Von Ladakh in 3500 Meter über Meer, bei -12 Grad, bis nach Chitwan im Süden Nepals bei über +30 Grad – das schweizerisch-kanadische Hilfswerk Himalayanlife hat uns eingeladen, einige ihrer Projekte zu besuchen. Für Ursula und mich sind das Ferien mit Sinn, denn wir fotografieren und filmen ehrenamtlich für Himalayanlife. Wir sind beeindruckt von der Professionalität und dem Engagement der Mitarbeitenden. Oberstes Credo ist immer, dass alles, was Himalayanlife tut, den Menschen vor Ort hilft und wo immer möglich Hilfe zur Selbsthilfe ist. Taten statt vieler Worte – oder eben «liefere, nid lafere» (ein schweizerdeutscher Ausdruck, den ich für meine Freunde in Deutschland und Österreich am ehesten mit «handeln und nicht rumpalavern» übersetzen würde).
Weil Himalayanlife stark bedürfnisorientiert arbeitet, sind die Projekte sehr unterschiedlich: In Yangri half die NGO nach dem verheerenden Erdbeben im Jahr 2015 beim Wiederaufbau der Häuser und hat ein Schulhaus gebaut, damit die heranwachsende Generation nicht ohne Schulbildung aufwächst – denn das Erdbeben hat nicht nur viele Wohn- sondern auch praktisch alle Schulhäuser zerstört. In Pokhara hat Himalayanlife begonnen, sich um Strassenjungen zu kümmern. Und weil niemand den Kids von der Strasse Arbeit gibt, haben sie selbst Arbeitsplätze geschaffen, indem sie die erste und bisher einzige PET-Recyclinganlage aufgebaut haben. Damit schlagen sie gleich zwei Fliegen mit einer Klappe – es sind rund 60 Jobs entstanden und Himalayanlife tut etwas für den Umweltschutz. Kleine Notiz am Rand: Weil Himalayanlife das PET in Handarbeit aussortiert, entsteht aus dem Recyclingprozess das vielleicht reinste Granulat. Wenn ein Entscheidungsträger einer Outdoorfima diese Zeilen liest, dann melden Sie sich doch – das Granulat wäre ein ideales Rohprodukt für Funktionswäsche, und die Geschichte hinter dem Granulat ist extrem spannend für die Unternehmenskommunikation.
Spiegellos, Vollformat, 47.3 Mpx: Die Panasonic Lumix S1R
Doch in diesem Bericht geht’s nicht in erster Linie um PET-Granulat und neue Schulhäuser, sondern um die neue Lumix S1R. Panasonic Schweiz hat uns freundlicherweise ein Vorserienmodell dieser brandneuen Vollformatkamera für die Reise zur Verfügung gestellt. Die S1R und auch das Schwestermodell S1 wurden ganz bewusst für höchste Qualitätsansprüche und den harten Einsatz konzipiert – eben «liefere, nid lafere». Nach drei Wochen in unterschiedlichen Klimazonen und rund 4000 Belichtungen sowie etwa 500 Videoclips, traue ich mir zu, einige Punkte hervorzuheben, die ich an dieser Kamera besonders gelungen finde. Um das Ganze ein wenig zu strukturieren, habe ich zehn Gründe, die für die Lumix S1R sprechen, zusammengestellt:
1. Solid und ergonomisch gebaut
Wer die S1R in die Hand nimmt, merkt gleich, dass die Kamera kein Leichtgewicht ist. Wenn es darum geht, die Kamera herumzuschleppen, dann wünsche ich mir wie wahrscheinlich alle Leserinnen und Leser möglichst leichtes Equipment. Andererseits ist eine schwere Kamera besser ruhig zu halten, und ein stabiles Gehäuse mit Spritzwasserversiegelung bietet mehr Schutz gegen Stösse und Umwelteinflüsse. Für mich sind diese Aspekte so wichtig, dass ich das Herumschleppen in Kauf nehme.
