Am Donnerstag, 30. Juni 2016 war die offizielle Eröffnung des Leica Stores in Genf. Dies bot Fotointern.ch Gelegenheit Dr. Andreas Kaufmann, Vorsitzender des Aufsichtsrates der Leica Camera AG, Wetzlar, einige Fragen zu stellen. Fragen zur Technik, zu den Produkten und nicht zuletzt auch zur Synergie von Fotografie und Smartphones.
Fotointern: Herr Dr. Kaufmann, zuerst eine Frage zur Aktualität: Wie war ihre Reaktion auf den Brexit, und was könnte dieser für Leica und die Fotoindustrie für Folgen haben?
Dr. Andreas Kaufmann: Gar keine! Ich glaube, die Briten werden bleiben! Es ist nicht denkbar, dass Grossbritannien nicht mehr in der EU ist, zumal dann in der Europäischen Union Deutschland und Frankreich viel zu stark würden. Zudem laufen die UK Gefahr am Brexit auseinanderzubrechen, lassen sich doch die Befürworter und Gegner in deutlich abgegrenzte Regionen aufteilen.
Für Leica hat der Brexit kaum einen Einfluss. Der englische Markt ist ein nicht besonders starker, und wir sind derzeit gerade dabei diesen zu reorganisieren. Die erste Reaktion auf den Brexit ist eine Währungshysterie und eine Talfahrt an den Börsen. Dies dürfte eine kurz andauernde Erscheinung sein, und wir von Leica sind uns gewohnt im internationalen Geschäft mit Währungsschwankungen umzugehen: Der Schweizerfranken hat uns genügend Kopfzerbrechen bereitet, wir gleichen den US-Dollar im Amerikageschäft mit dem Euro aus, und viele unserer Lieferanten bezahlen wir in Yen.
Sie eröffnen heute einen neuen Leica Store in Genf. Weshalb Genf?
Weil Genf eine internationale Ausrichtung und Bedeutung hat. Hier sind viele internationale Organisationen ansässig. Genf hat einen wichtigen Flughafen und Genf ist Grenzstadt mit Frankreich. Zudem ergab sich hier die ideale Gelegenheit ein bekanntes bestehendes Fotogeschäft – als eines der letzten in dieser Stadt – vor dem Schliessen zu bewahren.
Im neuen Leica Store: Dr. Andreas Kaufmann mit Gülten Baumann, Direktorin von Leica-Camera Schweiz AG und Antonio Puig, dem früheren Geschäftsinhaber von Euro Photo in Genf
Glauben Sie nicht, dass Ihr Konzept eigener Verkaufspunkte bei anderen Kunden, sprich Fotohändlern, schlecht ankommt?
Nein. Schauen Sie, wir haben weltweit rund 300 Verkaufspunkte. 20 Prozent davon sind unsere eigenen Geschäfte, 80 Prozent die Läden unserer Partner. Schon von daher weicht dieses Prinzip von einem klassischen Franchising ab. Bei unseren früheren Handelspartner Hermès beispielsweise war das Verhältnis gerade umgekehrt: 70 Prozent waren eigene Shops und 30 Prozent diejenigen von Partnern. Kommt noch hinzu, dass in vielen Ländern der klassische Fotohandel, wie er in der Schweiz glücklicherweise und fast als Ausnahme noch existiert, in anderen Ländern längst durch andere Vertriebsformen verdrängt wurde. Dort bringen solche Stores eine sehr willkommene Verkaufsebene zurück.
20 Prozent sind ihre Stores, bei Hermès waren es 70. Wo liegt Ihr Ziel?
Das sind natürlich völlig andere Produkte, die auch anders vertrieben werden müssen. Vielleicht werden es bei uns einmal 30 Prozent eigener Stores werden, mehr kaum. Wir brauchen unsere Partner, weil sie motiviert sind für Leica zu arbeiten und ein gut funktionierendes Netzwerk mit ihren Kunden pflegen.
Eine Frage zu Ihrem jüngsten Kind, der Leica SL. Nachteil, vor allem für die Profis, sind die noch fehlenden Objektive. Ist es Ziel von Leica das System mit Adaptern für andere Objektivmarken zu öffnen?
Ziel sicher nicht. Lassen Sie es mich so erklären: Eine Kamera zu entwickeln ist eine vergleichsweise geringe Investition neben der Schaffung einer ganzen Objektivpalette. Wir haben bisher zwei Objektive vorgestellt, ein drittes ist in der Pipeline. Dahinter steht eine ganze Reihe weiterer Objektive, die wir zur und nach der Photokina in schneller Kadenz einführen werden. Die Idee der Adapter ist eine ganz andere: Sie sind in erster Linie dazu da, dass Fotografen die Objektive anderer Marken an der Leica SL ausprobieren und mit ihrer bekannten Qualität vergleichen können. Wir haben auch beim Konzept des Sensors darauf geachtet, dass andere Objektive an der Kamera eingesetzt werden können, vor allem alle unsere M-Objektive.
