Die Fotografie ist unaufhörlich im Wandel. Nur schon in den letzten zwei Jahren, seit der letzten photokina, hat sich die Fotowelt verändert – allerdings nicht nur zum Guten. Wo steht die Fotobranche heute, und welche Trends zeichnen sich ab?
2016 ist photokina-Jahr. Da ist es mal wieder angebracht, ein wenig über den Tellerrand der Neuankündigungen zu blicken und zu schauen, wie sich die Welt der Fotografie weiter entwickeln könnte. Was sich schon jetzt deutlich abzeichnet, ist der Eindruck, dass die Entwicklung der letzte Jahre, die sich vielfach auf die Steigerung der Pixelzahlen kaprizierte, so nicht erfolgreich weitergeführt werden kann. Schon heute zeichnen sich die meisten neuen Kameras in erster Linie dadurch aus, dass sie deutlich teurer als die Vorgänger geworden sind. Das mag den Wechselkursschwankungen geschuldet sein oder einem Erdbeben. Neueinsteiger werden durch die aktuell aufgerufenen Preise eher abgeschreckt. Zudem hat der Fotohandel heute mit der Tatsache zu kämpfen, dass sein Informationsvorsprung, den er in der Vergangenheit hatte, in vielen Fällen stark geschrumpft ist. Oft ist der Kunde sogar besser informiert als der Verkäufer. Information ist ja rund um die Uhr und gratis für alle online verfügbar.
Der Fotomarkt entwickelt sich seit 2011 weltweit stark rückläufig, während die Smartphones auf höheren Niveau massiv zulegen. Allerdings scheint auch hier eine gewisse Marktsättigungsgrenze erreicht zu sein
Die Flops der letzten Monate
Ein kurzer Blick auf die Abgänge der letzten Monate zeigt ziemlich deutlich, welche Entwicklungen sich als Holzwege herausgestellt haben. Da ist zum einen die gefühlt mindestens vierte Welle der Stereo- oder 3D-Fotografie, die jedoch sehr schnell wieder sang- und klanglos in der Versenkung verschwunden ist – nicht nur in der Fotografie, auch bei TV.
Lichtfeldfotografie: Vor vier Jahren Hoffnungsträger – heute spricht niemand mehr davon.
Auch die Lichtfeldfotografie, die dem Nutzer die nachträgliche Bildfokussierung schenken sollte, hat sich auf industrielle Anwendungen zurückgezogen. Dem Endverbraucher war das mit den Kameras erzielbare Ergebnis den Preis der Kameras nicht wert. Zudem beschränkte sich die Kommunikation zum Lichtfeldsystem auf die begeisterten Kommentare von Technik-Freaks, die mit den Kameras ihr neues Spielzeug gefunden hatten.
Was wird aus den Höhenflügen von Action Cams und Fotodrohnen?
Bei Action Cams hat der ehemalige Platzhirsch GoPro deutlich Federn lassen müssen. Er hat inzwischen mit zahlreichen Nachahmern zu kämpfen, deren Produkte nicht schlechter, aber deutlich preiswerter sind. Dennoch: Action Cams sind derzeit der Erfolgsbereich der Fotobranche, mit denen in Hobby und Freizeit, aber auch beim Sport und Abenteuer erlebtes lückenlos aufgezeichnet wird – inzwischen auch in 4K-Qualität.
Profigerät oder Spielzeug? Hängt der Himmel wirklich bald voller Drohnen?
Wie sich die Multicopter als derzeit trendiges Produkt auf mittlere Sicht am Markt etablieren, ist derzeit nicht wirklich abschätzbar. Zwar soll sich das Angebot der fliegenden Kameras zwischen 2010 und 2016 von 171 auf 561 Modelle mehr als verdreifacht haben, wie der Herstellerverband UVS International berichtet. Ob sich das Geschäft auf Dauer für die Anbieter lohnt, ist jedoch durchaus fraglich. Die Zeiten des Wilden Westens, wo jeder Interessent weitgehend unbelastet von staatlichen Regulierungen seine Fotodrohne gen Himmel steigen lassen konnte, gehen zu Ende – im einen Land schneller, im anderen etwas gemächlicher.
Virtual und Augmented Reality
Mit dem Hype um PokemoGo ist neben der Augmented Reality auch die Virtual Reality ins öffentliche Interesse getreten. Der technische Aufwand für eine professionelle Umsetzung wird jedoch die meisten Anwender davon abhalten, sich näher mit der Entwicklung von Inhalten zu beschäftigen.
