Urs Tillmanns, 22. Mai 2016, 21:46 Uhr

Fotobummel durch Wien

Nein, diesmal geht es nicht um die klassischen Sehenswürdigkeiten der Donaustadt, sondern um einige Plätze, die besonders für Sammler und Fotobegeisterte interessant sein dürften. Fotohistory.ch hat solche im Rahmen der alljährlichen Bildungsreise aufgesucht.

 

Fotohistory.ch, der Verein für die Erforschung der Geschichte des Fotohandels in der Schweiz, hat anfangs April 2016 seine alljährliche Bildungsreise nach Wien durchgeführt, nachdem sie letztes Jahr in Chalon-sur-Saône, Paris und Bièvres und vor zwei Jahren an legendären Orten in Leipzig und Wolfen war. Dabei geht es neben einem gesellschaftlichen Teil darum, fotogeschichtliche Hintergrundinformationen zu erhalten, was auch dieses Mal in Wien im Vordergrund stand.

 

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Georg Nyman (rechts) bespricht das Programm mit der Reisegruppe

In Wien zog die Gruppe nicht planlos alleine umher, sondern wir hatten das Glück von Georg Nyman betreut zu werden, der selbst an der «Graphischen» Fotografie unterrichtete und ein angesehenes Testlabor betrieb.

 

Für Kamerasammler – die Westbahnstrasse

Wien_Westbahnstrasse

Die Westbahnstrasse in Wien bringen sicher viele Leser gleich mit dem berühmten Auktionshaus und Galerie «Westlicht» in Verbindung. Dies ist sicher einer der wichtigsten Besuchsorte für Fotoliebhaber und Kamerasammler, aber bei weitem nicht der einzige. In der Westbahnstrasse gibt es ein halbes Dutzend Geschäfte, die alle auf den Handel mit Gebrauchtkameras und Raritäten spezialisiert sind.

 

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«Westlicht» und der Leica Store an der Westbahnstrasse

«Westlicht» an der Westbahnstrasse 40 besteht aus zwei Bereichen: Einmal ein Fachgeschäft für historische Kameras und Zubehöre mit dem angeschlossenen Leica Shop, dann aber auch aus einem Kameramuseum mit Fotogalerie und Auktionshaus. Beides wurde 2001 von Peter Coeln gegründet und gehört heute zur Leica Camera AG. Dem Konsortium angegliedert ist auch die Galerie «Ostlicht» in einer ehemaligen Brotfabrik an der Absberggasse 27, die ihren Schwerpunkt in zeitgenössischer Fotografe hat und eine umfangreiche Bibliothek beherbergt.

 

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«Westlicht» ist ein Eldorado für Kamerasammler. Hier findet man zeilenweise alle Arten von fotogeschichtlich interessanten und raren Kameras, begleitet von passenden Wechselobjektiven, Zubehörteilen bis hin zu irgendwelchen Gadgets oder Reklametafeln. Alles ist in Topzustand und funktionsfähig. Grundstein war die einstige Sammlung von Peter Coeln, die nicht zuletzt durch die rege Auktionstätigkeit nicht nur anzahlmässig sondern auch qualitativ auf ein sehr hohes Niveau gehoben wurde.

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Nicht nur Altes ist hier zu finden. Nachdem Leica Camera AG Westlicht vor ein paar Jahren übernahm, ist hier auch ein moderner Leica Shop angesiedelt, der – klein aber fein – alle aktuellen Produkte von Leica Camera führt.

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Durch einen Durchgang gelangt man ins Hintergebäude, in welchem im ersten Stock die Galerie und das Kameramuseum angesiedelt ist. Alleine schon das Museum ist die Reise nach Wien wert, denn hier sieht man zahllose Kostbarkeiten der Fotogeschichte, die man meist nur aus der Literatur kennt. Dazu gehören auch seltene Meilensteine, wie eine Giroux-Kamera von Daguerre, eine Petzval-Voigtländer-Kamera, jede Menge schönster und interessantester Plattenkameras aus Holz bis hin zu Prototypen und Einzelstücken, von denen es viele nie zu einem kommerziellen Produkt geschafft haben.

Bevor wir diese spannende «Fotostrasse» an der Westbahn verlassen, machen wir noch einen kurzen Abstecher schräg gegenüber von «Westlicht» zu «Camera 31ֿ». Franz Gibiser betreibt hier ein feines Verkaufsgeschäft von analogen Klassikern, seltenen Sammlerstücken bis hin zu digitalen Spiegelreflexkameras und ist auch regelmässig auf Fotoflohmärkten anzutreffen. Zudem unterhält er eine spannende Webseite www.camera31.com und verkauft hier viele Raritäten online.

 

Besuch bei der «Graphischen»

Unweit dieses Bezirks befand sich früher die «Königlich-kaiserliche Graphische Lehr- und Versuchsanstalt für Photographie und Reproduktionsverfahren» wie die Institution damals hiess, als sie 1889 gegründet wurde und das Wissenszentrum der Fotografie schlechthin war. Heute existiert diese «Graphische» noch immer, aber an der Leyserstrasse im Nordwesten Wiens.

 

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Die «Graphische» in Wien ist eine der bedeutendsten Ausbildungsstätten für Fotografie, Grafik und Kommunikationsdesign 

Josef Maria Eder 1887Die Institution hat eine überaus grosse fotogeschichtliche Bedeutung, die allerdings je länger je mehr in Vergessenheit zu geraten droht: Initiant der «Graphischen» und Leiter der fotografischen Abteilung war der Fotochemiker Josef Maria Eder (1855 – 1944). Mit seiner Forschungs- und Lehrarbeit hat er massgebend zur wissenschaftlichen Grundlage der Fotografie über den deutschen Sprachraum hinaus beigetragen, was in unzähligen Fachbüchern, Zeitschriftenartikeln und Jahrbüchern seinen Niederschlag fand.

