Gastautor/-in, 11. Februar 2018, 10:00 Uhr

Objektive in der Folterkammer

Fotografen weltweit schätzen die Zuverlässigkeit und die hohe Verarbeitungsqualität von Zeiss Objektiven. Damit diese Qualität auch immer gewährleistet ist, werden die neu entwickelten Produkte im Labor auf Herz und Nieren geprüft. Andreas Pfeiffer, Diplomingenieur und Teamleiter im Umweltlabor der Hensoldt Optronics GmbH (vormals: Airbus DS Optronics GmbH) in Oberkochen, hat uns von seinem Arbeitsalltag berichtet und genau erklärt, wie dort Zeiss Objektive getestet werden.

 

Im Umweltlabor werden die Prüflinge starken Temperaturschwankungen ausgesetzt.

«Wir simulieren verschiedene Umwelteinflüsse auf Produkte», beschreibt Andreas Pfeiffer die Arbeit im Umweltlabor. «Hier in Oberkochen untersuchen wir hauptsächlich die Folgen von Temperatureinwirkung, Feuchtigkeit, Stössen oder Vibrationen. Diese sogenannten Umweltsimulationen erfolgen dabei immer unter exakt definierten Laborbedingungen und unter Einhaltung bestimmter Prüfnormen, das macht die Ergebnisse reproduzierbar und vergleichbar.» Grundlage ist dabei die Norm DIN EN ISO 17025, die international gültige Prüfstandards vorschreibt, an die sich das Labor halten muss. Definiert werden dabei nicht nur Testabläufe und Kalibrierung der Gerätschaften, sondern auch die Qualifizierung des speziell geschulten Personals. Labors, die nach dieser Norm arbeiten, können sich akkreditieren lassen – in Deutschland durch die «DAKKS», die Deutsche Akkreditierungsstelle –, so wird sichergestellt, dass weltweit in allen entsprechend anerkannten Prüfeinrichtungen gleich gearbeitet wird.

 

Objektive sind für die Freifallsimulation mit Beschleunigungssensoren ausgestattet.

«Die Ansprüche von Zeiss sind dabei klar definiert», erklärt Pfeiffer. «Die Objektive müssen langlebig sein und auch unter extremsten Bedingungen – egal ob im Regenwald, in der Wüste oder der Antarktis – funktionieren. Dabei sollen Funktion und Abbildungsleistung im alltäglichen Gebrauche über einen langen Zeitraum gewährleistet werden können.» Neben der Funktion werden ausserdem rein optische Gesichtspunkte, etwa Materialverfärbungen oder das Ablösen von Beschriftungen, geprüft. Und gibt es ein Objektiv mit verschiedenen Bajonett-Anschlüssen, so muss jede Variante gesondert das Simulationsverfahren durchlaufen. Welche Testszenarien zum Einsatz kommen ist wiederum genau vorgeschrieben: «Für optische Geräte gibt es Normenreihen im DIN, die für die Prüfungen herangezogen werden», erläutert Pfeiffer, «darin werden Werte definiert, die z.B. unterschiedliche Klimazonen, oder bestimmte mechanische Belastungen abbilden.» Mit diesen Informationen könne man sehr genau die «Real-Life»-Anwendung der Objektive simulieren.

 

Schweres Gerät: Hier wird im «Shaker» Vibration in horizontaler Richtung simuliert.

Die Ingenieure im Umweltlabor in Oberkochen können für ihre Simulationen auf einen grossen Gerätepark zugreifen. Vibrationen werden mit elektromagnetischen Schwingerregern – auch «Shaker» genannt –simuliert, unterschiedliche Klimazonen mit Temperaturschränken und Feuchtekammern. «Vieles kann man einfach so kaufen», erwidert Andreas Pfeiffer auf die Frage, ob es sich dabei um Sonderanfertigungen handle. «Durch die Normung der Prüfungsverfahren wissen die Hersteller genau, worauf es uns ankommt. Wir müssen dann nur noch entsprechende Adapter oder Aufnahmen für die Prüflinge anfertigen.» Für die Vibrationstests im «Shaker» werden die Objektive einem Breitbandrauschen – einem stochastisch verteilten Signal mit Frequenzen von 20 bis 500 Herz – ausgesetzt, wobei effektive Belastungen bis 1,55G erzeugt werden. Je 30 Minuten in jede der drei Raumachsen müssen die Objektive die Prozedur überstehen. Bei den Schocktests wird die Stossresistenz mit Belastungen bis effektiv 30G, in vertikaler Richtung sogar bis 100G getestet. «Das entspricht in etwa der Belastung, wenn man das Objektiv hart auf einen Tisch aufsetzt», erläutert Pfeiffer die Werte.

 

Reifbildung auf einem Objektiv in der Kältekammer.

Bei weltweitem Einsatz müssen Zeiss Objektive auch in verschiedensten klimatischen Bedingungen optimale Leistung bringen. «Feuchte kann zu Ablösung von Beschichtungen, Lacken oder Verklebungen führen», skizziert Andreas Pfeiffer mögliche Schäden, «das Testobjektiv wird deshalb in einer speziellen Feuchtekammer fünf Tage lang relativen Luftfeuchten von 82-93 Prozent ausgesetzt.» Für den Temperaturtest gibt es dann sogar zwei Szenarien: für Lagerung oder Transport müssen die Objektive Temperaturen von -40°C bis +70°C unbeschadet überstehen, im Betrieb Temperaturen von -20°C bis +55°C. Für die Betriebstests fotografieren die Prüfer Testcharts ab, die so entstandenen Bilder werden dann allerdings – anders als alle anderen Parameter – nicht von ihnen selbst, sondern im Entwicklungslabor bei Zeiss Fotoobjektive ausgewertet. Derart umfangreiche Umweltsimulationen brauchen natürlich auch ihre Zeit, in der Regel vergehen 10 bis 14 Tage vom Erhalt des Prüflings bis zum fertigen Bericht. «Nur wenn es keinerlei Auffälligkeiten gab und alle Tests bestanden sind, ist unsere Arbeit erledigt und es kann eine Vorserie des Objektivs produziert werden», beschliesst Andreas Pfeiffer seine Ausführungen. «Gab es Beanstandungen wird bei Zeiss ein neuer Prototyp gefertigt, der dann erneut von uns geprüft wird.» Durch dieses vielschichtige Prüfverfahren stellt Zeiss sicher, dass die Kunden später Objektive in gewohnt hoher Qualität erhalten, an denen sie lange Freude haben und auf die sie sich auch unter widrigsten Bedingungen selbst in den entlegensten Ecken des Globus verlassen können.

 

Autor: Andreas Pfeiffer

Erstpublikation auf http://lenspire.zeiss.com/en/environmental-lab-world/
(übernommen mit freundlicher Genehmigung)

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