Virtual- und Augmented Reality – ob der Trend anhält, oder sich auf technisch-wissenschaftliche Anwendungen beschränkt?
Der Mehrheit wird der Konsum der einschlägigen auf den Smartphones laufenden spielerischen Anwendungen wohl genügen. Für Kamerahersteller und den einschlägigen Fotohandel bleibt da wenig übrig.
Welche Hersteller kümmern sich um den Nachwuchs?
Jedes Kind hat heute sein eigenes Smartphone. Damit beackert es die Social Media und schiesst Fotos aus seinem Umfeld, die dann auf dem schnellsten Weg online gestellt werden. Bevor diese Anwender etwas vom Thema Workflow gehört haben, haben sie diesen meist schon weiter optimiert, als die meisten ausgewachsenen Fotografen. Aber auch sie nutzen zunehmend Smartphones für die Aufnahme von Bildern und Video-Clips. Die Ergebnisse werden dann automatisch in Online-Speicher hochgeladen und die Redaktionen können sich auf dem schnellsten Weg aus diesem Speicher bedienen. Einfacher geht es kaum. Was bei den Smartphones gängig ist, kann man nicht nur bei den Einsteigerkameras, sondern auch den meisten hochwertige Kameras suchen.
Kinder gehen spielerisch mit ihrer faszinierenden Bilderwelt um. Die Bildqualität hat ein neues Level erreicht, das genügend gut ist
Die Nutzer bleiben dann lieber beim vertrauten Smartphone und finden keinen Übergang zur Fotografie mit einem Fotoapparat. Der koreanische Hersteller Samsung, der neben seinem Engagement im Smartphone-Markt auch im Bereich der Fotografie engagiert war, hatte in der Vergangenheit mehrere Versuche eines Brückenschlags zwischen Smartphone und Fotoapparat unternommen. Am Ende hat sich Samsung auf die Smartphones konzentriert und dem Fotomarkt zum vierten Mal Adieu gesagt.
Den Einsteigern fehlt der Einstieg
Das Hauptproblem für Hersteller und Handel liegt heute im Einsteiger-Sortiment. Digitale Kompaktkameras, Bridgekameras und die einfacheren, preiswerten Modelle der Systemkameras und DSLRs ziehen immer weniger Interesse auf sich. In vielen Fällen ist es inzwischen interessanter, ein höherwertiges gebrauchtes Modell der letzten Generation zu kaufen, als das aktuelle Consumer-Modell. Oder man nutzt eine vorhandene Kamera, deren Handhabung man sich im Laufe der Jahre erarbeitet hat, einfach weiter. Beim Fotohändler schaut man dann für Jahre nicht mehr vorbei. Auch sind, gerade für die junge Zielgruppe, Kameras zu wenig sexy. Design ist wichtig – gerade bei jungen Käufern! Kameras sehen heute verwechselbar gleich aus wie vor zehn Jahren, und kaum einer kann mit einer neuen Kamera bei seinen Freunden auftrumpfen. Mit dem neuesten Smartphone hingegen schon … Design ist wichtig! Ein pfiffiges Design, das junge Leute anspricht. Ob sie wirklich auf den Trend des Nostalgie-Designs abfahren, wird die Zukunft zeigen.
Smartphones sind Alleskönner. Die unzähligen und vielfältigen Apps sind in der heutigen Kommunikationswelt unverzichtbar geworden
Sofortbild als Einstieg in eine greifbare Welt der Fotografie
Mit den Erfolgen der digitalen Fotografie wurde die analoge Welt schnell tot gesagt. Als einziges analoges Überbleibsel war das aus dem Fotoalbum entstandene Fotobuch mit Wachstumszahlen übrig geblieben. Die analoge Filmproduktion wurde vielfach aufgegeben und hat sich heute auf einem niedrigen Level stabilisiert. Kodak in Rochester verkauft heute seinen analogen Filmausstoss in der Hauptsache nicht mehr an private Verbraucher sondern an die grossen Filmstudios in Hollywood. Das Sofortbild, wie es Polaroid vor sieben Jahrzehnten entwickelt hatte, wurde von den Freunden des Impossible Projektes gerettet, jedoch bleibt bislang in einer Nische.