Panasonic S1R mit Leica Vario Elmarit SL 2.8-4.0/24-90 ASPH auf 24 mm // 1/500 sec // f 13 // 200 ISO
Unsere Reise startete in Ladakh, das auf 3500 Meter über Meer liegt. Das Thermometer zeige zeitweise -12°C an. Im Vordergrund sehen sie Leh, im Hintergrund die mächtigen Berge des Himalaya. Das Bild habe ich aus fünf Einzelaufnahmen in Lightroom zusammengesetzt. Das Original hat 137 Megapixel.
Panasonic S1R mit Leica Vario Elmarit SL 2.8-4.0/24-90 ASPH auf 67 mm // 1/640 sec // f 4.5 // 320 ISO // Ausschnitt mit ca. 35 Mpx
Letzte Destination unserer Reise war Chitwan im Süden Nepals, wo uns die Hitze mit über +30°C den Schweiss aus den Poren trieb. Die S1R hat die eisige Kälte in Ladakh genauso wie die Hitze in Chitwan klaglos weggesteckt und immer problemlos funktioniert. Das Bild zeigt Bäuerinnen, die im Fluss nach Schnecken suchen.
2. Gut angeordnete Bedienelemente
Kameras sind heute Computer, die auch Bilder machen – ich nenne sie «Picture taking machines». Die vielen Funktionen erfordern zahlreiche Buttons. Für mich sind die Bedienelemente der S1R logisch angeordnet und gut zugänglich. Dass einige der Buttons beleuchtbar sind, ist ein zusätzliches Schmankerl. Schön wäre, es würden alle Buttons leuchten, aber das ist wahrscheinlich technisch nicht möglich.
Panasonic S1R mit Lumix S 1.4/50 // 1/80 sec // f 2.5 // 3200 ISO
Wenn man mit wenig Licht fotografiert und die Kamera bedienen muss, ist man um die beleuchteten Buttons sehr froh. Das Bild zeigt eine Totenverbrennung in Kathmandu am späten Abend. Ich habe es in Lightroom aus acht Aufnahmen zusammengesetzt. Das Original hat beinah 200 Mpx. Wie Sie unschwer erkennen können, ist eine Totenverbrennung ein öffentlicher Event, dem sehr viele Leute beiwohnen. Die Nepali filmen das Ganze dann auch mit ihren Handys und scheinen ein etwas anderes Verhältnis zum Tod zu haben als die meisten Leute hier (s. dazu auch das Bild unten).
Panasonic S1R mit Lumix S 1.4/50 // 1/80 sec // f 2.5 // 6400 ISO
Besonders wichtig war für mich der Autofokuswahlbutton. Mit einem Druck habe ich gleich alle AF-Funktionen auf dem Screen. So kann ich je nach Motiv superschnell den bestmöglichen AF-Modus wählen. Für die vielen Porträts hat der Augenerkennmodus beste Dienste geleistet. Die Kamera stellt dann jeweils auf das der Kamera nähere Auge scharf. Das funktioniert in der Regel sehr gut. Gerade bei voll offener Blende wird der Schärferaum brutal klein, und exaktes Fokussieren ist unabdingbar.
Panasonic S1R mit Leica Vario Elmarit SL 2.8-4.0/24-90 ASPH auf 82 mm // 1/320 sec // f 4.5 // 320 ISO // Ausschnitt mit ca. 42 Mpx
Bäuerin beim Bündeln von Reissetzlingen. In diesen Situationen funktioniert der Augen-Autofokus hervorragend.
Panasonic S1R mit Lumix S 1.4/50 // 1/80 sec // f 1.4 // 1250 ISO // Ausschnitt mit ca. 30 Mpx
Brutal kleiner Schärferaum mit dem Lumix S 1.4/50 / bei voll offener Blende. Wenn man nah heranzoomt, sieht man, dass bei einer Aufnahme mit abgewendetem Gesicht die Schärfentiefe bei f 1.4 nicht einmal fürs ganze Auge reicht.
