oder wie Sie mit relativ wenig Aufwand Ihrer Kamera ein 200 % Upgrade verpassen können.
Klar, Sie profilieren Ihren Monitor mindestens einmal im Monat … und ebenso klar: Sie drucken mit perfekten Papierprofilen auf Ihrem Inkjet- oder Laserdrucken.
Aber haben Sie für Ihre Kamera schon einmal ein Profil erstellt oder erstellen lassen?
Dass Monitore profiliert und allenfalls auch kalibriert werden sollen, gehört heute in der Digitalen Dunkelkammer zum Basiswissen. Auch die Profilierung von Drucker-Papierkombinationen ist vielen Anwendern geläufig. Die Profilierung von Kameras hingegen war stets etwas für Spezialisten. Wer farbrichtige Aufnahmen von Textilien oder Logos brauchte, hat mit dem guten alten Profilemaker spezielle Profile erstellt, bei welchen die gewünschten Farben auch richtig «im Raum» standen. Den Profilemaker gibt es leider nicht mehr und auch das Lightroom-Plugin zur Erstellung von «Kameraprofilen» auf der Basis des Colorchecker-Passports ist etwas in die Jahre gekommen.
Kameraprofile sind aber alles andere als verstaubt. Es getraut sich aber kaum jemand so richtig, dieses heisse Eisen in die Finger zu nehmen. Wer es schon mal versucht hat, ist meist gescheitert. Die meisten Hersteller von RAW-Konvertern legen nicht einmal offen, welche Kameraprofile zum Einsatz kommen und nur wenige bieten überhaupt die Möglichkeit eigene Kameraprofile zu erstellen und einzubinden oder bestehende zu modifizieren.
Generelles zu Kameraprofilen
Kameraprofile dienen dazu die Charakteristik eines Sensors unter bestimmten Lichtsituationen zu interpretieren und mit der menschlichen Wahrnehmung in Übereinstimmung zu bringen. Sie sind dabei den Eigenheiten und Zielsetzungen der Ersteller unterworfen.
Kameraprofile können im Anschluss an die Aufnahme nur auf RAW-Files angewendet werden. Wir unterscheiden zwischen Kameraprofilen für den RAW-Workflow wie in Capture One Pro. Dort kommen ICC-Profile zum Einsatz. Im sogenannten DNG-Workflow (Lightroom) kommen DCP-Profile zu Einsatz. Sie greifen wesentlich früher in die Farbinterpretation der Sensorinformation ein. In JPEG-Files werden innerhalb der Kamera Kameraprofile eingerechnet. Eine nachträgliche «Auswechslung» ist nicht möglich. Nur wenige RAW-Konverter erlauben die Wahl/Integration eigener Kameraprofile …
Capture One Pro als Vorreiter in Sachen Finetuning von RAW-Files
Capture One Pro bietet für die Digitalbacks von Phase One bis zu fünf verschiedene Kameraprofile für verschiedene Lichtsituationen – und für alle übrigen unterstützten Digitalkameras mindestens ein bis zwei sehr gute Profile. Letztere sind sogenannt generische Profile, welche in fast allen Situationen gute, farbneutrale Resultate liefern sollen.
Kameraprofile für das PhaseOne IQ 100 MP-Back in Capture One Pro
Es ist selbsterklärend, dass ein Profil nicht für alle (Licht-)situationen gleichermassen funktionieren kann. Kommt hinzu, dass bei der Erstellung eines Profils immer der Geschmack des/der Ersteller(s) mit hinterlegt ist. Color Management ist keine absolute Wissenschaft und wo Farben interpretiert werden können, kommen unter anderem der persönliche Geschmack, das kulturelle Umfeld und die Zielgruppe ins Spiel. Entsprechend ist Himmelblau mal etwas mehr Cyan- oder etwas mehr Magenta-stichig – gar nicht zu sprechen von Hauttönen!
Wer den einfachen Weg gehen will und auf der Basis der bestehenden Kameraprofile eine Optimierung vornehmen will, kann dies im Farbeditor von Capture One Pro tun. So lassen sich dort Farben sehr fein steuern.
