Christoph Jehle, 9. November 2017, 06:01 Uhr

Gibt es bald wieder eine neue analoge Spiegelreflexkamera?

In Grossbritannien wird derzeit eine neue analoge Kleinbild-Spiegelreflexkamera (www.camera.reflex-s.com) entwickelt, die mit einem wechselbaren Filmmagazin, nach Art der Contaflex/Contarex, sowie einem wechselbaren Objektivbajonett ausgestattet sein soll. Zur Motivaufhellung hat die Kamera eine eingebaute LED-Leuchte und ein integriertes Blitzgerät. Zudem kann über den Zubehörschuh mit Mittenkontakt, der im Multifunktionsrad links untergebracht ist, ein externes Blitzgerät benutzt werden können. Mit dem Funktionsrad rechts wird die Verschlusszeit eingestellt und die ISO-Empfindlichkeit gewählt.

Das am 7. November 2017 veröffentlichte Kickstarterprojekt hat ein Finanzierungsziel von GBP 100’000 bis zum 7. Dezember 2017. In knapp zwei Tagen, bei Publikation dieses Beitrags am 9. November um 06:00 Uhr, hatten 291 Unterstützer bereits 91’096 GBP aufgebracht. Als Stretch Goal bei Erreichen einer Finanzierungszusage von 100’00 GBP ist die Entwicklung der Reflex App vorgesehen. Diese ermöglicht die Übertragung der Aufnahmedaten auf ein verknüpftes Smartphone und soll die Möglichkeit bieten, Notizen zur jeweiligen Aufnahme anzulegen.

Der Preis für ein Kameragehäuse mit M42-Anschluss soll bei 350 GBP (etwa 360 CHF) für Early Birds liegen und bei 399 GBP (etwa 525 CHF) als Einzelhandels-Endpreis. Als Objektive werden zwei aufgearbeitete Standard-Brennweiten mit M42-Schraubgewinde angeboten. Es handelt sich zum einen um ein Helios 2/58 mm sowie ein Pentacon 1,8/50 mm zum Stückpreis von jeweils mindestens 89 GBP (gut 116 CHF). Die Erstauslieferung soll im August 2018 erfolgen. Hinter dem Reflex-Projekt steht das Team des im Jahre 2009 gegründeten Online-Magazins «If You Leave».
 

Reflex – Technische Daten
Objektivanschluss Reflex I-Plate (wahlweise mit M42-, Nikon F-, Canon FD-, Olympus OM-, Pentax PK-Anschluss)
Filmtransport bei Tageslicht wechselbares Filmmagazin Reflex I-Back mit eigenem mechanischem Filmtransport und Rückspulung
Fokussierung manuell am Objektiv
Belichtungsmessung Manuell sowie Blendenpriorität (+ 4 EV), Integral- und Spotmessung
Empfindlichkeit 25 – 6’400 ISO
Verschlusszeiten 1 – 1/4000 Sekunde, T und B
Aufhelllicht Blitz und LED-Dauerlicht eingebaut,
Hot Shoe für externes Blitzgerät
Controller Arduino-basiertes modulares System
Datenkommunikation Bluetooth (BLE)
Gehäusematerial Aluminium-/Magnesium-Legierung
Stromversorgung 5 V Lithium über USB-C aufladbar
Abmessungen 134 x 74,5 x 34 mm
Gewicht 490 Gramm

 

Dass die wechselbaren I-Plates eine mechanische Übertragung zwischen Objektiv und Kameragehäuse und somit eine Offenblendenmessung ermöglichen, ist bei einem Preis von 35 GBP (gut 45 CHF) für ein I-Plate eher unwahrscheinlich.

