Urs Tillmanns, 19. März 2017, 09:00 Uhr

Auguste Vautier-Dufour: Brennweite geteilt durch drei

Im Schweizerischen Kameramuseum in Vevey ist zur Zeit eine Ausstellung zu sehen, die einer interessanten Schweizer Kameraentwicklung gewidmet ist: Telephot Vega. Die Kamera wurde mit langer Brennweite für extreme Fernsichten geschaffen, wobei mit Hilfe von zwei Spiegeln deren Baugrösse auf einen Drittel der Brennweite reduziert werden konnte.

 

Auguste Vautier-Dufour (1864-1932) war nicht Fotograf, sondern Direktor einer Tabakwarenfabrik in Grandson. Seine Leidenschaft jedoch galt der Astrofotografie und dem Fotografieren weit entfernter Objekte – Landschaften, die Berge oder er fotografierte unbemerkte Menschen mit ihrem natürlichen und ungestellten Verhalten. Faszinierend war auch die besondere Perspektive der Fernaufnahmen mit einem gerafften Objektraum, der zudem die Grössenverhältnisse weit entfernter Objekte realistisch wiedergab.

 

Auguste Vautier-Dufour mit einer Vega Telephot Kamera (Ausschnitt)

Die Objektive, welche Vautier-Dufour verwendete, wiesen lange Brennweiten von 640 bis 1200 mm bei 9×12 cm-Kameras auf. Teleobjektive, wie wir sie heute kennen und kürzer sind als die effektive Brennweite, gab es zwar damals schon, doch waren sie nicht sehr verbreitet und qualitativ den langbrennweitigen Objektiven unterlegen.

Damit seine Kameras trotz der langen Brennweiten einigermassen handlich blieben, wendete er einen optischen Trick an: Mit zwei oberflächenversilberten Spiegeln lenkte er den Strahlengang des Objektivs zweimal um und reduzierte damit die Baugrösse der Kamera auf rund einen Drittel der effektiven Brennweite.

 

Gemäss einem Prospekt der Vega Telephot um 1910 lässt sich die Kamera sehr vielfältig von folgenden Berufsgruppen einsetzen.
«Die Verwendung des Telephot ist eine mannigfache, namentlich für folgende Personen, denen er unentbehrlich ist:

Dem Reporter, welcher Personen, ohne dass diese es ahnen, photographiert.

Dem Bergsteiger, welcher von der Terrasse oder dem Balkon eines Hôtels aus bequem verfolgt und auf seinen gefahrvollen Stellen photographiert werden kann.

Dem Stabsoffizier, welcher den Feind vom Ballon aus beobachtet und dessen Bewegungen aufzeichnet.

Dem Marineoffizier, welcher die Küsten aus grosser Entfernung überwacht und vom fahrenden Schiffe aus Bodenerhebungen photographiert.

Dem Gelehrten, welcher auf der Platte allerlei physische Phenomena, die am fernen Horizonte erscheinen mögen, wie Luftspiegelungen u. dergl., oder solche, denen man sich ohne Gefahr nicht nahen kann, wie Vulkanausbrüche ete., fixiert.

Dem Archäologen und Architekten, welcher die Gebäude und architektonischen Motive, welche infolge ihrer Entfernung oder Höhe mit einem gewöhnlichen Apparate unerreichbar sind, prüft und photographiert.

Dem Erforscher der arktischen Regionen, welcher unzugängliche Fernen beobachtet und aufnimmt. Wir sagen beobachtet, weil der Telephot sich mittelst Einsatzes eines terrestrischen Okulars ad libitum in ein ausgezeichnetes Teleskop umgestalten lässt. Zu diesem Zwecke genügt es, die Platte durch die ein Okular enthaltende Kassette zu ersetzen.

Endlich dem Berufsphotographen, welcher aus der Ferne über das Publikum hinweg ganz bequem eine Reihe von Momentaufnahmen von historischen Umzügen, theatralischen Vorstellungen, Festspielen etc. herstellt.»

 

Der Mont Blanc von Genf aus fotografiert: Eine Aufnahme mit Normalobjektiv (1)  und eine Vega Telephot Aufnahme (2) im Vergleich

Auguste Vautier-Dufour muss sich bereits in den 1890er Jahren autodidaktisch mit Fotografie und der Konstruktion dieser Kamera befasst haben, wobei er von Emile Schaer (1862-1931) technisch beraten war. Emile Schaer wuchs im Kanton Bern und Solothurn auf, studierte in Bern und in Basel, bevor er nach Genf zog, um hier am Observatorium tätig zu werden. Schaer hat Vautier-Dufour mit Sicherheit technisch beraten, was die Herstellung der oberflächenversilberten Spiegel betrifft, oder er gab ihm Hinweise, welche langbrennweitigen Objektive für seine Zwecke besonders geeignet waren.

 

Verschiedene Vega Telephot-Modelle, die in der Ausstellung zu sehen sind:
1. Kleine Plattenkamera 9×12 cm (Schweizerisches Kameramuseum)
2. Plattenkamera 13×18 cm (Schweizerisches Kameramuseum)
3. Plattenkamera 9×12 cm mit Aplanat 1:9,8/750mm (Coll. Fondation Auer Ory)
4. Tropenkamera 9×12 cm mit Téléphot 1:10,5/640mm (Collection Frédéric Hoch)
5. Plattenkamera 13x18cm mit Téléphot 1:20/1200mm (Collection Frédéric Hoch)
6. Plattenkamera 13x18cm mit Téléphot 1:20/1200mm (Collection Frédéric Hoch)

Die Kamera von Auguste Vautier-Dufour wurde am 14. März 1901 patentiert. Da er nicht über entsprechende finanzielle Mittel zur Vermarktung seiner Erfindung verfügte, gründete Vautier-Dufour im Jahr 1904 gemeinsam mit dem Fotografen Frédéric Boissonnas die «Véga, Société Anonyme de Photographie et d’Optique», mit Sitz in der Rue Versonnex in Genf, die von 1904 an verschiedene Modelle herstellen sollte.

