Urs Tillmanns, 13. Januar 2019, 18:35 Uhr

Unterwegs mit einer Einzigartigen

Ich meide Superlative. Sie sind übertrieben und unglaubwürdig. Deshalb streiche ich sie auch möglichst konsequent aus allen Pressetexten, denn die Werbetexter glauben ja wohl selbst nicht was sie da alles in den Himmel loben.

Doch hier gibt es mal eine Ausnahme. Die Nikon P1000 ist wirklich einzigartig und mit derzeit nichts auf dem Markt zu vergleichen: Es gibt keine Kamera im Markt mit einem 125-fach Zoom, dessen kleinbildbezogener Brennweitenbereich von 24 bis 3000 Millimeter reicht. Damit noch nicht genug: Mit dem Digitalzoom – Nikon nennt es «Dynamic Fine Zoom» – wird eine vierfache Vergrösserung erreicht, das ergibt also theoretische und sagenhafte 12000 Millimeter. Dies eröffnet gigantische Möglichkeiten, zum Beispiel in der Tierfotografie in freier Wildbahn, in der Ornithologie- und Safari-Fotografie, aber auch in der Personenüberwachung und in der technischen Fotografie. Hinzu kommen interessante Nahaufnahmemöglichkeiten – aber dazu später mehr.

Die Nikon P1000 mit eingefahrenem und ausgefahrenen Zoom. Daneben als Grössenvergleich eine Kompaktkamera

Nikon hat Erfahrung mit derart langen Zoombereichen, denn schon das Vorgängermodell P900  aus dem Jahre 2015 mit ihrem 83fach-Zoom 24 bis 2000 mm war eine Sensation. Letztes Jahr hat Nikon noch eins draufgesetzt und den Zoombereich auf 125-fach erweitert. Das ist ein Zoombereich, der bei grosszügigem Weitwinkel anfängt und irgendwo in kaum noch erkennbarerer Entfernung endet. Kurz: Eine Kamera, mit der man praktisch alles machen kann.

Allerdings hat die Kamera auch ihren Preis – nicht nur den monetären, der hält sich mit 1249 Schweizerfranken eigentlich noch in Grenzen, aber auch seinen haptischen. Die Kamera ist mit rund 119 x 147 x 181 mm und einem Gewicht von 1,4 Kilogramm gross, klobig und schwer. Erst durch den Handgriff, der sogar noch etwas ergonomischer sein dürfte, und die Handauflage des langen Objektivtubus, bleibt die Kamera auch bei langen Zoomeinstellungen noch von Hand bedienbar. Und dabei ist sie – dank des hervorragenden Bildstabilisators – noch erstaunlich verwacklungssicher. Dies übrigens auch bei Videoaufnahmen, die bis 4K-UHD (3840 x 2160 px) aufzeichnen. Und doch ist das Gewicht von nur gerademal 1,4 Kilogramm sensationell, denn jede Spiegelreflexkamera – allerdings auch mit grösserem Sensor – und entsprechendem Objektiv, wäre um ein Vielfaches grösser und schwerer. Im Vergleich zur früheren P900 (103 x 139 x 137 mm, 899g) hat die P1000 einen guten Drittel an Volumen und mehr als die Hälfte an Gewicht zugelegt – dafür hat sie einen zusätzlichen Meter Brennweite bekommen.

Der Zoombereich von 24mm (Bild oben) bis 3000mm (Bild unten) ist beeindruckend

Drei Meter kleinbildensprechende Brennweite, das ergibt einen äusserst extremen Bildwinkel, der auch an die Kameratechnik, insbesondere an den Autofokus und die Bildstabilisierung, höchste Anforderungen stellt. Beides hat Nikon gut im Griff, denn sowohl die Scharfeinstellung als auch die Bildstabilisierung – auch bei Freihandaufnahmen und langen Brennweiten – machen einen guten Eindruck.