Panasonic S1R mit Lumix S 1.4/50 // 1/80 sec // f 1.4 // 1250 ISO // Ausschnitt mit ca. 2.9 Mpx
3. Logische Menüführung
Wie Sie wahrscheinlich auch, lese ich nicht gerne Gebrauchsanweisungen. Wohl habe ich eine für die S1R erhalten, aber ich gestehe, dass ich während den drei Wochen nie ins Manual geschaut habe. Das liegt sicher auch daran, dass ich von der Lumix GH5 her bereits etwas mit der Panasonic-Menüführung vertraut bin. Ganz cool: Die Panasonic-Cracks haben das Menu so aufgebaut, dass man nie scrollen muss. In der Praxis ist das Gold wert. Alle Menüpunkte lassen sich über den Touchscreen anwählen.
Logische Menüführung und auch logisch angeordnete Buttons: Ich habe mich auf Anhieb mit der S1R zurechtgefunden, bin allerdings durch die GH5-Kameras schon an die Panasonic-Bedienphilosophie gewöhnt. Mein Lieblingsbutton wurde der AF-Knopf (rot eingekreist). Damit lässt sich der Autofokusmodus blitzschnell wechseln und über den Ringwahlschalter kann ich sehr schnell zwischen S-, C- und MF-Modus wechseln. Untenstehendes Bild habe ich mit AFC und Gesichtserkennung realisiert. So lassen sich auch scharfe Aufnahmen mit stark geöffneter Blende realisieren.
Panasonic S1R mit Lumix S 1.4/50 // 1/2000 sec // f 2.2 // 50 ISO // AFC mit Gesichtserkennung // Ausschnitt mit ca. 30 Mpx, Schwarzweiss-Umwandlung in Lightroom
Baumaterialtransport in Yangri. Die letzten 300 Meter muss alles Baumaterial für die neuen Schulhäuser mit Manpower herangeschleppt werden.
4. Auflösung
Das Herzstück jeder Kamera ist natürlich der Sensor. In der S1R nimmt ein 47.3 Megapixel Sensor ohne Tiefpassfilter das Bild auf. Der Detailreichtum ist überwältigend, die Datenmenge der RAW-Files brutal. Natürlich könnte man auch in JPG fotografieren – die Kamera liefert hervorragende JPG’s – aber wer mit so vielen Megapixeln fotografiert, möchte in der Regel das Maximum aus den Daten herauskitzeln, und da sind RAW-Files ein Muss. Das Plus an Auflösung bezahlt man immer mit mehr Bildrauschen in den höheren ISO-Bereichen. Der S1R-Sensor ist da keine Ausnahme, und ich bin sicher, dass die S1 mit 24 Megapixeln in den höheren ISO-Gefilden weniger rauscht. Im Vergleich zu anderen Hochpixelkameras, die ich kenne, schneidet der S1R-Sensor aber sehr gut ab. Bis 3200 ISO liefert er sehr gute Resultate, zur Not gehen auch mal 5000 oder gar 6400 ISO.
Panasonic S1R mit Lumix S 1.4/50 // 1/125 sec // f 1.4 // 3200 ISO // Ausschnitt mit ca. 40 Mpx
Marktstand in Kathmandu by night. 3200 ISO gehen meines Erachtens problemlos.
Panasonic S1R mit Lumix S 1.4/50 // 1/80 sec // f 1.4 // 5000 ISO // Ausschnitt mit ca. 35 Mpx
Kathmandu by night. Trotz beinahe 50 Megapixeln liefert der Panasonic-Sensor auch bei höheren ISO-Zahlen Bilder, die nicht stark rauschen. Dieses Foto habe ich mit 5000 ISO realisiert. Unten habe ich ihnen einen Ausschnitt angehängt.
Panasonic S1R mit Lumix S 1.4/50 // 1/80 sec // f 1.4 // 5000 ISO // Ausschnitt mit ca. 7 Mpx
5. Eingebauter Bildstabilisator
Wenn Sie auf dem Screen ein 50 Megapixel-Bild in Originalgrösse aufrufen, wird der gezeigte Ausschnitt deutlich kleiner als beispielsweise bei einem 20 Megapixel-Bild. Ist ja logisch. Und genau so logisch ist es, dass Fehler beim Fokussieren und Verwackeln beim Auslösen brutal bestraft werden. Deshalb ist jeder Helfershelfer, der an Bord ist, sehr willkommen. Der Bildstabilisator hilft, bei etwas längeren Verschlusszeiten doch noch zu einwandfreien Resultaten zu kommen. Aktivieren Sie ihn gleich, und lassen Sie ihn immer aktiviert, es sei denn, Sie fotografieren ab Stativ. By the way: Trotz eingebautem Bildstabilisator empfehle ich, viele Aufnahmen zu machen – gerade wenn Sie Menschen mit voll offener Blende fotografieren. Denn wenn sich ihr Motiv bei Blende 1.4 zwischen Fokussieren und Auslösen um zwei Zentimenter nach vorn oder hinten bewegt, ist die Schärfe nicht mehr ganz am richtigen Ort.