Basieren diese Änderungen auf einer generellen Unzulänglichkeit des bestehenden generischen Profils (z.B. Brauntöne zu rot o.ä.), lassen sich diese in ein neues ICC-Kameraprofil einrechnen. Dieses neue Kameraprofil kann nun auch als Standardprofil verwendet werden.
Was ist schöner – was richtiger? Rechts das Standard-Canon 5DsR-Profil in Capture One und links das Lumariver-Profil. Der Vergleich mit dem Original T-Shirt bestätigt die korrektere Farbwiedergabe und bessere Detailzeichnung
Kameraprofile – wofür denn?
Alle aktuellen Sensortypen bauen auf dem Rot-Grün-Blau-Muster auf. Ob Bayer-Pattern, X-Trans-, Stacked- oder Foveon-Sensor: kein Sensor ist in der Lage die Farben exakt so aufzunehmen, wie sie denn wirklich wären – bezogen auf unsere Wahrnehmung. Auch ist diese ja nicht standardisiert! Entsprechend muss die Farbwiedergabe des Sensors charakterisiert, sprich interpretiert werden. Wie ein Bild einer RAW-Datei ohne Kameraprofil aussieht, können Sie selber nachvollziehen, wenn Sie Ihr Bild in Capture One bei ausgeschaltetem Color Management betrachten.
Bild links mit, rechts ohne Kameraprofil (in Capture One Pro 10 dargestellt)
«Kameraprofil ausgeschaltet» in Capture One Pro 10
Selbst dann hat bereits eine erste Interpretation stattgefunden: die Farbinterpretation des «Demosaicings» aufgrund der Rot-Grün-Blau-Informationen. Jeder Kamera-/Sensortyp verhält sich je nach Licht unterschiedlich und dann kommen noch die persönlichen Präferenzen, wie bereits erwähnt hinzu. Entsprechend weit ist das Feld in welchem man sich mit Kameraprofilen tummeln kann. Die Erfahrung zeigt, dass Leute, welche zum ersten Mal ein Ihnen bekanntes Bild mit einem neuen Kameraprofil betrachten, plötzlich unsicher werden und nicht mehr wissen, was jetzt besser ist: Sind es beim einen Profil die Himmelfarben, sind es beim anderen die Grüntöne der Wiese oder die Hauttöne.
Wer sich mit dieser Thematik auseinandersetzt, kommt nicht darum, sich seine eigene Farbwelt genauer anzuschauen und zu analysieren. Was gefällt ist nicht immer richtig – aber was ist denn nun wichtiger?
Die Motivation, die mich dazu veranlasst hat, mich mit diesem Thema auseinanderzusetzen, war der Kauf einer Pentax 645z – einer an sich sehr ausgereiften Mittelformatkamera. Leider wird diese Kamera von Capture One aus viel diskutierten Gründen nicht unterstützt. Vergleichen wir die 50 MP Bilder aus einem IQ250 von Phase One in Capture One mit In Lightroom entwickelten Bildern der Pentax 645z, sehen letztere gelinde gesagt «fad» aus. Dabei verwendet die Pentax 645z denselben Sensor wie das Phase One-Rückteil. Ein grosser Teil dieses Defizits geht auf Kosten des Kameraprofils.
Entsprechend habe ich mich die letzten zweieinhalb Jahre mit dieser Thematik ausgiebig auseinandergesetzt. Glücklicherweise war ich nicht der Einzige, der nach Besserung gesucht hat. Der Schwede Anders Torger hat während dieser Zeit eine neue Profilierungssoftware entwickelt, welche es ermöglicht, sowohl für den ICC- wie auch den DCP/DNG-Workflow (s. Kasten) Profile zu erstellen und diese nachträglich noch zu verfeinern. Diese Software bestand zunächst aus reinem Zeilencode und hat sich heute als Lumariver Profile Designer (www.lumariver.com) zu einer recht benutzerfreundlichen Software durchgemausert.
Das Interface des Lumariver Profile Designer
Kameraprofile – jetzt mit Links?
Auch wenn die Software jetzt relativ einfach aussieht, darf das nicht dazu verleiten, dass man das Gefühl bekommt, nun selber problemlos Kameraprofile erstellen zu können. Die Hauptvoraussetzungen, welche sich für mich in den letzten zwei Jahren herauskristallisiert haben, sind folgende:
1. Fast die wichtigste Ausgangslage für die Erstellung eines Kameraprofils, ist ein optimal ausgeleuchteter Profilchart. Hier darf bei der Beleuchtungsausrüstung nicht gespart werden.