 

Marktumfeld analoger Kleinbild-Kameras

Nachdem Cosina offensichtlich die Produktion der Nikon FM10 eingestellt hat, bleibt als letzte analoge SLR-Kamera die Nikon F6, die technisch jedoch auf dem Stand der Nikon D200, bzw. D2 geblieben ist und mit den neuen Nikon-Objektiven mit elektromagnetischer Blende nicht kompatibel ist. Nachdem Cosina auch die Produktion der Voigtländer Bessa-Kameras eingestellt hat, sind im analogen Kleinbildbereich nur die drei Leica-Kameras M-A, MP sowie M7 in Produktion. Mit dem Rückgang der Fertigungsstückzahlen bei analogen Kleinbildkameras wächst die Herausforderung, Bauteile wie Schlitzverschlüsse von den verbliebenen Zulieferern zu bekommen und dies auch noch zu einem vertretbaren Preis. Bei Kleinbildschlitzverschlüssen sind derzeit nur noch zwei Fertigungsstandorte in Thailand bekannt, an welchen die auch für Digitalkameras benötigten Bauteile produziert werden.

 

Geplante Erweiterung des Reflex-Systems

Das jetzige Kickstarterprojekt für die Reflex I soll erst der Anfang einer Reihe weitere Produkte und Zubehör sein. Darüber, um welche es sich handelt, schweigt sich das Team derzeit noch aus. Wer auf dem Laufenden bleiben will, kann sich auch der Projektwebsite  für einen Newsletter anmelden.

Christoph Jehle

UPDATE 11.11.2017, 08:20: Das Kickstarter-Ziel der GBP 100’000 wurde bereits gestern übertroffen. Das neue Ziel sind GBP 150’000, mit welchem für die Modulkamera ein Anschluss für Minolta SR/MD Objektive realisiert werden soll, sowie GBP 200’000 für eine schwarz beflockte Kameravariante.

 

11 Kommentare zu “Gibt es bald wieder eine neue analoge Spiegelreflexkamera?”

  1. Die Idee finde ich ganz gut, doch bezweifle ich den Erfolg. Aber besser man versucht es, als einfach nur darüber zu philosophieren und Kickstarter ist eine gute Möglichkeit abzuklären, ob die Idee den möglichen Kunden auch das Geld wert wäre. Hinsichtlich der Technik gefallen mir das wechselbare Filmmagazin (wie auch einst bei der Kleinbild-Würfelkamera von Rollei) und der wechselbare Objektivanschluss (wie bei manchen modernen Cinema-Kameras, da jedoch teilweise mit Datentransfer). Unpassend finde ich den integrierten Akku.
    Übrigens ist die Nikon F6 in der Schweiz seit längerer Zeit nicht mehr lieferbar (gemäss mehreren Händlerauskünften, zuletzt vor ein paar Monaten). Dabei ist sie in Deutschland noch gelistet. Das ist etwas seltsam, zumal Nikon Schweiz seit einiger Zeit zu Nikon Deutschland gehört.

    1. Bin der gleichen Meinung. Zumal es on mass gebrauchte Kameras gibt für wenig Geld und absolut ausgereifte Technik haben. Es muss ja keine F-1 Canon oder Nikon F-3 oder OM-1 sein, die noch über 150 – 250 Euro liegen. Mit einer
      EOS 30 / 100 / 3 / 5 kann man sogar (Dank kleinem Auflagemaß) mit Adapter die teilweise unter 30 Euro liegen FAST alles
      Adaptieren und diese Kameras liegen unter 250 Euro und man kann auch noch AF Objektive benutzen.
      Was will man (Frau / Fotograf) mehr.
      Ich bin am überlegen mir eine Hasselblad zu zulegen, Mechanik und Obtik vom Feinsten und für SW
      der Puritischen Forografie das totale vergnügen / Entspannung. Wenige Bilder, aber aus dem Kopf zum Bild.

      1. Das Problem mit den gebrauchten Kameras scheint in der Schulfotografie zu liegen. Da dürfen offensichtlich von den Schulen keine Gebrauchten erworben werden. Das erklärt auch das große Interesse an der Kamera.