Fujifilm Instax und Polaroid Snap bleiben nicht allein. Auch Lomo und neu Leica sind auf den Erfolgszug aufgesprungen
Wie der Phönix aus der analogen Asche ist jedoch das Instax-System des japanischen Herstellers Fujifilm gestiegen. Die Umsätze und Zuwachsraten, welche Fujifilm mit den Instax-Filmen generiert, lässt so manchen Anbieter vor Neid erbleichen. Und noch immer scheint bei der Entwicklung kein Ende abzusehen. Erstaunlicherweise sind es gerade junge Kund(innen) die Spass an den schnellen und unikaten Bildern haben – trotz (oder eben neben) dem Smartphone. Die Einsteiger-Generation greift zu den Fujifilm-Sofortbildkameras oder den Schwester-Modellen der Wiener Lomographen. Gewissermassen ihren Ritterschlag erhält das Instax-System jetzt mit dem Einstieg von Leica Camera in dieses Segment. Nach der Kooperation mit Huawei schon der zweite Anlauf von Leica, die Marke beim Nachwuchs zu verankern.
Das Instax-System mit seinen 10-Bilderkassetten greift einen klassischen Vorteil der analogen Fotografie wieder auf. Es nutzt ein Verbrauchsmaterial, das den Kunden dazu verführt, in unregelmässigen Abständen einen Fotohändler aufzusuchen. Leica unterstützt den Handel im Geschäft mit der Leica «Sport» zudem durch ein breites Zubehör-Angebot.
Kameramarkt: Konzentration auf angestammte Kunden?
Nachdem die Kamerahersteller die junge Käuferschaft aus dem Blick verloren haben und dessen Umgang mit den Bildern nicht so nachvollziehen kann, das man daraus eine Geschäftsidee entwickeln könnte, konzentriert man sich auf den vorhandenen Kundenstamm. Viele versuchen mit einigen neuen Features an etablierten Spiegelreflex- und Systemkameramodellen und deutlich höheren Preisen den Kopf oberhalb der Wasserlinie zu halten. Gepflegt werden heute in erster Linie die oberen Bereiche des Angebots, wo die Margen für Hersteller und Handel noch zu stimmen scheinen. Hier ist Systempflege angesagt, nicht mehr mit höherer Auflösung, sondern mit mehr Bildern pro Sekunde und schnellerem Autofokus. Treffsicherheit ist wichtig. Zudem besinnt man sich nach dem Zoomrausch wieder auf lichtstarke Festbrennweiten zurück, mit denen die hohe Auflösung der Sensoren auch wirklich erreicht werden kann.
Für semi-professionelle Ansprüche ist die umfassende Fotoausrüstung unverändert beliebt – doch es sind wenig junge Leute, die soviel Geld in ihr Hobby investieren können
Optik-Hersteller konzentrieren auf manuelle Objektive und im Cine-Spezialitäten
Der koreanische Hersteller Samyang hatte vor Jahren den Anfang mit preiswerten rein manuellen Objektiven gemacht, die mit zahlreichen unterschiedlichen Anschlüssen und unter verschiedenen Markennamen angeboten wurden. Mehrere chinesische Anbieter verfolgen inzwischen die gleiche Linie. In der Konsequenz der manuellen Objektive kamen dann spezielle Cine-Objektive auf den Markt, die ebenfalls ganz ohne elektronisch-digitale Komponenten auskamen.
Spezielle Cine-Objektive sind sehr teuer. Auch professionelle Produzenten mieten diese in der Regel auftragsabhängig zu. Der Markt ist wahrscheinlich zu klein für die vielen Anbieter (Bild Sigma)
Inzwischen weitet sich das Angebot an Cine-Objektiven mit Zeiss, Leica (CV Sonderoptik), Fujinon sowie Sigma und Tokina beinahe explosionsartig aus. Ob sich dieser Nischenmarkt wirklich zum dauerhaften Hoffnungsträger der Objektivhersteller entwickelt, ist mehr als fraglich. Der angesprochene Markt erscheint doch sehr klein. Zudem mieten sich professionelle Filmer üblicherweise ihre Ausrüstung für die Dauer einer Produktion vorzugsweise zu.
