Die Fotokunst-Plattform «Bellevue» in Basel zeigt noch bis 26. Juni 2016 drei unterschiedliche Reportagen. Die Bildergeschichten zeigen verschiedene Lebensformen im Konvent-Krankenhaus St. Elisabethen in Lörrach, in Fessenheim nahe dem Atomkraftwerk und am Claraplatz mit einer Sozialszene, mit der man sich eigentlich nicht befassen möchte. Drei isolierte Geschichten, die jedoch mit einem spannenden thematischen Zusammenhalt faszinieren.
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Fabian Fiechter: «Weiss in Weiss»
Die Reportage von Fabian Fiechter zeigt das Leben der sechs noch im St. Elisabethen-Krankenhaus in Lörrach verbliebenen Ordensschwestern. Zu Höchstzeiten lebten und arbeiteten hier 44 Schwestern im Dienst an den Menschen im Krankenhaus. Damals war es weit verbreitet ein Leben im Kloster zu führen und viele der Schwestern entschieden sich schon in jungen Jahren dafür. Heute übernehmen die sechs noch verbliebenen Ordensschwestern ein Pflegepensum oder Seelsorgearbeit während des Genesungsprozesses der Patienten oder bei ihrer Trauer.
Fabian Fiechter meint: «Weiss ist keine Farbe, sondern ein Zustand. Weiss ist die Summe des Lichts und ein Zeichen für das höchste Bewusstsein. Weiss ist Verschwinden und Vollkommenheit zugleich».
Fabian Fiechter schloss 2010 seine Weiterbildung in Fotografie an der Schule für Gestaltung Basel ab, studierte anschliessend Fotojournalismus an der Hochschule Hannover und an der Danish School of Media and Journalism in Aarhus. Fotografisch beschäftigt er sich als freischaffender Fotograf mit dem Arbeits- und Lebensalltag von Menschen.
Roland Schmid: «Nahe am Kern»
40 km nördlich von Basel liegt Fessenheim. Fessenheim ist ein Kernkraftwerk und sorgt als solches immer wieder für Negativschlagzeilen. Fessenheim ist aber auch eine Gemeinde im Elsass. Was ist das für ein Dorf? Was leben dort für Menschen im Schatten des Kernkraftwerks? EDF, der Betreiber des Kernkraftwerks, liefert jährlich 5,5 Millionen Euro an Gewerbesteuern ab. Fessenheim geht es gut, seit 1962 hat sich die Bevölkerung verfünffacht.
Wäre nicht das Kernkraftwerk, Fessenheim wäre eine ziemlich durchschnittliche elsässische Gemeinde. Auf Gemeindegebiet befindet sich noch das Wasserkraftwerk Fessenheim am Rheinseitenkanal, ebenso eine Schleuse, welche Schiffe über die 12 m hohe Staustufe hebt. Eine einspurige Brücke stellt die Verbindung zum Autobahnanschluss 64b der Bundesautobahn 5 in Deutschland sicher. Es gibt 30 Vereine, eine Kirche (Sainte-Colombe) zwei Landwirtschaftsbetriebe und ein Kriegerdenkmal. Fessenheim kämpft für sein Kernkraftwerk. Immerhin geht es um etwa 2000 Arbeitsplätze. Dennoch macht sich die Gemeinde auch Gedanken über die Zeit danach. Hoffnung macht das Unternehmen Tesla, welches allenfalls ein Automobilwerk in Fessenheim errichten will. Die Verhandlungen laufen.
Roland Schmid, *1966 in Basel, hat einen Fotografenlehre bei Hugo Jaeggi in Burg i. L. gemacht und arbeitet als freischaffender Fotograf mit den Schwerpunkten Reportage und Porträt für zahlreiche nationale und internationale Zeitungen und Magazine, für Hilfswerke und Firmen.
Tjefa Wegener: «Treffpunkt Sarg»
Randständige, Asoziale, Suchtkranke, SozialbezügerInnen … Es gibt einige Synonyme, die gebraucht werden, um Menschen zu beschreiben, die nicht in ein bürgerliches Schema passen. Schmeichelhaft sind diese Ausdrücke aber nicht. Wir befinden uns am Claraplatz in Basel, genauer gesagt beim Sarg. So wird der grauer Klotz neben dem Kiosk von den Menschen, die hier ihre Zeit verbringen, liebevoll genannt. Es ist ein Zusammenkommen unter Freunden, es wird getrunken, gelacht und geschwatzt.
Man distanziert sich nicht nur emotional von den «Randständigen», man macht einen Bogen um sie. Wenn es nach gewissen BewohnerInnen geht, würde man sie am liebsten an den Stadtrand verfrachten. Aus dem Auge – aus dem Sinn. Das Problem ist gelöst, die Stadt ist sauber. Dass dies eine Illusion ist, sollte allen klar sein. Dennoch werden immer wieder Stimmen laut, den Sarg zu entfernen und diesen Ort neu zu gestalten, ihn also «aufzuwerten». (Text von Sabrina Tschachtli)
Tjefa Wegener, *1986 in Basel, ist im Sommer Sennerin auf der Alp und lebt im Winter in Basel als freischaffende Fotografin. Fotografie, vor allem Aktfotografie, begleitete Tjefa Wegener schon früh in ihrem Leben. An der Ostkreuzschule in Berlin (2008–2011) entdeckte sie die Reportagefotografie. Es folgten zwei Reportagereisen nach Mexiko (2010 und 2012).
Bellevue Öffnungszeiten: Samstag/Sonntag 11:00 bis 17:00 Uhr
Ausstellungsdauer: Sonntag 22. Mai bis Sonntag, 26. Juni 2016
Gespräch mit den FotografInnen: 8. Juni, 20 Uhr
Führungen: 5./12./19. Juni, jeweils 14 Uhr, 12. Juni, 15 Uhr in Gebärdensprache
Referat: Meinrad Schade, Fotograf, Mittwoch, 1, Juni 2016, 20:00 Uhr,
über sein Projekt «Krieg ohne Krieg» – vor, neben und nach dem Krieg – fotografische Spurensuche an den Rändern der Konflikte. Eintritt frei
BelleVue – Ort für Fotografie
Breisacherstrasse 50 (im Hinterhof)
CH 4057 Basel
Termine weiterer Fotoveranstaltungen, Ausstellungen, Workshops, Fotobörsen, Reisen und Wettbewerbe finden Sie laufend aktualisiert auf www.fotoagenda.ch