 

Einige Highlights aus dem Nachlass von Auguste Vautier-Dufour:

 

Verschneiter Tour d’Aï von Beaumaroche in Chardonne aus. Aufnahme mit dem Telephot von Auguste Vautier-Dufour (Januar 1902)

 

Verschneite Dent de Brenleire, Dent de Folliéran und Vanil Noir. Aufnahme mit dem Telephot von Auguste Vautier-Dufour aus 80 bis 100 km Entfernung (18. Dezember 1900)

 

Die Akropolis und der Lykabettus in Athen von der Pnyx aus. Aufnahme von Fred Boissonnas mit dem Telephot (circa 1910)

 

Emma Vautier-Dufour, Ehefrau von Auguste, Diabolo spielend. Aufnahme mit dem Telephot von Auguste Vautier-Dufour (Oktober 1907). Das Bild wurde für das Ausstellungsplakat verwendet

 

Die Familie von Auguste Vautier-Dufour: Emma, Camille, Emmeline, Germaine, Hilda, Auguste, mit Schlittschuhen auf dem Neuenburgersee, vor ihrem Haus «Fleur d’Eau» in Grandson. Aufnahme wahrscheinlich mit dem Telephot (circa. 1910)

 

Jacques-Henri Apothéloz, neunzigjähriger Angler von Grandson, auf seiner Barke «l’Infatigable». Aufnahme mit dem Telephot von Auguste Vautier-Dufour (1908). Das Bild wurde auch für den Buchumschlag verwendet

 

Die Firma dürfte nicht sehr erfolgreich gewesen sein, weil erstens die teuren Kameras nur von wenigen Spezialisten und Berufsfotografen gekauft oder für wissenschaftliche Zwecke eingesetzt wurden. Ein Serienprodukt wurde nie daraus, und auch kostengünstigere Versionen mit kleiner Bildformaten verkauften sich kaum. Hinzu kam die qualitative Verbesserung der Teleobjektive und die immer kleiner werdenden Aufnahmeformate, bis hin zu Rollfilm- und Kleinbildkameras, welche handlicher waren und mit kürzeren Brennweiten auskamen.

Das Prinzip des umgelenkten Strahlengangs kam später in den katadioptrischen Spiegellinsenobjektiven erneut zur Anwendung, doch verloren diese mit dem Aufkommen der Digitalfotografie an Bedeutung.

 

Wie es zu dieser Ausstellung kam

Im Sommer 2012 nahm eine Familie mit dem Kameramuseum in Vevey Kontakt auf, in deren Besitz sich der Nachlass Auguste Vautier-Dufour befand. Da sie einen erheblichen historischen Wert dieses Konvoluts vermuteten und ihnen die Werterhaltung durch eine fachgerechte Restaurierung und Archivierung wichtig war, setzten sich die Besitzer mit dem Kameramuseum in Vevey in Verbindung. Dank der Unterstützung durch Memoriav konnte der Nachlass inzwischen restauriert werden, so dass er nun Gegenstand einer eigenen Ausstellung und einer Publikation geworden ist.

Zusätzlich zu den aussergewöhnlichen Apparaten findet der Besucher der Ausstellung nicht nur diverse Dokumente und Fotografien, die ihm die Forschungsarbeit und Experimente des Erfinders näherbringen, sondern auch eine Reihe sehr ansprechender Aufnahmen, die u. a. von Frédéric Boissonnas mit dem Telephot gemacht worden sind. Bilder und Alben aus der Privatsphäre zeigen das Leben von Auguste Vautier-Dufour und seinen Angehörigen gegen Ende des 19. Jahrhunderts in Grandson, wo er die 1832 gegründete Tabakfabrik seiner Familie leitete.

Die Ausstellung ist noch bis 27. August 2017 zu sehen im
Schweizer Kameramuseum
Grande Place 99
CH-1800 Vevey
Tel. 021 925 34 80

(Bilder: Pressematerial Schweizer Kameramuseum, Vevey)

Das Buch zur Ausstellung

Zur Ausstellung ist eine Broschüre auf Französisch erschienen: «Auguste Vautier-Dufour et le Téléphot». Sie enthält mehr als 50 wichtigste Abbildungen aus der Ausstellung, sowie folgende Textbeiträge:

• Qui est Auguste Vautier-Dufour ?
• Le Téléphot et la téléphotographie
• Quelques témoignages à propos du Téléphot
• Le Téléphot et les objectifs actuels
• Auguste Vautier-Dufour et l’Autochrome
• La restauration du fonds Vautier-Dufour
• Photographies
• Le Téléphot, divers modèles
• Sources

Die Broschüre kann im Shop des Schweizerischen Kameramuseums für CHF 18.– erworben, sowie telefonisch (021 925 34 80) oder per E-Mail (cameramuseum [at] vevey.ch) mit zuzüglichen Versandspesen bestellt werden.

 

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