Drei Meter Brennweite – der Griff zum Stativ ist naheliegend. Aber nicht irgendein Nullachtfünfzehn-Dreibein. Um mit der P1000 effizient und sicher arbeiten zu können, braucht es ein richtig schweres Profistativ! Die Kamera wird mit ausgefahrenem Zoom extrem kopflastig und beginnt auf einem leichten Stativ sich nach vorne zu neigen und zu schwingen. Abhilfe: Fern- oder Selbstauslöser mit zwei oder zehn Sekunden Vorlaufzeit – aber das ist bei gewissen Motiven nicht gerade lustig. Der Grund für dieses Schwingen, auch auf schweren Stativen, liegt darin, dass das Stativgewinde physikalisch denkbar ungünstig im Kameragehäuse sitzt. Hätte Nikon dieses am vorderen Ende des Objektivtubus angebracht, wären die statischen Voraussetzungen wesentlich besser.

Das Stativgewinde im Kamerakörper ist statisch ungünstig platziert. Beim Ausfahren des Zooms wird die Kamera extrem kopflastig. 

Allerdings muss man sich im Klaren darüber sein, dass bei Aufnahmen mit derart langen Brennweiten auch andere Faktoren mitspielen können, welche die Bildschärfe extrem beeinflussen können. Dazu gehören atmosphärische Störungen wie Luftflimmern, insbesondere bei hohen Temperaturen, aber auch Dunst- und Luftverschmutzungserscheinungen bei kalten Temperaturen. Um ehrlich zu sein: Wir hatten während unserer Testzeit im November und nochmals im Dezember nie so ideale Bedingungen, dass wir schlüssig die Qualität der 3000mm Telezoomstellung – vom Digitalzoom mit 12000 mm ganz zu schweigen – beurteilen konnten.

Gut angeordnet: Die Kontakte, sowie der Karten- und Akkueinschub. Der Akku hält etwa für 250 Aufnahmen, gemäss CIPA

Auch die Lichtstärke ist mit 1:2,8 bis 8,0 absolut genügend und wohl die Grenze des technisch Machbaren. Eine höhere Lichtstärke im langen Bereich hätte die Kamera noch beträchtlich vergrössert und verteuert. Gleiches gilt für den Sensor. In der P1000 wurde der gleiche CMOS-Sensor 1/2,3″ (6,2 x 4,6 mm) mit 16 Megapixel verbaut, der schon in der P900 zu finden war. Dieser scheint allerdings nach heutigen Ansprüchen mit maximal ISO 1600 automatisch und 6400 manuell schnell an die Grenzen zu kommen, was auch unser Test der Rauschempfindlichkeit beweist. Wer auf der sicheren Seite bleiben will, nutzt die Kamera nicht über ISO 800.

Die Empfindlichkeitseinstellung reicht von ISO 100 bis ISO 6400. Die Kamera ist damit nicht für schlechte Lichtverhältnisse ausgelegt. Empfehlung: Nicht über ISO 800 gehen.

Zur Motivbeobachtung und Bildkontrolle dient einerseits ein 3,2 Zoll (leider kein Touch-)Display mit 921k Bildpunkten, anderseits ein 2.36M OLED Monitor mit Augensensor, der ein sehr klares Bild ergibt. Das Display lässt sich nach aussen schwenken und drehen und ist damit in allen Langen einsehbar und auch Selphie-tauglich.

Mit den vier Einstellelementen Fn-Taste, AE/AF/L-Tasten, seitliche Zoomtaste und dem Kontrollring um das Objektiv kann die Kamera benutzerspezifisch eingestellt und so individuell bedient werden. Die Handhabung ist ziemlich selbsterklärend, und die Menüstruktur logisch.

Die Zoomtaste mit der Memoryfunktion erleichtert das Einstellen, wenn man das Motiv «verloren» hat

Die seitliche Zoomtaste dient der Zoomeinstellung, kann aber auch für manuelles Fokussieren umprogrammiert werden. Auch besitzt diese Zoomtaste eine Memory-Funktion, welche es ermöglicht zwischen zwei Einstellungen hin- und herzuzoomen. Das ist insbesondere sinnvoll, wenn man bei langer Zoomstellung das Motiv «verliert» und es mit einer kürzeren Brennweiteneinstellung schnell wiederfinden will.

