fujifilm, sondern auch sogenannte Vertriebs- und Hausmarkenfilme, etwa bei Migros, Coop, Quelle oder anderen Grossmärkten. Wer hat für wen diese Filme hergestellt? Was längst Geschichte ist, hat Filmexperte Gert Koshofer für Fotointern akribisch erforscht.
Ursprünglich waren Farbfilme nur unter Eigennamen ihrer Hersteller auf den Märkten. Die ersten «private labels», wie man sie in den USA und in England nennt, tauchten dort nach dem zweiten Weltkrieg aus alten Armeebeständen auf. Es handelte sich dabei auch um Luftaufnahmefilme vom Typ Ektachrome. Auf dem europäischen Festland begann die Entwicklung der Hausmarken 1956 mit den «Ikolor»-Filmen von Zeiss Ikon, offiziell hergestellt von Gevaert in Belgien. Anfang der 1960er Jahre begann sogar die Schweizer Filmfabrik Tellko, Fribourg, mit der Auslieferung von Hausmarkenfilmen, nämlich «Siricolor» und «Adina» nach Westdeutschland und «Merchrome» nach Dänemark. Die letzten Telcolor Negativfilme sollen nach einer dem Autor vorliegenden Information von Ferrania hergestellt worden sein. «Voigtländer» als weitere traditionsreiche Fotomarke tauchte ebenfalls wieder auf den Filmschachteln auf, schliesslich sogar «Rollei». Die Münchner Trockenplattenfabrik Kranseder (Marke «Kranz») und die ursprüngliche Fotopapierherstellerin Turaphot spielten bald ebenfalls eine wichtige Rolle. Am meisten waren aber die deutschen Handels- und Kaufhäuser Foto-Quelle International, Neckermann, Obergassner, Photo-Porst sowie die Ringfoto-Geschäfte daran beteiligt. Fotointern-Autor Gert Koshofer hat seit vielen Jahren Herkunft und Identität der Hausmarken-Farbfilme recherchiert und viele getestet.
Die Packungen der Hausmarkenfilme waren oft fantasievoller gestaltet als die ihrer Originale. Ihre Herkunft liessen sie fast nie erkennen. Die Diafilme trugen zumeist auf die Silbe «chrome» endende Namen wie die kleine internationale Zusammenstellung zeigt. Das Foto zeigt auch einige Raritäten.
Der «Dschungel» der Vertriebs- und Hausmarkenfilme ist kaum durchdringlich. Es fand immer wieder ein Wechsel der Bezugsquellen, oft auch ohne Änderung der Filmbezeichnung, statt. Sie wurden von vielen für Produkte des sie vertreibenden Unternehmens gehalten, doch stammten sie von internationalen Filmherstellern. Dabei gab es typische Verschiebungen bei den Bezugsquellen, zum Beispiel von Konishiroku (Japan) zu 3M (Italien) und von 3M zu Agfa-Gevaert sowie von dort zu Fujifilm. Das geschah manchmal nicht ohne Probleme. So stieg die Zeiss Ikon AG, Stuttgart, schon 1960 erbost aus dem Vertrag mit Gevaert (Belgien) aus, weil diese auch Foto-Quelle belieferten, wo Gevacolor als «Revue-Color» vertrieben wurde und dann Anscochrome-Filmen aus den USA wich. Agfa-Gevaert Leverkusen lehnte zunächst das Hausmarkengeschäft grundsätzlich ab und startete es schliesslich in Übersee, auch mit Filmen des inzwischen zur Agfa-Gevaert-Gruppe gehörenden Perutz Photowerks, München (in der Tabelle unerwähnt). Nach der Aufgabe des Perutz Color C18 Diafilms (1972) wurden Leverkusener Filme als preiswerte Angebote auch unter der Perutz-Marke vertrieben. Kodak hielt sich sehr lange vornehm zurück, doch wurden Kodak Kinefarbfilme wie zum Beispiel «Contec» und jetzt «ColorStill» von Vertriebsunternehmen in Kleinbildpatronen abgefüllt verkauft. Als Turaphot, mit amerikanischen Dynachrome-Filmen 1963/1964 in das Geschäft eingestiegen, eine neue Bezugsquelle suchte, empfahl der Autor erfolgreich Konishiroku im noch fernen Japan mit Sakurachrome und Sakuracolor. Dieser Hersteller wechselte nicht nur seinen Namen zu Konica und schliesslich Konica-Minolta, sondern 1999 auch den Inhalt seiner Konicachrome R-100 Diafilm-Schachtel: nun Agfachrome statt des eigenen Produkts. Agfa-Gevaert belieferte sogar seinen Schwarzweiss-Konkurrenten Ilford mit Farbfilmen.
Manchmal ähnelten die Schachteln der Farbnegativfilme denen der Diafilme.
