Urs Tillmanns, 2. Dezember 2018, 10:00 Uhr

Aus alten Protokollen: SBF vor 100 Jahren (Teil 2)

Die fünf Protokollbücher von 1886 bis 1940 haben als kostbaren Zeitzeugen der Schweizer Berufsfotografen letztes Jahr im Staatsarchiv des Kantons Bern ihre Bleibe gefunden. Yannick Andrea, Präsident der «Schweizer Berufsfotografen und Fotodesigner» (SBF) hat in den 100 Jahre alten Protokollen gestöbert und interessante Einträge gefunden, von denen viele auch von heute stammen könnten.

 

«Schmutzkonkurrenz»

Die Mitglieder beschäftigten sich immer wieder mit unlauterem Wettbewerb, gemeint waren sogenannte Vergrösserungsanstalten, die auch als Hausierer auf den Markt drängten. Es wurde unter anderem probiert, die «Handelsreisenden» mit dem Patentschutz zu verdrängen. Bereits in einem Schreiben des Eidg. Sekretariat für Patenttaxen von 1902 wurde darauf hingewiesen, dass Photographen nicht unter dieses Gesetz fallen.

Protokoll vom 7. Februar 1917 im Bürgerhaus in Bern: Um die Schmutzkonkurrenz bekämpfen zu können, wurde eine Wanderausstellung vorgeschlagen, welche nach Friedenschluss [des Ersten Weltkrieges] unverzüglich ihren Rundgang antreten könne. Die Ausstellung soll einerseits die Arbeiten der Mitglieder des Photographischen Vereins, aber auch die «Helgen der Vergrösserungsanstalten», Gerichtsurteile und einschlägiges Material enthalten. Zudem wurde eine schwarze Liste geführt, welche aber nur vier Namen enthielt.

 

Verlängerung Sonntagsverkauf

Im Kantonsblatt Basel vom Samstag 7. April 1917 ist es den Photographengeschäften gestattet worden, am Ostermontag den 8. April von 10 ½ bis nachmittags 6 Uhr offen zu halten und Angestellte zu beschäftigen. Beim Vorsprechen von Herr Kling (Präsident) auf dem Gewerbeinspektorat stellte sich heraus, dass eine Person aus der Schundkonkurrenz den Antrag gestellt hatte, Aufnahmen von Kommunikanten anzufertigen. Da der Setzer des Blattes in Unsicherheit – er fand es ungeheuerlich, am Ostersonntag zu arbeiten – noch einen Fehler beging, waren die Geschäfte am Ostersonntag 8. April und am Ostermontag 9. April geöffnet. Das Inspektorat teilte mit, dass die Kommunikanten nicht an einem anderen Tag fotografiert werden könnten, da sie ihre Kerzen wieder abgeben mussten.

Aus früheren Jahren (1914) war bekannt, dass sich das Departement zu einer Aussage versteigen liess und die Photographen anregte, dass sie dahin wirken sollten, dass die Kommunion nicht auf einen so hohen Feiertag verlegt werde. In einer Umfrage bei den Kollegen stellte sich heraus, dass 10 Kollegen keine Kenntnis vom Kantonsblatt hatten und ein Kollege verspätet davon erfuhr. Man fühlte sich benachteiligt. Da solch bedauerliche Zustände in Basel herrschten, hoffte man, dass die Kollegen endlich erwachten und eine eigene Sektion gründeten.

 

Protest gegen Ausschluss der Photographie

Die Photographie wurde von der XIII. Nationalen Kunstausstellung 1917 ausgeschlossen. Dies, obwohl die Ausstellung diverse unterschiedliche Kategorien wie z.B. die der Buchkünste, in der eine gewisse Verwandtheit oder Nähe zur Photographie lag, bewarb: «Die ausserordentliche Entwicklung der graphischen Künste und des Buchgewerbes in der Schweiz während den letzten Jahren, kann Niemandem entgangen sein. Es ist zur Stunde von höchster Wichtigkeit zu zeigen, was unser Land zu leisten imstande ist, aber es ist auch nicht weniger interessant, die Schöpfungen der Künstler mit den gewerblichen Erzeugnissen zu vergleichen.» Deshalb kam dieser Ausschluss einem Affront gleich. Die Photographen befürchteten, dass so ein ungerechtfertigter Ausschluss einen unheilvollen Einfluss auf die Anerkennung der (Bild-) Rechte habe. Kam dazu, dass der Vertreter der Photographen, Herr Rud. Ganz, seit zwei Jahren das Urheberrecht studierte. Im Jahresbericht 1917 wurde ferner angemerkt, dass sich die Schweiz. Photographen zu einer Vereinigung zusammengeschlossen habe, um genau dies – die Wahrung der Bildrechte – zu erreichen.