2. Der Ablauf der Profilerstellung im Lumariver Profile Designer ist relativ komplex und erfordert etwas Übung und das Studium einer ausführlichen in Englisch gehaltenen Website.
3. Auch wenn 1 und 2 erfüllt sind, kommt der Schulung des Farbempfindens fast die wichtigste Bedeutung zu. Wir müssen am Schluss feststellen, ob ein Profil nur schön oder eben auch gut ist. Wenn es verbesserungswürdig ist, muss man analysieren können, welche Optimierungen sinnvollerweise vorgenommen werden können. Dieses Finetuning ist ebenso verlockend, wie gefährlich. Es kann für einzelne Bilder zu optisch besseren Resultaten führen, kann aber auch unschöne Folgen für andere Farben zur Folge haben, welche sich erst bei anderen Bildern auswirken.
Das Schöne beim Erstellen von Kameraprofilen ist, dass man nichts kaputt machen kann. Es kann an sich fast nur besser werden! Allerdings spielt rasch die bereits erwähnte Unsicherheit hinein. Man verabschiedet sich aus seiner Farb-Komfortzone, seiner Farbwelt und betritt mit all den neuen Optionen Glatteis. Da kann nur langes Üben und bewusstes Farbsehen eine Sicherheit bringen.
Was heisst das nun in der Praxis?
Zunächst einmal sollte man sich damit auseinandersetzen, dass die Farbigkeit der Bilder in (fast) jedem RAW-Konverter anders aussieht. Es ist immer wieder gut, auch andere RAW-Konverter anzuschauen. Sie halten nebst einer anderen Farbigkeit oft auch andere spannende Werkzeuge bereit. Die Farben meiner Bilder sind also nicht einfach so, wie sie aus der Kamera respektive aus dem stets verwendeten RAW-Konverter kommen.
Dann sollte man mit einem RAW-Konverter experimentieren, der bereits eine Auswahl an Farbprofilen bietet oder noch besser die Modifikation von Kameraprofilen zulässt (aktuell nur Capture One Pro).
Ist der Appetit auf mehr gestiegen, lässt man sich ein Profilpackage erstellen. Dies besteht bei uns aus Profilen für zwei Lichtarten (Std A für Kunstlicht und D55 für Tageslicht). Daneben erstellen wir für die Tageslichtsituation je zwei bunte und zwei unbunte Profile für verschiedene Einsatzzwecke. Danach geht es darum mit diesen «Standardprofilen» zu experimentieren und auf diversen Bildern anzuwenden, um ein Gefühl dafür zu entwickeln. Sind die Chartaufnahmen einmal gemacht und Standardprofile erstellt, lassen sich neue Profile mit feinen Modifikationen erstellen.
Aber Achtung: Ein Kameraprofil ist kein Ausdrucksmittel im engeren Sinn! Es geht also nicht darum Farben speziell zu verstärken oder zu reduzieren. Das sind Interpretationen, welche in Photoshop oder Lightroom gemacht werden sollen. Ein Kameraprofil dient in erster Linie dazu ein «farbneutrales» Bild zu ermöglichen – natürlich unter Einbezug der eben erwähnten Präferenzen.
Noch immer nicht genug? Dann wird es teuer und aufwändig aus bereits erwähnten Gründen. Es lohnt sich aber aus meiner Sicht kaum, diesen Aufwand für einzelne Kamera zu betreiben. Die lässt man sich besser professionell profilieren. In der Regel macht man das im Leben einer Kamera ein- bis maximal zweimal.
Immer wieder wird die Frage nach dem Einfluss der Objektive gestellt. Die Vergütung der Objektive zeigt immer wieder erstaunliche Unterschiede bei der Farbigkeit der Bilder. Aus eigener Erfahrung sind diese Unterschiede bei der Erstellung von Kameraprofilen nicht dermassen gross, als dass es sich lohnen würde, entsprechende Kamera-Objektiv-Profile erstellen zu lassen. Auch wenn vermutlich kleine Schwankungen zwischen Kameras desselben Typs auftreten, ist die Variation doch sehr gering. Somit können die Kameraprofile auch auf anderen Kameras desselben Typs verwendet werden.