Panasonic S1R mit Leica Apo-Vario-Elmarit SL 2.8-4.0/90-280 auf 201 mm // 1/60 sec / f 3.5 / 400 ISO / Ausschnitt mit ca. 40 Mpx
Dank Bildstabilistaor geht auch mal ein bisschen eine längere Verschlusszeit ohne Stativ, vorausgesetzt, die Objekte im Bild bewegen sich nicht.
6. Bester elektronischer Sucher
Ich war eingefleischter Spiegelreflexfotograf – bis ich im Herbst 2015 durch den Sucher der Leica SL geschaut habe. Zum ersten Mal hatte ich das Gefühl, dass ich mit einem EVF (Electronic Viewfinder) leben kann. Denn ein elektronischer Sucher hat viele Vorteile – keine Dunkelpause beim Auslösen, kompaktere Bauweise, weniger Teile, die kaputt gehen können, keine Vibrationen durch den klappenden Spiegel im Moment der Auslösung, immer ein helles Sucherbild, das auch bewusste Über- und Unterbelichtungen gleich visualisiert. Falls Sie dieses Thema vertiefen wollen, empfehle ich meinen Artikel «Spieglein, Spieglein in der Kamera – wie lange wird es Dich noch geben?» zur Lektüre.
Panasonic hat der S1R einen EVF spendiert, der alle bisherige elektronischen Sucher in den Schatten stellt und erst noch eine Möglichkeit für Brillenträger bietet, das Sucherbild etwas kleiner darzustellen. Mein Freund Christian, eingefleischter Spiegelreflexfotograf, war auf jeden Fall stark beeindruckt, nachdem er zum ersten Mal durch den Sucher der S1R geschaut hat. «Wow, das ist jetzt schon mal eine Ansage», war sein Kommentar. Es könnte also durchaus sein, dass Sie nach einem Testblick durch diesen EVF Ihre Spiegelreflexkamera gegen eine Panasonic S1 oder S1R eintauschen.
Panasonic S1R mit Leica Vario Elmarit SL 2.8-4.0/24-90 ASPH auf 26 mm // 1/800 sec // f 6.3 // 400 ISO // Bildfolge auf H
Floorball auf einem Sandplatz in Chitwan. Diese Aufnahme habe ich leicht unterbelichtet, um die tief stehende Sonne hervorzuheben. Dank dem hervorragenden EVF sehe ich sofort und sehr detailliert, wie sich mein Motiv verändert, wenn ich etwas unter- oder überbelichte. Auch den Schärferaum kann ich gleich sehen, ohne dass ich eine Abblendtaste drücken muss.
7. Videofunktionen
Der Reiz, unterwegs mit der Kamera auch mal noch einen Videoclip aufzunehmen, ist gross. Wir haben zum Filmen zwei Panasonic GH5s dabeigehabt. Aber natürlich hat mich der Gwunder gestochen, und ich habe mal einen Videoclip mit der S1R realisiert. Ich war und bin sehr angetan von der Ästhetik der Clips, denn es wird beinahe der ganze Sensor ausgelesen. Der Cropfaktor liegt vielleicht bei 1.1. Dadurch kann man einen richtigen Vollformatsensor-Look erzeugen. Mit der S1R gehen 60p bei 4K – das gibt Reserve, wenn man einen Clip oder einen Teil davon in Slow Motion zeigen will. Sowohl bei der S1 als auch bei der S1R sind zur Zeit lediglich 8 Bit Farbtiefe möglich. Panasonic hat für die S1 bereits ein Firmware-Update angekündigt, mit dem eine kamerainterne Aufzeichnung mit 10 Bit möglich sein wird. Falls jemand von Panasonic diesen Artikel liest, dann möchte ich die Bitte anbringen, dass auch die S1R für 10 Bit Farbtiefe aufgerüstet wird. Da die S1R nebst dem SD-Kartenlaufwerk auch ein QXD-Schacht hat, wäre dies durchaus möglich. Und wenn’s dann nicht mit 60 sondern «nur» mit 30 Bildern pro Sekunde in 10 Bit geht, wäre das auch ok ;-). Die erhöhte Farbtiefe gibt einfach mehr Spielraum in der Postproduction.