Natürlich schlossen sich die Vertriebsunternehmen bald den international verbreiteten Kodak-Prozessen C-22 und C-41 (Negativfilme) sowie E-4 und E-6 (Diafilme) für die Filmentwicklung an. Auch diese Geschäftsaussicht war ein Grund für Agfa-Gevaert, das Farbverfahren zu wechseln, und nach der deutschen Wiedervereinigung für die Filmfabrik Wolfen (ORWO) und ihre kleinen Nachfolger Anlass, entwicklungskompatible Filme zunächst von Ferrania (Italien) hinzuzukaufen. Die erwünschte schnellere Verfügbarkeit von Filmen für die Kodak-Prozesse hatte Agfa-Gevaert veranlasst, vorübergehend um 1982 Fujichrome und Fujicolor Professionalfilme «packed in Germany» unter Agfa-Marken anzubieten. Schliesslich wiederholte sich dieser Vorgang ähnlich mit den heutigen lizenzierten «AgfaPhoto»-Filmen. Nicht den Kodak-Entwicklungsprozessen folgten anfänglich die Filme von Agfa-Gevaert und bis zuletzt die noch von Fotochema (CSSR) und Orwo (DDR) selbst hergestellten Filme, für die im Westen eigene Entwicklungslabore eingerichtet wurden.
Während Rollei Chrome tatsächlich von Agfa-Gevaert stammt, nämlich eigentlich ein Luftbildfilm ist, handelt es sich beim CTprecisa inzwischen um Fujichrome-Filme unter der lizenzierten Marke «AgfaPhoto».
Der Name «CineStill» sagt es schon: Es handelt sich eigentlich um Kinofilme, hergestellt von Kodak, darunter (rechts) auch ein Kunstlichtfilm.
Weil die Haus- und Vertriebsmarkenfilme preiswerter waren als die Originalfilme, legten besonders deren Hersteller Wert darauf, die Herkunft der Vertriebsmarken geheim zu halten. Sie war selten an Angaben wie «Made in Germany» oder «Made in EU», Prozessbezeichnungen wie zum Beispiel «CN-16» (Fujicolor) oder an Kleinbilddosen und Randsignierungen der Filme zu erkennen – jedoch oft an der Farbwiedergabe bei Dias. Die Qualität der Haus- und Vertriebsmarkenfilme ist schon lange den Originalprodukten ebenbürtig gewesen. Das war anfänglich nicht unbedingt so. Zum Beispiel war der erste «Kranz Color C18» Diafilm die zweite Wahl von Adox Color C18.
Tabelle der Hausmarkenfilme und ihrer Hersteller
Tabelle anklicken oder hier downloaden
Anmerkungen: Es sind nur Filme des europäischen Marktes gelistet. Ohne Länderkürzel handelt es sich um Vertriebs- und Herstellerfirmen aus der Bundesrepublik Deutschland.
Es bedeuten:
(D), «Chrome» und «Slide» = Diafilm;
(N), «Color» (soweit nicht D) und «Print» = Farbnegativfilm.
APS- und Disc-Filme sind nicht berücksichtigt
Die Quellen: Aufzeichnungen sowie Veröffentlichungen von Gert Koshofer, insbesondere historische Filmtabellen in der Zeitschrift «MFM» (1966-2002) und Marktübersichten seit 1963 in «Foto Magazin», «Color Foto», «Inpho», «Photographie», «fotoforum», «Fotointern» u. a. m. sowie aktuell in «PhotoKlassik» (III/2015).
Die Vollständig- und Richtigkeit aller Angaben kann wegen der Komplexität der Hausmarken-Situation nicht gewährleistet werden. Korrekturen oder Ergänzungen sind daher willkommen.
Gert Koshofer, DGPh
Geschichte der Hausmarkenfilme in PHOTODeal
PHOTODeal, die Zeitschrift für Photographica und Fotohistorie, hat in ihrer Ausgabe IV/2015 eine erste Version dieses Artikels abgedruckt. Diese unterscheidet sich von dem hier publizierten Beitrag darin, dass der Autor hier weitere Recherchen veröffentlicht, die auch speziell den Schweizer Filmmarkt betreffen.
Weitere Informationen zu PHOTODeal finden Sie unter www.photodeal.de
Endlich erfährt man mehr über das unübersichtlich Angebot der Hersteller.
Ich besitze auch einige Filmschachteln [ 24×36] aus den 60.-er Jahren bis heute
und würde einige davon verkaufen…
Hallo, ich scanne gerade meine alten Dias und erkenne bei manchen nicht mehr das Fabrikat. Bei Fuji ist es immer auf dem Randstreifen zu erkennen, bei Kodachrome auch manchmal, aber andere (z.B. POR) nicht. Wo kann man diese Info finden?
Vielen Dank,
Georg
Ein Riesenkompliment für diesen Artikel und die detaillierte Tabelle. Hut ab!
Nun weiss ich, was ich wirklich gekauft habe! Agfa gekauft und Fuji bekommen! Habe ca. 15.000 Dias digitalisiert und zum Teil erhebliche Veränderungen in der Bildqualität (bei gleicher Lagerung) festgestellt.
Vielen Dank und viele Grüße
Karl Kowalczyk