Brauche ich für jede Lichtsituation ein Profil? Es macht aufgrund unserer bisherigen Erfahrung Sinn mit den beiden Lichtarten (StdA und D55) zu operieren – je nach Einsatz allenfalls noch mit einem Blitzlichtprofil. Dann kann es durchaus sein, dass für spezielle Einsatzzwecke (Logos, spezielle Leitfarben für Textilien etc.) ein optimiertes Profil erstellt werden sollte. Für Reproduktionen kompensieren wir nur gerade Kamerafehler und erzeugen ein möglichst lineares Profil.
Pentax 645z – links mit dem Lumariver-Profil und rechts mit dem Lightroom-Standardprofil.
Fazit
Um auf meine Pentax 645z zurückzukommen, kann ich nur sagen, dass sich der lange Weg gelohnt hat. Die Kamera liefert nun farblich deutlich bessere und nuanciertere Bilder. Die Kameraprofile haben damit auch einen wichtigen Einfluss auf den Detailreichtum und die Dreidimensionalität eines Bildes. Für die 645z also definitiv ein 200 % Upgrade!
Die Auseinandersetzung mit der Farbigkeit einer Kamera ist für mich in der digitalen Fotografie essentiell. Es gibt nicht einfach die Nikon- oder die Canon-Farben. Mit identisch erarbeiteten Profilen, lässt sich auch über Systeme hinweg eine recht konsistente Farbigkeit erzielen – und das auch noch, lange nachdem das RAW-File geschossen wurde. Voraussetzung dazu ist, dass die Kamera noch verfügbar ist – und zuverlässig funktioniert. Probieren Sie es aus!
Markus Zuber
Markus Zuber
ist promovierter Biologe und seit über 15 Jahren als selbständiger Fotograf und FineArt-Printer tätig. Er ist Initiant und Geschäftsführer von FineArtPix GmbH, welche er vor mehr als zehn Jahren zusammen mit den Fotografen Ferit Kuyas und Edy Brunner gegründet hat. FineArtPix war damals massgeblich an der Einführung des FineArt-Printing in der Schweiz beteiligt. Auch heute noch vermittelt FineArtPix in Intensiv-Workshops das notwendige Fachwissen zur Erstellung feinster Prints nach allen Regeln der Kunst. Diese Workshops reichen vom FineArt-Print-Workshop, welcher sich dem gesamten Capture-to-Print-Workflow widmet, zum Portfolio-Workshop, in welchem es um die Bildserie geht bis hin zum Bookmaster-Workshop, in welchem die Bilder eine Geschichte erzählen und in ein anspruchsvolles Layout eingebunden werden.
Vielen Dank für den interessanten Artikel. Ich hätte großes Interesse an den Profilen für die 645Z. Gäbe es da eine Möglichkeit diese zu kaufen? Danke sehr für eine kurze Info.
Eine gute Zusammenfassung. Ein paar Dinge möchte ich noch ergänzen:
– Es kann sich lohnen zusätzlich zum generellen Profil noch für spezifische Objektive ein Profil zu erstellen. Gerade bei den spiegellosen Kameras mit der breiten Adaptionsmöglichkeit sind Unterschiede bei Farbe, Kontrast und dynamischem Umfang je nachdem recht gross.
– Vor der Profilerstellung sollte die Zielsetzung klar definiert sein. Je nachdem lohnt es sich ein anderes Profilchart (Target) zu verwenden. Der hier verwendete Colorchecker Passport umfasst beispielsweise einen kleineren Farbraum als sein grösserer Bruder CCSG. Wer insbesondere auf feine Farbverläufe achtet, könnte hingegen mit einem IT8.7 glücklicher sein.
– Zu guter Letzt sollte man die persönliche Komponente nicht vergessen. Selbst wenn es möglich wäre ein perfektes Profil zu erstellen, würden wir in 99% wenig damit anfangen können. Einerseits weil ein Profil gar nicht alles idealtypisch abbilden kann und andererseits das Bild mit der Nachbearbeitung erst richtig zum Leben erweckt wird. Jeder hat da seine persönliche Präferenzen und dank Software wie Lumariver kann das bereits im Profil mitberücksichtigt werden.