Dieser kleine Testvideo zeigt die Ästhetik des Vollformatsensors, die mir persönlich sehr gut gefällt. Gefilmt in 4K mit 60 fps hat man dann in der Postproduction noch die Möglichkeit, das Ganze ohne Qualitätsverlust mit leichter Zeitlupe zu zeigen.
8. Sonderfunktionen
Wie bereits erwähnt, sind viele Kameras heute so etwas wie eierlegende Wollmilchsauen. Die S1R hat eine ganze Menge an Spezialfunktionen an Bord wie beispielweise auch extrem schnelle Bildfolgen in 6K, Zeitraffer und die sogenannte High Resolution Aufnahme. Ich habe ein wenig mit dem Zeitraffermodus gespielt. Es geht super easy, eine Timelapse zu programmieren, und nach Abschluss der Timelapse-Sequenz erzeugt die Kamera gleich ein Filmfile mit der gewünschten Bildrate. Genial! Auch mit der High Resolution Aufnahme habe ich experimentiert. In diesem Modus erzeugt die S1R durch Pixelshifting aus mehreren Aufnahmen ein File mit sage und schreibe 187 Megapixeln. Natürlich muss man dafür aufs Stativ, und bewegte Objekte eignen sich nicht. Ich stehe dieser High Resolution Aufnahme mit gemischten Gefühlen gegenüber. Einerseits bin ich ein Auflösungsfreak, ich geb’s zu, andererseits macht es keinen Sinn, wenn der Sensor mehr auflöst als das Objektiv. Weil ich davon ausgehe, dass die Top-Objektive von Panasonic, Leica und Sigma (L-Mount Alliance, siehe dazu auch Punkt 10) maximal 70 Megapixel auflösen, macht diese High Resolution Funktion an der S1R aus meiner Sicht nicht so viel Sinn. Anders sieht das bei der S1 aus: Dort boostet dieser Modus die Auflösung von 24 auf 96 Megapixel – auch ein bisschen mehr als die Maximalauflösung der Objektive, aber natürlich macht hier der Sprung von 24 auf 96 Megapixeln wesentlich mehr Sinn als der Sprung von knapp 50 auf beinahe 200. Wer wirklich mehr als die 50 Millionen Bildpunkte der S1R benötigt, sollte sich mit Mittelformatsystemen auseinandersetzen. Diese sind ja gerade daran, den Sprung von bisher rund 50 auf 100 Megapixel zu vollziehen. Müssen sie auch, denn der Druck «von unten» wird gross, und manch einer fragt sich natürlich, wozu er eine 50 Megapixel-Mittelformatkamera benötigt, wenn eine Kamera wie die S1R gleich viel auflöst. Natürlich ist der Sensor grösser, der Look ist anders, und auch der Arbeitsprozess ist mit der grösseren Mittelformatkamera anders.
Die beiden Aufnahmen zeigen dasselbe Motiv, kurz nacheinander aufgenommen. Die erste Aufnahme wurde ganz normal mit 50 Mpx realisiert, die zweite als High-Resolution-Aufnahme mit 187 Mpx. Weil ich beide Fotos fürs Internet auf 1500 px Breite herunterrechnen musste, sehen Sie keinen Unterschied. Erste wichtige Feststellung in diesem Zusammenhang: Sobald man das Motiv herunterrechnet, ist kein Unterschied mehr feststellbar.