Besteht dabei nicht die Gefahr, dass Leica die Kontrolle über die Qualität verliert, wenn ungeeignete Objektive an der SL verwendet werden?
Bedingt. Anderseits scheuen wir den Vergleich nicht. Wir kennen unseren Sensor, und wir wollen, dass sich angehende Kunden unter ihren Voraussetzungen von der Qualität unserer Produkte überzeugen können.
Weshalb geben Sie eigentlich bei Ihren Objektiven die Auflösungsgrenze in Megapixel nicht an? Für den Kunden wäre dies ein sehr wesentliches Kaufentscheidungsmerkmal.
Weil sich diese Grenze nicht eindeutig festlegen lässt und sie auch von der Konstruktion des Sensors abhängt. M-Objektive schaffen etwas über 30 Megapixel, was vergleichsweise viel ist, doch müssen die S-Objektive 50 oder 60 Megapixel auflösen können. Die Auflösung in Beziehung zum Sensor ist keine feste Grösse, wie beispielsweise Lichtstärke oder Brennweite.
Leica setzt mit der M und der SL stark auf spiegellose Systeme. Könnte es eine spiegellose S geben, ähnlich wie dies Hasselblad jetzt gezeigt hat?
Machbar ist alles. Die Frage ist bloss wie gross der Markt ist und ob sich eine solche Investition rechnet. Zudem ist bei der Leica S das Sucherbild über den Spiegel unvergleichbar besser als ein elektronisches System. Wir haben in die Leica S sehr viel einzigartige Technologie verbaut, und wir betrachten Sie in ihrer Klasse als State-of-the-Art. Intern haben wir noch kein Entwicklungskonzept, das mehr bietet als die Leica S.
Und doch hat sie einige Mühe im Profimarkt Fuss zu fassen …
… weil der Mittelformatmarkt von vielen Anbietern überschätzt wird. Es gibt verhältnismässig wenig Berufsfotografen, welche genügend lukrative Aufträge haben, um in ein derartiges System investieren zu können. Wir wissen auch wo die Schwachpunkte sind, die wir in nächster Zeit ausmerzen wollen: Sie liegen nicht beim Produkt und in der Technik, sondern bei den Dienstleistungen. Profis erwarten einen weltweiten 24-Stunden-Service, und viele sind auf einen Rent-Service angewiesen, den wir bislang noch nicht bieten konnten. Hier sehen wir noch einen grossen Handlungsbedarf.
Zum Schluss noch eine Frage zu einem Leica-Produkt, das nicht aus Ihrem Hause kommt, zum Smartphone P9 von Huawei. Was ist daran wirklich von Leica?
Das ist eine spannende und zukunftsreiche technologische Zusammenarbeit. Natürlich werden die Kamera oder die Objektive dazu nicht bei Leica gemacht. Auch nicht bei Huawei, sondern bei einem Zulieferer, wie das in China vielfach der Fall ist. Aber der Herstellung ging eine siebenmonatige intensive Kooperation voraus von zwei sich sehr wohl ergänzenden Technologieunternehmen. Wir haben dabei unsere Erfahrung im Bereich der Optik und der Algorithmen eingebracht, und Huawei hat einen Partner präsentiert, der die Kamera genau nach unseren Vorgaben herstellen konnte. Deshalb darf das Produkt auch unsere Objektivmarke «Summarit» tragen. Hinzu kommen noch viele weitere Leica-Entwicklungen, die im P9 zu finden sind, die Menüstruktur der Kamera zum Beispiel oder die Idee mit den Zwillingskameras, von denen eine eben Leica-tyisch auf Monochrom ausgelegt ist.
Können wir aus dieser Zusammenarbeit noch mit weiteren Huawei-Handys mit Leica-Technologie rechnen?
Sicher. Das P9 ist der Anfang einer Zusammenarbeit, die auf einem Fünfjahresvertrag basiert. Smartphones sind das Substitut der Kompaktkameras. Jeder hat es stets dabei, und es wird mit dem Gerät viel mehr fotografiert als telefoniert. Das Smartphone bringt Millionen von Menschen die Fotografie als wichtigstes Kommunikationsmittel näher, und das ist für uns als Kamerahersteller eine unverzichtbare Synergie.
Herr Dr. Kaufmann wir danken Ihnen für dieses Gespräch.
Interviewführung und Bilder: Urs Tillmanns
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«Leica Camera AG eröffnet in Genf zweiten Leica Store der Schweiz», Fotointern 14.06.2016, 07:00