Das Fotoapparatemuseum in Vevey liegt mit seiner Buchreihe im Zeitplan. Nach dem ersten Band «Die Anfänge der Fotografie (Aux origines de la photographie)» im Juni ist jetzt der zweite Band über das Zeitalter der Fotoplatten erschienen. Das Buch befasst sich mit der interessanten Epoche als nicht mit Film, sondern mit grossformatigen Glasplatten fotografiert wurde.
Nach den Primärverfahren, der Daguerreotypie, Ambrotypie, Kalotypie und Varianten davon, gelang es 1851 dem Engländer Frederick Scott Archer und zwanzig Jahre später dem englischen Arzt Richard Leach Maddox die lichtempfindliche Schicht auf Glasplatten haften zu lassen. Beide Verfahren, die anfänglichen Kollodiumplatten, die man allerdings gleich nach der Aufnahme entwickeln musste, und die Silbernitrat-Gelatineplatte von Maddox, stellten Meilensteine der Fotografie dar, denn es war fortan möglich beliebig viele Kopien im Kontaktverfahren herzustellen, wie der Kunde wünschte oder wie sich verkaufen liessen. Und dies in einer viel besseren Qualität und mit kürzeren Belichtungszeiten als mit dem Papierverfahren von Henry Fox Talbot, der Kalotypie.
Die Glasplatten waren von rund 1875 bis in die 1930er Jahre und später in der Berufsfotografie das übliche Medium. Zwar setzte sich in der Amateurfotografie nach 1880 der Rollfilm und nach 1925 der Kleinbildfilm allmählich durch, doch die meisten Berufsfotografen waren noch lange im letzten Jahrhundert mit ihren grossen Holzkameras unterwegs oder benutzten solche in ihren Studios für Porträts, Ganzpersonen- oder Gruppenbilder. Noch lange war es üblich die Platte in der Grösse des vom Kunden gewünschten Bildformats zu wählen, um vom Glasnegativ im Kontaktverfahren den gewünschten Abzug herzustellen. Dies obwohl die Vergrösserungstechnik, die zwar theoretisch schon seit 1857 (Solarkamera von David A. Woodward) bekannt war, sich erst mit dem Aufkommen der Roll- und Kleinbildfilme durchsetzte. Wer etwas auf sich hielt oder sich die angeblich schlechteren industriell hergestellten Platten nicht leisten konnte, der goss die Platten sogar selbst, was etwas handwerkliches Geschicklichkeit und viel Übung erforderte.
Nun ist dieser fotohistorische Exkurs etwas länger geworden als eigentlich gedacht. Aber man kann sich gut vorstellen, dass in dem langen Zeitraum, in welchem mit Glasplatten fotografiert wurde, eine Menge interessanter Kamerakonstruktionen mit den notwendigen Zubehören auf den Markt kamen, von denen alle wichtigen heute im Kameramuseum in Vevey zu sehen, und von denen viele in diesem neuen Buch dokumentiert sind.
Dem Buch liegt die gleichnamige Ausstellung zugrunde, die im Mai 2012 im Kameramuseum Vevey gezeigt wurde. Es ist Teil einer Buchreihe von sieben Bänden, welche das Museum bis Mitte 2018 herausbringen wird. Die einzelnen Bände sollen einerseits thematische Führer durch die permanente Ausstellung sein, anderseits aber auch interessante und hervorragend bebilderte Nachschlagewerke zu spezifischen Themen der Fotogeschichte.
Die Bücher sind sehr schön gestaltet und enthalten einen informativen, vom Kuratoren-Ehepaar sehr kompetent verfassten Text. Schade, dass dem Kameramuseum die Mittel fehlen, die Buchreihe auch in anderen Sprachen herauszubringen und diese über einen Verleger im Buchhandel zu vertreiben. So reduziert sich, wenigsten zum gegenwärtigen Zeitpunkt, das Interesse auf jene Leser, die Französisch verstehen.
Man darf jetzt schon auf die fünf weiteren Bände gespannt sein, die in den nächsten zwei Jahren sukzessive erscheinen werden. Das nächste Buch ist, als Gegenstück zu den Glasplatten, dem Jahrhundert der Filme gewidmet; es soll bereits kurz vor Weihnachten erhältlich sein.
Urs Tillmanns
Buchbeschreibung
Der zweite Band umschreibt die Zeit, als in den Kameras noch keine flexible Filme sondern grosse und schwere Glasplatten belichtet wurden. Es gab eine Menge verschiedenster Verfahren, von denen einige die umständliche Entwicklung vor Ort in einem Dunkelzelt notwendig machten. Das Buch umschreibt die verschiedenen Verfahren und zeigt die dazu benutzten Kameras aus der Sammlung des Museums in Grossaufnahmen.