Die Ausschnittvergrösserung zeigt, dass beim Hereinzoomen sichtbar wird, dass das Objektiv die 187 Mpx nicht wirklich aufzulösen vermag. Zweite wichtige Feststellung: Mehr Sensorauflösung macht nur Sinn, wenn auch die Objektive entsprechend gebaut sind. Wer mehr als 50 Mpx benötigt, kann mit Panoramaaufnahmen arbeiten und diese in Lightroom zusammensetzen (s. die Beispiele in diesem Bericht) oder dann ein Mittelformatsystem wählen, das durchgehend auf eine höhere Auflösung ausgerichtet ist.
9. Klappbarer Bildschirm
Nicht alle Kameras sind mit einem klappbaren Bildschirm ausgerüstet, denn eine Kamera ohne Klappscreen ist definitiv kompakter und schöner. Nur pfeif ich ehrlich gesagt auf die Schönheit, wenn die beste Kameraposition zwei Zentimeter über dem Boden oder in 2.50 m Höhe ist. Dann ermöglicht mir ein Klappscreen trotz extremer Kameraposition eine perfekte Kontrolle über mein Motiv. Die S1R hat einen klappbaren Screen, und das ist für mich ein gewichtiges Argument.
Kameradesign und Kompaktheit in Ehren – doch ein klappbarer Bildschirm ist in vielen Aufnahmesituationen in der Praxis eine unschätzbare Hilfe. Oben sehen Sie das Bild, das ich aus Augenhöhe machen konnte, unten mit erhöhter Kameraposition (s. Bild links, das meine Frau Ursula von mir gemacht hat).
Beide Bilder: Panasonc S1R mit Leica Super-Vario-Elmar-SL 1:3.5-4.5/16-35 auf 19 mm // 1/160 sec // f 18 // 250 ISO
10. L-Mount-Alliance
Die Nachricht, dass Panasonic, Leica und Sigma die L-Mount-Alliance schmieden, war DIE Sensation der letzten Photokina. Ich gebe zu, dass ich anfangs gar nicht geglaubt habe, dass diese Meldung echt ist. Unterdessen sind alle drei Hersteller daran, dieses System zu befeuern. Leica ist mit der SL, CL, TL und einigen Objektiven bereits etabliert. Panasonic hat mit den beiden Kameras S1 und S1R sowie den ersten Objektiven ein starkes Signal gesetzt. Und Sigma hat kürzlich elf Hammer-Festbrennweiten für das L-Bajonett angekündigt. Es sind alles Kameras und Objektive im oberen Qualitätssegment. Gut möglich, dass die Dreier-Allianz auch noch Kameras und Objektive im mittleren Preissegment lancieren wird. Doch bis jetzt ist alles vom Feinsten, was natürlich das Herz derjenigen höher schlagen lässt, die ein top leistungsfähiges System wünschen. Panasonic hat uns für die Reise das Lumix S Pro 1.4/50 mm mitgeben. Das Objektiv ist sau schwer, sau teuer und sau gut. Bereits bei offener Blende liefert es hervorragende Bilder. Abblenden muss man nur noch für mehr Schärferaum und nicht für mehr Bildqualität.
Panasonic S1R mit Lumix S 1.4/50 // 1/3200 sec // f 1.4 // 200 ISO
Voll offene Blende für dieses Porträt einer Mitarbeiterin in Nepals einziger PET-Recyclinganlage. Bei so kleinen Schärferäumen ist es empfehlenswert, viele Aufnahmen zu realisieren. Wenn Sie oder die Person im Bild sich nach dem Fokussieren nur um zwei Zentimeter nach vorn oder hinten bewegen, ist die Schärfe nicht mehr am richtigen Ort. Wenn Sie das Bild auf einem Socialmedia Kanal wie Facebook oder Instagram posten, wird das niemand merken. Wenn Sie allerdings einen gigantisch grossen Print erzeugen, wird die kleinste Fokussdifferenz unbarmherzig sichtbar.