  2. Jenseits des Kleinbildformats gibt es noch etliche aktuelle Kameras für Fotofilme. Selbst die aktuelle Hasselblad H6-Reihe hat mit der H6X ein Spiegelreflexmodell für Filmmagazine. (Die Filmmagazine der H-Serie können ohnehin an allen H-Kameras mit Ausnahme der H4 und H3-II verwendet werden.)

    1. Die analogen Rückteile werden jedoch in Europa nicht angeboten, weil sie den hiesigen Vorschriften nicht entsprechen, die von der EU entwickelt wurden und von der Schweiz so adaptiert wurden. Man kann die derzeit nur persönlich in den USA kaufen. Versand könnte schwierig werden, wg. der Zollabwicklung.

  3. Ich frage mich ernsthaft, wer so etwas braucht. Fotografieren ist ja nicht das manuelle Einstellen von Zeit und Blende sowie das Entwickeln der Filme und Bilder, welches eine sehr öde Technik ist bei der man Handschuhe tragen sollte um sich keine Allergien oder Verbrennungen an den Händen einzufangen. Fotografieren ist das Interpretieren und/oder Reproduzieren von Gegenständen oder Personen. Es gibt keinen Grund das jetzt wieder so zu machen wie früher. Es gibt keinen Vorteil gegenüber der Digitalen Fotografie, sondern ausschließlich Nachteile

    1. Zitat: «Es gibt keinen Vorteil gegenüber der Digitalen Fotografie, sondern ausschließlich Nachteile»

      * * *

      Meinen Sie das im Ernst? Vergleichen wir einmal.

      > Kunstmarkt:
      Die teuersten Fotografien, welche letztes Jahr an Auktionen verkauft wurden, sind vermutlich alle auf Film belichtet worden:
      https://petapixel.com/2017/12/21/20-expensive-photos-sold-auction-2017/

      > Technische Bildqualität:
      Hier ein Vergleich der technischen Bildqualität von analoger Fotografie gegenüber digitaler Fotografie.
      https://petapixel.com/2014/12/18/comparing-image-quality-film-digital/

      > Kommerzieller Erfolg auf Social Media
      Schauen Sie sich beispielsweise die Bilder von Jan Scholz an, der analog fotografiert. Mit seinen über 300’000 Fans stellt er sogar locker lärmende Photoshop-Artisten aus Hollywood in den Schatten.
      https://www.facebook.com/micmojo.photography/

      > Fazit:
      Richtig eingesetzt haben analoge wie digitale Fotografie ihre Vor- und Nachteile und ihre spezifischen Berechtigungen. Somit den Ball flach halten.

    2. Lieber Andreas !
      Da liegst du leider total daneben. Versuche mal mit einer digitalen Kamera ASTROFOTOGRAFIE zu betreiben. Da heißt, das Teleskop ist dein Objektiv. Versuche mal mit einer digitalen Kamera Aufnahmen von der Sonne im Infrarot-Bereich zu machen. So viel zu deiner Äußerung „sondern ausschließlich Nachteile“.
      Gruß, Udo

    3. gegen echte handschuhe gibt es liquid/flüssige handschuhe(gloves). es gibt auch noch leute-anstatt selber zu entwicklen um keine schäden(Verlust, Kratzer, Fingerabdrücke) zu riskieren-ihre wertvollen Originale in der Gegend herum schicken. Da lob ich mir dass es bei uns in Basel noch zwei Anbieter von Schwarzweissentwicklungen gibt inkl Stossen/Pushentwicklung.
      Hab Astroaufnahmen mit und ohne Vacuum-Filmandruck gesehen. ist wie Tag und Nacht.
      NB: Agfa-Gevaert hat 2021 wieder einmal eine Produktion des genialen maskenfreien Agfa Avicolor X-100-aber diesmal in 35mm -durchgezogen. Hat eingebaute Filter, Ist maskenfrei und somit ideal für Schwarzweiss, besser zu Scannen, besser zum Pushen/Pullen heisst verlängern/verkürzen der Entwicklungszeit fürt erhöhte/niedrigere Empfindlichkeit.

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