Der Inhalt
Sommaire (Inhalt)
Avant-propos, Jean-Pierre Mottier (Vorwort)
Préambule (Präambel)
Au temps des plaques – Introduction (Das Zeitalter der Fotoplatten – Einleitung)
La plaque au gélatino-bromure (Die Bromsilber-Gelatineplatten)
Les premiers instantanés (Die Sofortbild-Papiere)
Viser (Sucher)
Mesurer la lumière (Die Belichtungsmessung)
La mécanique entre en photographie (Die Mechanik als Hilfsmittel der Fotografie)
Les nouveaux outils du photographe (Die neuen Werkzeuge des Fotografen)
Les appareils espions (Die Spionagekameras)
Le Photosphère (Die Photoshère)
La jumelle photographique (Die Foto-Feldstecher)
La photographie stéréoscopique, Jules Richard (Die Stereo-Fotografie von Jules Richard)
Au deux millième de seconde (Zweitausenstel Sekunde)
La photographie à l’éclair de magnésium (Die Fotografie mit Magnesium Blitzpulver)
L’image en mouvement (Das Bild hält die Bewegung fest)
• Eadweard Muybridge et la restitution du mouvement (Die Bewegungsanalyse von Eadweard Muybridge)
• Emile Reynaud et l’image animée (Das bewegte Bild von Emile Reynaud)
• Des machines à faire bouger les images (Maschinen um Bilder zu bewegen)
• Ottomar Anschütz perfectionne le zootrope (Ottomar Anschütz perfektioniert das Zootrop)
Le portrait photographique (Das Foto-Porträt)
La carte de visite (Die Carte-de-Visite)
Les appareils à images multiples (Kameras für Mehrfachbilder)
La photographie judiciaire (Die Kriminalfotografie)
La photographie mesure le paysage (Die Vermessungsfotografie)
Les appareils à longue distance (Die Kameras für grosse Distanzen)
La photographie aérienne (Die Luftbildfotografie)
Le rayon X (Die Röntgenfotografie)
Photographier le tout petit (Bilder kleinster Objekte)
L’optique photographique (Die fotografische Optik)
L’Ermanox se joue de la pénombre (Die Ermanox im Zwielicht)
Le laboratoire du photographe vers 1900 (Das Fotolabor um 1900)
Les activités du photographe amateur (Die Beschäftigungen der Amateurfotografen)
Photographier en couleurs (Fotografieren in Farbe)
• La trichromie (Die Dreifarben-Fotografie)
• La méthode interférentielle de Gabriel Lippmann (Das Interfrerenzverfahren von Gabriel Lippmann)
• Le procédé ALL Chroma des frères Lumière (Das ALL Chroma Verfahren der Gebrüder Lumière)
• L’autochrome des frères Lumière (Das Autochrom Verfahren der Gebrüder Lumière)
• Les autochromes du Musée suisse de l’appareil photographique (Die Autochrom-Bilder des Schweizer Kameramuseums)
• Les procédés à réseau (Die Linienraster-Verfahren)
L’impression de la photographie (Gedruckte Fotografien)
Reproduction et similigravure (Reproduktion und Rasterdruck)
Les photochromes (Die Photochrom-Bilder)
Bibliographie choisie (Bibliografischer Quellennachweis)
Index des noms propres (Sachwortverzeichnis)
Crédit photographique, remerciements, abréviations (Autorenhinweise, Verdankungen, Abkürzungen)
Die Autoren
Pascale und Jean-Marc Bonnard Yersin leiten als Kuratorenehepaar das Schweizertische Kameramuseum in Vevey seit 1989. Sie haben in diesem Vierteljahrhundert nicht nur den Bestand der Sammlung wesentlich erweitert und zahlreiche Ausstellungen professionell gestaltet, sondern sie verfügen über eine aussergwöhnlich hohe Sachkompetenz in allen Sparten und Epochen der Fotogeschichte.
Bibliografie
Pascale et Jean-Marc Bonnard Yersin
«Au temps des plaques»
Nr 2 der Buchreihe «Les Yeux des Photographes»
120 Seiten, gebunden, Softcover
reichhaltig vierfarbig illustriert
Sprache: französisch
Format: 20 x 23 cm
Preis: CHF 25.– (zzgl. Versandkosten)
Subskription für das Gesamtwerk: CHF 135.–
Eigenverlag des Schweizer Kameramuseums Vevey
ISBN 978-2-9701069-1-3
Wo beziehen?
Jeder Band wird für CHF 25.– im Schweizerischen Kameramuseum in Vevey bestellt werden können. Die beiden ersten Bände ist bereits erhältlich, der dritte noch vor Weihnachten. Derzeit läuft eine Subskription für das Gesamtwerk für CHF 135.– welche einen Schuber für alle sieben Bände einschliesst. Bitte beachten Sie, dass alle Publikationen in französischer Sprache erscheinen. Übersetzungsausgaben sind derzeit nicht vorgesehen. Mitglieder des Schweizer Kameramuseums haben Vergünstigungen. Details zur Buchreihe finden Sie in diesem pdf oder sie erhalten Auskunft beim
Schweizerischen Kameramuseum
Grande Place 99, CH-1800 Vevey, Tel. 021 925 34 80