Rund ein Jahrhundert lang existierte in der bernischen Gemeinde Schwarzenburg das Fotogeschäft Zbinden. Drei Generationen fotografierten hier vor allem Porträts, Gruppen oder Schulklassen, dokumentierten Aktualitäten und hielten den Wandel des Alltagslebens in Bildern fest. Zum Dorffotografen ging man vor allem, wenn man ein neues Passbild oder aus besonderem Anlass ein schönes Porträt von sich brauchte, oder man rief ihn zu Familienfesten, Hochzeiten, Taufen oder runden Geburtstagen.
Der Dorffotograf in Schwarzenburg – für damalige Verhältnisse weitab von Bern und Fribourg – lebte in erster Linie von solchen Aufträgen oder er fotografierte besondere wichtige Ereignisse, wie Dorfumzüge, Volksfeste, Jahrmärkte, Schulklassen aber auch Unfälle oder Brandfälle auf sein Risiko und als Dokumentation der lokalen Zeitgeschichte. Allmählich kam auch der Handel mit Fotoapparaten hinzu, das Entwickeln und Vergrössern von Kundenbildern sowie der Verkauf von Filmen und Verbrauchsmaterial. Dann darf man auch den Bereich der Postkarten-Fotografie nicht vergessen, welcher für den ortsansässigen Fotografen in der Zeit des aufstrebenden Tourismus ein unverzichtbares, lukratives Geschäft war. Ein recht vielfältiges Angebot also, von welcher der Familienbetrieb in einem nahezu konkurrenzlosen Umfeld gut leben konnte. So haben Rudolf Zbinden als Firmengründer, danach Robert und Nora Zbinden und zum Schluss die Geschwister Ruth Clalüna-Zbinden und Peter Zbinden in Schwarzenburg rund eine halbe Million Bilder, bzw. Glasplatten und Negative geschaffen und damit ein beispielhaftes Vermächtnis zur Zeitgeschichte einer Region und zur Fotogeschichte der Schweiz geleistet.
Das Buch fasziniert. Es fasziniert einerseits mit einem bisher ungesehenen Schatz an Bildern, welche das Leben in einer Region, die Arbeitswelt und das Dorf im Wandel eines Jahrhunderts dokumentieren. Gleichzeitig zeigen die Bilder auch ein Stück Fotogeschichte, vor allem, wie sich das Bildverständnis, die Wünsche der Kunden und die Kreativität in der Fotografie im Laufe der Jahrzehnte verändert hat. Das bringt auch die Bildauswahl des Buches deutlich zum Ausdruck, in dem sich Doppelseiten historischer Bilder mit solchen neueren Datums von Peter und Ruth abwechseln.
In die Schaffensepoche von Peter und Ruth fällt auch eine grundlegende Neuorientierung ihres Geschäftes. Neue Handelsformen mit Grossmärkten, Discountern und dem drohenden Internethandel und nicht zuletzt auch mit der geografische Nähe von grösseren Anbietern in Bern und Fribourg haben das Geschäft mit Kameras, Zubehören und Verbrauchsmaterial immer uninteressanter werden lassen. So entschied das Geschwisterpaar 1995 den Handelsbereich aufzugeben und sich fortan nur noch der Auftragsfotografie und der kreativen Gestaltung zu widmen. Der Entscheid war sicher richtig, und das Engagement in kreativer Richtung wurde auch mit verschiedenen nationalen und internationalen Auszeichnungen belohnt. Schade, aber verständlich, dass die beiden 2016 beschlossen, das Geschäft mangels Nachfolge aufzugeben – und damit wurde Schwarzenburg um ein wichtiges und einmaliges Kleingewerbe ärmer.
Das Buch «Photo Zbinden. Drei Generationen Fotografie in Schwarzenburg, 1916-2016», das übrigens mit dem Kulturpreis des Lions Club Köniz ausgezeichnet wurde, enthält noch einen anderen, sehr wichtigen und informativen Teil, nämlich die Texte der Fotohistorikerin Nora Mathys. Diese vermitteln nicht nur die Geschichte der Fotografendynastie Zbinden, sondern sie geben auch sehr viel Interessantes zur Region, zum Ortsleben und zum Bildverständnis der Landbevölkerung im Wandel eines Jahrhunderts wieder. Das Buch wird damit nicht nur für fotohistorisch Interessierte wichtig, sondern auch für Leser, die sich für die Lokalgeschichte und die früheren Lebensgewohnheiten auf dem Lande interessieren.
Urs Tillmanns
Buchbeschreibung des Verlages
«Photo Zbinden» ist in und um Schwarzenburg ein Begriff. Es war das einzige Fotofachgeschäft im Dorf, fast jeder ist einmal vor Zbindens Kamera gestanden. Wie haben sich Porträts von Familien, Hochzeitspaaren, Schülerinnen und Schülern in den letzten hundert Jahren verändert? Wie entwickelte sich das Dorf Schwarzenburg und die Region in dieser Zeit? Zu welchen Anlässen wurden die Fotografin und die Fotografen von Photo Zbinden gerufen? Anhand der Postkartenansichten sowie der Fotografien zu besonderen Ereignissen und zum Alltagsleben aus dem umfangreichen Archiv von Photo Zbinden wird die rasante Entwicklung dieser ländlichen Umgebung deutlich. Im Zentrum stehen das Leben der Bewohnerinnen und Bewohner, das Gewerbe, die Landwirtschaft, Freizeitaktivitäten und der Alltag im Dorf.
Rudolf Zbinden eröffnete das Geschäft um 1915. Nach seinem frühen Tod führte es ab 1934 sein jüngerer Bruder Robert weiter. Dieser übergab es nach seiner Pensionierung an seine beiden Kinder Peter und Ruth. Während hundert Jahren hielten sie alle das Geschehen mit ihren Kameras fest, so entstand das bedeutendste Bildarchiv der Region.
Der Inhalt
Vorwort
Einleitung
Familie Zbinden
Vom Fotoatelier zum Fotostudio
Die Region
Arbeitswelt
Leben im Dorf
Bibliografie
Ruth Clalüna-Zbinden, Peter Zbinden (Hrsg.)
Photo Zbinden. Drei Generationen Fotografie in Schwarzenburg, 1916-2016
176 Seiten, reich bebildert, schwarzweiss und farbig
Format 21,5 x 28,0 cm, gebunden, Hardcover
Texte: Nora Mathys und Urs Rohrbach
Ausgezeichnet mit dem Kulturpreis des Lions Club Köniz
Stämpfli Verlag AG, Bern
ISBN 978-3-7272-6038-4
Preis: CHF 34.00 / EUR 34,00
Das Buch kann im Buchhandel, direkt beim Verlag oder hier im Ausland bezogen werden.