Mittelformat und Systemintegratoren
Die Zeiten, als Kompaktkameras noch wie Schüttgut in den Gitterboxen der Flächenmärkte ihre Kunden gefunden haben, sind definitiv vorbei. Wer sich heute im Fotomarkt behaupten will, muss Produkte und Service bieten, die ihm eine Alleinstellung verschaffen, die er zwar kontinuierlich pflegen muss, die ihm ein preisagressiver Wettbewerber nicht sofort wieder entreissen kann. Wenn der Handel schon keinen Informationsvorsprung hinsichtlich der am Markt verfügbaren Produkte hat, sollte er zumindest noch einen Vorsprung bei der Erklärung der spezifischen Funktionen haben. Im Automobilhandel ist es seit vielen Jahren üblich, dass der Kunde etwa sechs Wochen nach dem Kauf seines Fahrzeugs nochmals angesprochen wird, ob er noch Fragen zu seinem gekauften Auto habe. Zu diesem Zeitpunkt stellt sich nämlich der durchschnittliche Kunde die Frage, ob der Kauf wirklich nötig war und bekommt erste Zweifel. Einen derartigen Service kann der Handel für preissensitive Massenprodukte verständlicherweise nicht bieten. Das geben die Margen in diesen Fällen nicht mehr her. Langfristigen Erfolg kann der Fachhandel jedoch nur haben, wenn aus dem Händler der Erklärer wird. Mehr Dienstleistung ist gefragt. Wer von einer umfassenden technischen und kreativen Begleitung einen spürbaren Nutzen hat, wird auch gerne dafür bezahlen.
Professionelle Mittelformatkameras werden handlicher und ihre Komponenten immer kompatibler mit anderen Systemen
Im Bereich der Mittelformatkameras sieht die Situation jedoch deutlich anders aus. So gibt es in diesem Segment deutlich weniger Händler und der aus dem Online-Handel rührende Preisdruck ist auch nicht vorhanden. Zudem zeichnet es sich inzwischen ab, dass die Hersteller in diesem Segment zur Erkenntnis gelangt sind, dass sie mit einem zügellosen Preiswettbewerb nur verlieren können. Und so findet man dann doch zusammen und versucht, seine Produkte zunehmend kompatibel zu anderen Marken zu gestalten. So lassen sich Hasselblad-H-Objektive schon seit einiger Zeit an den Leica S-Kameras nutzen. Leica-S-Objektive passen auch an die zur gleichen Gruppe gehörenden Sinar-Kameras. Das neue Rückteil von Sinar, passt heute auch an die Kameras von Alpa. Überhaupt hat sich der kleine Schweizer Hersteller Alpa bis heute zu einem durchaus pfiffigen Systemintegrator entwickelt, der es seinen Kunden ermöglicht, seine vorhandene Ausrüstung zu möglichst grossen Teilen weiter zu nutzen und in eine aktualisierte Systemumgebung einzupassen.
Es ist der Branche zu wünschen, dass sie auch weiterhin das Gespräch untereinander sucht und nicht nur am gleichen Strang, sondern auch in die gleiche Richtung zieht.
Die photokina, die diese Woche (20. bis 25. September 2016) in Köln stattfindet, ist eine zweijährliche Gelegenheit, sich selbst ein Bild über den Entwicklungsstand der einzelnen Marken und der Branche zu machen. Vielleicht zeichnen sich anwenderspezifisch doch neue Trends ab, oder man findet gerade bei weniger bekannten Marken originelle Lösungen für die Praxis, die den Spass an der Fotografie weiter fördern.
Abgesehen davon bietet die photokina dieses Jahr ein breites Aktionsprogramm für junge Besucher, die mit dem Smartphone oder einer Kamera den Einstieg in die Erlebniswelt des Bildes finden.
Christoph Jehle / Urs Tillmanns
Hier finden Sie weitere Informationen zur photokina.
Eine sehr gute Situationsanalyse. Klar ist auch: Man könnte mit Nikon (und auch Canon) noch wesentlich härter ins Gericht gehen. Neben den Berufsfotografen ist auch der Fotohandel zu unmissverständlichen Feedbacks an die Herstelleradresse aufgefordert. Nikon1 und Nikon gehen sonst den gleichen Weg… in die Sackgasse.
Das Nikon 1 System hat in Regionen, wo die Menschen kleinere Hände haben, durchaus Erfolg. Mitteleuropa ist nicht mehr das Mass der Dinge.
In diesen Regionen bekamen die Menschen dann ganz grosse Augen… als sie die Verkaufspreise sahen. Im Ernst: Leider ist Nikon1 weltweit so erfolglos, dass man sich nur die Haare raufen kann. Ein Blick in die CIPA-Statistik bestätigt dies leider.
Wäre super, wenn auf der Photokina 2016 Panasonic die GH5 released…
Das wäre die perfekte Kamera für meine YouTube-Filme. 🙂
Wenn sich Clemens und Konsorten kein 3DStereo antun will dann heisst das noch lange nicht „klanglos in der Versenkung verschwunden“.
Umso besser wenn wenig Konkurrenz vorhanden. Dann ist es halt exklusiv für ein paar wenige schlaue Investoren.