Lassen Sie mich am Beispiel dieser Aufnahme zeigen, wie sich die Fotografie meines Erachtens in Zukunft entwickeln wird: Die hoch auflösenden Sensoren ermöglichen es uns, das Bild im Moment der Aufnahme mit mehr Umfeld zu realisieren. Das wird dazu führen, dass wir vermehrt mit Festbrennweiten arbeiten und etwas mehr «Fleisch» um das Motiv herumlassen. In der Postproduction kann ich dann verschiedene Ausschnitte realisieren. Das erfordert ein starkes Umdenken, gerade wenn Sie wie ich jahrelang das Bild im Sucher fertig komponiert haben. Doch die Vorteile liegen auf der Hand, wie die nachfolgenden zwei Ausschnitte aus obigem Bild zeigen. Ich kann aus derselben Aufnahme ein Panorama oder auch ein Hochformat entwickeln. Beide haben noch über 20 Megapixel und lassen sich problemlos selbst mit 100 cm Breite resp. Höhe printen.
In meinen Fotoworkshops ermutige ich die Teilnehmenden immer mal wieder, in Lightroom ein paar virtuelle Kopien von einem Bild zu erzeugen und verschiedene Ausschnitte auszuprobieren. Es ist verblüffend, wie stark die Bildwirkung je nach gewähltem Ausschnitt und Seitenverhältnis variieren kann.
Panoramaausschnitt
Hochformatausschnitt
Dank der L-Mount-Alliance können nebst den Panasonic-Objektiven auch Leica SL-Objektive und in Zukunft auch die entsprechenden Sigma-Objektive an der S1R genutzt werden. Das gibt mehr Freiheit in der Wahl der Objektive.
Die Aufnahme dieses Jungen in Ladakh habe ich mit dem Leica Apo-Vario-Elmarit SL 90–280 mm realisiert Panasonic S1R mit Leica Apo-Vario-Elmarit SL 2.8-4.0/90-280 auf 154 mm // 1/200 sec / f 6.3 / 200 ISO
Fazit
Panasonic ist der Einstieg in die Vollformatwelt geglückt. Wohl hat Panasonic die spiegellose Fotografie nicht erfunden, aber sie haben nebst dem exzellenten Sensor und den vielen technischen Möglichkeiten in einigen Details neue, bessere Lösungen als die Mitbewerber gefunden und umgesetzt. In der Summe gibt das eine hervorragende Kamera, die kompromisslos darauf ausgelegt ist, bestmögliche Bilder zu erzeugen. Das hat sein Gewicht und seinen Preis. Aber wer eine Kamera will, die «liefert und nicht lafert», sollte sich die S1R – und sicher auch die S1 – genauer ansehen.
Text und Bilder: Peter Schäublin
Foto: Ursula Schäublin mit Panasonic GH5s
Hinweis: Sämliche Aufnahmen dieses Berichtes wurden mit einem Vorserienmodell Panasonic Lumix S1R gemacht, weshalb die Bildqualität anhand dieser Fotos nicht final beurteilt werden kann.
Weitere Bilder finden Sie auch auf www.peterschaeublin.com
Mehr Informationen über die Arbeit von Himalayanlife finden Sie auf www.himalayanlife.net und über die Lumix S1/S1R auf www.panasonic.ch
Der Artikel wurde mit freundlicher Genehmigung von www.720.ch übernommen
„Wohl hat Panasonic die spiegellose Fotografie nicht erfunden“ – Panasonic brachte mit der Lumix DMC-G1 die erste mFT Kamera auf dem Markt. Samt EVF und das war nach meiner Erinnerung 2008.
„Der Look grösserer Formate“ – das wird wohl für immer ein ziemlich streitbares Mysterium bleiben . . .
Hallo Philippe – mercie für Dein Feedback. Sorry, ich habe mich unpräzise ausgedrückt. Korrekt wäre „Wohl hat Panasonic die spiegellose Vollformatfotografie nicht erfunden …“
Schöner Ostermontag und LG, Peter Schäublin
„Der Look grösserer Formate“
Ja, das interessiert mich auch wie dieser ‚Look‘ aussieht? Was macht ihn aus?
Sind damit die Milliarden Bilder in Fotoalben gemeint die in den letzten Jahrzehnten mit Kleinbildkameras aufgenommen wurden? Wenn ja, wodurch zeichnen sich diese als besonders erwähnenswert aus? oder ist das vielleicht nur Werbegeklingel das man besser vergessen sollte? Fragen über Fragen. Wer klärt mich auf?