 

Geschuldeter Mitgliederbeitrag

Im Protokoll vom 7. Februar 1917 wird angemerkt, dass ein Austritt aus dem Verein zu verzeichnen sei. Herr Manser aus Appenzell will austreten, weil er nicht mehr in der Lage ist, den Mitgliederbeitrag aufzubringen. Wegen langjähriger, treuer Mitgliedschaft beschliesst der Vorstand jedoch, dem Austrittsgesuch keine Folge zu leisten und Kollege Manser des Beitrages zu entbinden. Zudem tobt in Europa der Erste Weltkrieg. Vor diesem Hintergrund und um Austritte zu vermeiden, wird darüber debattiert, ob Kollegen, die durch den Krieg in missliche Lagen geraten sind, der Beitrag bis nach Rückkehr normaler Verhältnisse zu erlassen sei. Nach gewalteter Diskussion wird beschlossen, dass schriftliche Gesuche um Erlass des Beitrages an den Vorstand zu gelangen haben.

 

Fehlerhaft

Um den Anforderungen für die Bewältigung der anfallenden Vereins-Arbeit gerecht zu werden, wurde ein ständiges Sekretariat des Schweiz. Photographen Vereins gegründet, welches die Zirkulare zweisprachig versandte. Alsbald gingen Klagen ein, das Deutsch sei mangelhaft. Es wurde beschlossen, dass zur Verhütung solcher und ähnlicher Fälle ein deutschsprechendes Vorstandsmitglied die Zirkulare vorgängig korrigieren sollte.

 

Sektions-Gründungen

Im Jahr 1917 wurden die Sektionen Basel, Luzern und St. Gallen gegründet. Weil Wert auf starke Sektionen gelegt wurde, wurde der Sektion St. Gallen die Kantone Appenzell und Thurgau zugesprochen. Mit 18 Mitgliedern war sie eine der grösseren Sektionen. Der Sektion Luzern (11 Mitglieder) wurde vom Zentralverband die Gründungskosten von CHF 100.– zugesprochen. Der jährliche Mitgliederbeitrag betrug Fcs 12.–.

Über die Grösse der Sektion Basel und deren Finanzkraft bei der Gründung ist leider nichts vermerkt. Einen Hinweis gibt es jedoch: Das Protokoll einer Sitzung des Photographen-Verbandes vom 16. August 1917 wurde auf Briefpapier des «Kantonaler Photographen-Verband Basel» festgehalten.

 

Lehrlingswesen

An der Generalversammlung wurde ein Lehrlingsregulativ verabschiedet, welches von den kantonalen Behörden jedoch mit der Bemerkung kommentiert wurde, dass alleine die kantonalen Verordnungen Gültigkeit haben, da das Regulativ unter anderem keinen theoretischen und praktischen Studienplan enthielt, dass die Prüfungsvorschriften vollständig fehlten und teilweise den kantonalen Vorgaben widersprach. Als wertvolles Auskunftsmittel für Meister wie Lehrlinge sollte es jedoch gute Dienste leisten.

Der Verantwortliche der zweigliedrigen Kommission für das Lehrlingswesen, Herr E. Sauser, bittet infolge den Vorstand, «der Jugend diese Opfer zu bringen und geben wir unseren Lehrlingen Gelegenheit einer vorzüglichen technischen und theoretischen Ausbildung das Regulativ mit den Anmerkungen der kantonalen Behörden zu überarbeiten und somit ein Werk von Dauer zu erschaffen».

Texte: © SBF Yannick Andrea, Präsident SBF

Informationen über den Verband «Schweizer Berufsfotografen und Fotodesigner» (SBF) finden Sie unter www.sbf.ch

 

Ein Kommentar zu “Aus alten Protokollen: SBF vor 100 Jahren (Teil 2)”

  1. Vielen Dank für diese zweiteilige Serie.

    Wunderbar, was da zutage kommt!
    Aus heutiger Sicht lässt sich das natürlich so sagen, gewiss.
    Was muss das für eine Zeit für Berufsfotografen gewesen sein. Beschwerlich, faszinierend, wechselhaft. Schön, davon zu wissen 🙂

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