Die P1000 hat eine ihrer Stärken auch im Nahbereich, vor allem, wenn eine gewisse Distanz zum Motiv respektiert werden soll – zum Beispiel bei Kleinlebewesen, die man sehr gut fotografieren kann, ohne in ihre Fluchtdistanz zu geraten. Während der normale Schärfebereich brennweitenabhängig zwischen 30 bis 700 cm liegt, beträgt dieser mit der Naheinstellung 1cm von der Linsenvorderkante bei 24mm bis 70cm bei 3000mm-Zoomstellung. Das gibt spannende Möglichkeiten. Um diese zu erproben sind wir in die neue Modellanlage Smilestones in Neuhausen am Rheinfall gegangen, welche in ihrer ersten Ausbauphase die Landschaft vom Säntis bis zum Rheinfall im Massstab 1:87 zeigt. Hier gibt es Motive noch und noch, die wirkungsvoll mit der langen Brennweite aus der Modelllandschaft herausgepickt werden können.

Eine Stärke der P1000 sind Detailaufnahmen aus Distanz. Die Nahgrenze liegt bei einem bis 70cm, je nach Brennweiteneinstellung. Mit der langen Brennweite ist dies ideal, um aus etwa drei Meter Entfernung Details herauszupicken, wie hier in der Modellanlage Smilestones – oder aber um Kleintiere zu fotografieren, ohne in deren Fluchtdistanz zu gelangen.

Bei den Motivprogrammen der P1000 gibt es übrigens zwei Spezialprogramm für Mondaufnahmen und für ornithologische Einsätze. Das sind ohne Zweifel die beiden interessantesten Gebiete, und viele Fotografen werden sich die Kamera wohl gerade für diese beiden extremen Motivbereiche zulegen.

3000 Millimeter (oben) sind ideal, um den Mond zu fotografieren. Mit dem vierfachen Digitalzoom gelingen sogar Detailansichten des Erdtrabanten – fast so gut, wie mit einem Teleskop.

Als Zubehör gibt es von Nikon für den Einsatz mit Extrembrennweiten noch das Punktvisier DF-M1, ein kompaktes, zusammenklappbares Scope, das ein ideales Hilfsmittel für Teleaufnahmen ist. Es kann damit einen Zielpunkt auf dem Motiv platziert werden, um dieses zu verfolgen ohne den Sucher der Kamera zu verwenden. So können selbst schnell fliegende Vögel oder Flugzeuge effizient verfolgt werden, während Sie beide Augen geöffnet haben, und Ihr Motiv problemlos in der Mitte des Bildes halten.

Das Punktvisier DF-M1 ist ein ideales Hilfsmittel für Teleaufnahmen ist. Es kann damit einen Zielpunkt auf dem Motiv platziert werden, um dieses zu verfolgen ohne den Sucher der Kamera zu verwenden. Es ist übrigens auch für andere Objektive verwendbar.

 

Fazit

Die Nikon P1000 darf zu Recht als einzigartig bezeichnet werden, dann keine Kamera des gegenwärtigen Marktes bietet einen solchen Zoombereich. Als prüfenswerte und vor allem kompaktere Alternativen kämen höchstens noch die Panasonic DC-FZ-82 mit einem 60x Zoom 20-1200mm oder die Canon PowerShot SX70 HS mit 65x 21-1365 mm in Betracht. Aber von Nikons Dreimeter-Kamera bleiben sie weit entfernt.

Allgemein hat die P1000 sehr gute Qualitäten und ist auch gut bedienbar. Allerdings ist sie gross, klobig und schwer, deutlich schwerer als ihr Vorgängermodell P900. Mit 3000mm Brennweite umzugehen ist nicht ganz einfach und bedarf etwas Übung – da dürften einige Zoobesuche sinnvoll sein.

Etwas schade ist, dass die P1000 keinen leistungsfähigeren Sensor mit höherer Empfindlichkeit und besserem Rauschverhalten hat. Zudem ist die Kamera nicht spritzwasser- und staubdicht – daran sollte man denken, wenn man mit ihr auf Vogelprisch geht. Und letztlich ist uns die mangelhafte Platzierung des Stativgewindes aufgefallen, welches der Kamera eine schlechte Statik verpasst.