 

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Heute geniesst die «Höhere Graphische Bundes-Lehr- und Versuchsanstalt (HGBLVA)» als berufsbildende höhere Schule mit Matura eine führende Institution für die Ausbildung von Druck- und MedientechnikerInnen, FotografInnen, Multimedia GestalterInnen sowie Grafik- und KommunikationsdesignerInnen. Die Schüler und Studenten werden in ergänzenden Fachrichtungen in visueller Kommunikation ausgebildet: In der Abteilung Graphik- und Kommunikationsdesign werden visuelle Konzepte entwickelt und gestaltet; in der Abteilung Fotografie und audiovisuelle Medien und Multimedia die dafür notwenigen Fotos von der Fotoidee bis zum fertigen Bild erarbeitet und in der Abteilung Druck- und Medientechnik werden die Druckprodukte reproduktionstechnisch geplant als fertiges Produkt realisiert.

 

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Der Besuch bei der «Graphischen» war sehr beeindruckend, vor allem weil es der Fotohistory-Gruppe möglich war Bereiche zu besichtigen, die den Studierenden vorbehalten sind. Wir konnten uns davon überzeugen, dass die Schule mit einer modernen Gerätschaft eingerichtet ist und damit den Lehrstoff unter industrie- und gewerbeüblichen Bedingungen vermitteln kann.

 

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Als einzig derartige Schule Österreichs sind die Ausbildungsplätze entsprechen begehrt, umso mehr als die Ausbildung in solchen Institutionen in Österreich für alle Studenten kostenlos sind. Übrigens beschränkt sich die Zulassung nicht auf österreichische Staatsbürger.

 

Das Technische Museum

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Technisch Interessierte sollten sich in Wien für das Technische Museum Zeit nehmen, das an der Mariahilfer Straße 212 in Wien-Penzing zu finden ist. Es präsentiert Exponate aus allen Bereichen der Technik, welche die Entwicklung sowohl technologisch als auch designmässig möglichst umfassend dokumentieren.

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Dabei werden sehr grosse historische Demonstrationsmodelle gezeigt, beispielsweise aus dem Bereich der Eisenbahn, des Schiffbaus, der Luftfahrt und der Industrie. Weiter beherbergt das Technische Museum eine der grössten Sammlungen historischer Musikinstrumente sowie eine umfassende Mediathek.

 

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Auch die Entwicklung von Fotokameras ist im Technischen Museum beeindruckend repräsentativ dargestellt mit zum Teil sehr seltenen und epochemachenden Exponaten. So ist auch hier eine Daguerre-Giroux-Kamera als gesamte Ausrüstung ebenso zu sehen wie ein Petzval- oder Dubroni-Equipment. Zudem gibt es eine ansehnliche Sammlung stereoskopischer Aufnahme- und Betrachtungsgeräte. Ebenso mit dabei sind verschiedene Miniatur- und Geheimkameras oder andererseits grosse Reprokameras im Bereich der Drucktechnik, die ebenfalls sehr gut dokumentiert und sehr sehenswert ist.

 

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Ein weiterer mitverwandter Bereich ist die gesamte Kommunikationstechnik, welche dem Besucher einen sehr guten Überblick über die massgebenden Entwicklungen der Datenübertragung, des Fernsprechwesens und der Datenübermittlung gibt.

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Für die unzähligen anderen hoch spannenden Exponaten im Technischen Museum bleibt für uns leider keine Zeit mehr. Wer an Technikgeschichte interessiert ist, sollte sich dafür mindestens einen Tag Zeit nehmen – oder besser noch längehr …

 

Die Hundertwasserfaszination

Was hat Hundertwasser, der recht umstrittene Designstil der 1960er/70er-Jahre, mit Fotografie zu tun? Ehrlich gesagt, nicht gerade viel – ausser man ist Fan dieser farbenfrohen und ungeraden Architektur im Wienerbezirk «Landstrasse» oder man besucht die Fotoausstellungen im unweit davon gelegenen Hunderwasser Museum. Ob man den Gebäudekomplex Ecke Kegelgasse und Löwengasse liebt oder verabscheut, ist Geschmacksache. Jedenfalls bietet diese ungewöhnliche Architektur eine Fülle von Motiven und ist für jemanden, der sich beruflich mit der Architekturfotografie verbunden fühlt, fast ein «must-see» in Wien.

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Will man mehr über diesen Stil und dessen Begründer Friedensreich Hundertwasser wissen, so lohnt sich der Besuch des nahe gelegenen Museum Hundertwasser. Es zeigt neben den permanenten Ausstellung zu seinem Leben und Werk auch temporäre Ausstellungen, meist einige davon mit fotografischen Themen. Noch bis 30 Juni 2016 sind die beiden Ausstellungen «Seen on Earth» mit Werken von Mandy Barker, Eduardo Leal und Simon Norfolk sowie die Themenausstellung «Climate Changes Everything 2» zu sehen, während die Bilder von Martin Parr «A Photographic Journey» noch bis 2. November gezeigt werden.

 

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Ausstellung «Seen on Earth» im Hundertwasser Museum, pyrographische Darstellung des Lewis-Gletscherschwunds in Afrika von Simon Norfolk

Natürlich bietet Wien noch viele weitere Sehenswürdigkeiten, die für Fotobegeisterte interessant sind, darunter auch die «Albertina» mit der grossen Fotosammlung, die wir uns für einen weiteren Besuch aufheben.

Text und Bilder: Urs Tillmanns
fotografiert mit der Lumix GX-80

Fotohistory.ch und Fotointern.ch danken Georg Nyman und der Leitung der «Graphischen» herzlich für die interessanten Führungen.

 

 

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