Kann man mit diesen kleinen Mängeln leben, so hat man eine extrem leistungsfähige Kamera zu einem sehr guten Preis (CHF 1249.00), die nicht nur universell einsetzbar ist, sondern Bilder ermöglicht, die mit keiner anderen Kamera zu machen sind.

Text und Bilder: Urs Tillmanns

Weitere Informationen über die Nikon P1000 finden Sie unter nikon.ch.

 

 

5 Kommentare zu “Unterwegs mit einer Einzigartigen”

  1. Die Nikon P1000 nutze ich nun seit bald drei Monaten als Wildlifefilmer und ich bin hoch zufrieden damit. Bis anhin schleppte ich schwere Teleobjektive. Diese Zeiten dürften nun weitgehend vorbei sein, zumal ich nicht mehr der jüngste bin. Die vergleichsweise nur 1,4 kg schwere Kamera trage ich zum Transportieren bequem in einem Rucksack.

    Telezooms haben in aller Regel ihre grösste Schwäche bei der längsten Brennweite und bei der nächsten Einstelldistanz. Ich bin sehr überrascht, wie gut die Bildqualität erst recht mit 4K-Video ist. Ich filme und fotografiere ausschliesslich bei Offenblende, weil mit dem kleinen Sensor ein Abblenden schnell zu Strahlenbeugungen und damit Bildunschärfen führt. Zudem nutze ich wenn immer möglich ISO 100, was beim Filmen mit 25p selbst bei tagsüber bedecktem Himmel meist ausreicht. Für Dämmerlicht ist die Kamera nicht geeignet.

    Während im Fotomodus man unterschiedlich grosse AF-Felder (klein, normal, gross) im Sucher verschiebbar wählen kann, sogar Motivverfolgung (AF-Tracking) ist verfügbar, ist beim Filmen leider nur ein grosses, unbewegliches, nicht sichtbares AF-Feld wählbar. Dabei kann AF-S (Einzel-AF) oder AF-F (permanenter AF) eingestellt werden. Diesbezüglich ist die Sony RX 10 IV für den Videographen weit besser ausgestattet.

    Zum Auslösen der Nikon P1000 nutze ich die sehr praktische Fernsteuerung ML-L7, die Druckschalter für Foto und Video und zum Zoomen hat. Er funktioniert selbst dann, wenn man ihn in der Hosen- oder Jackentasche bedient, was bei kalten Temperaturen sehr willkommen ist.

    Zum Stativ: Ich empfehle dringend ein Videostativ mit Videokopf in Nivellierschale, mit dessen verschiebbaren Kameraplatte man die Kamera in die Balance bringen kann. Wer ein Fotostativ hat, sollte eine Nivellierplatte (z.B. von Novoflex oder Sirui) zwischen Stativteller und Kopf einsetzen.

  2. Ich muss mich korrigieren. Ein Videokopf ist natürlich zum Fotografieren dahingehend ungeeignet, weil man damit nicht im Hochformat Motive ablichten kann. Urs Tillmanns hat völlig recht: Das Stativgewinde ist an der Kamera gänzlich falsch platziert. Um die Kopflastigkeit bei ausgefahrenem Objektiv zu minimieren, könnte man auf den Kugelkopf eine Schnellwechselkupplung mit verschiebbarer Wechselplatte aufschrauben.

    Übrigens: Auch während dem Filmen kann gleichzeitig fotografiert werden. Nach Filmstopp muss allerdings ein paar Sekunden, je nach Anzahl Fotos, das Abspeichern abgewartet werden. Damit sind Fotos aber entsprechend dem Videoformat nur im 16:9 Format möglich. Ich empfehle deshalb das separate Fotografieren mit höchster Auflösung bei 16m (4608 x 3456).

  3. Liebe Fotointern- Redaktion,
    vielen Dank für Ihren kritisch- objektiven Bericht. Ich habe wieder eine ganze Menge gelernt.
    Ich freue mich schon jetzt auf weitere Testberichte von Ihnen,

    herzlich, Ernst von Känel, Naturfotograf

  4. Toll, wenn eine bzgl. Bildqualität nicht unumstrittene bzw. logischerweise begrenzte Bridge durch einen kritischen Könner wie F. Labhardt geadelt wird! Herzlichen Dank den beiden Experten.

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