Die Photo Münsingen feiert dieses Jahr ihr 20jähriges Jubiläum und findet vom 30. Mai bis 2. Juni 2019 statt. In den zwei Jahrzehnten hat sich das, was als Wettbewerb und Ausstellung einiger Fotoklubs begann, zu einem der bedeutendsten Fotofestivals mit hoher internationaler Bekanntheit entwickelt. Da sind einerseits die originellen Lokalitäten im Vorort von Bern, anderseits aber eine sehr sensible Auswahl von Fotografen und ihrer Bilder, um seit zwanzig Jahren immer neue Ausstellungs-Höhepunkte zu realisieren – sei es mit Newcomern oder mit international bekannten Fotogrössen.
Die Photo Münsingen feiert dieses Jahr ihr 20jähriges Bestehen. Das Schlossgut-Areal bietet Platz für die vielfältigsten Ausstellungen. (Foto: Urs Tillmanns / Fotointern)
Das Verdienst dieses Erfolges gebührt einer Gruppe Freiwilliger, die sich sowohl in einer langen Vorbereitungszeit als auch während der vier Festivaltage mächtig ins Zeugs legen, um jedes Jahr eine noch bessere «Photo Münsingen» durchzuführen. Der Leiter dieser Gruppe und Präsident des Organisationskomitees der Photo Münsingen Rudolf Mäusli war seit der ersten Stunde mit dabei. Fotointern hat ihm ein paar Fragen gestellt.
Fotointern: Herr Mäusli, Sie sind und von Anfang an dabei. Was hat sich in diesen zwei Jahrzehnten verändert?
Rudolf Mäusli: Einerseits haben wir das Aufkommen der digitalen Fotografie hautnah miterleben können, anderseits mussten wir uns immer wieder konsequent als Fototreffpunkt und als spezialisierter Fotoevent positionieren, um uns im Umfeld der vielen, neu entstandener Foto-Events in der ganzen Schweiz behaupten zu können.
In den ersten Jahren der Photo Münsingen war die digitale Fotografie gerade im Aufkommen. Wie stark hat dieser Wandel die Photo Münsingen beeinflusst?
Die Digitalisierung der Fotografie hat einer breiteren Interessengruppe das einfache und kostengünstige Fotografieren ermöglicht. Dies hat dazu geführt, dass heute fast jeder in irgendeiner Form Bilder erstellt. Die vielen neuen Fotointeressierten haben auch die Ausstellungen der Photo Münsingen und / oder unsere Vorträge, AV-Produktionen und Workshops besucht.
Ruedi Mäusli ist von Anfang an dabei und ist Präsident des Organisationskomitees. Er ist selbst begeisterter Fotograf.
Die Photo Münsingen hat sich in den 20 Jahren als eines der wichtigsten Festivals der Schweiz und Europas etabliert. Was ist in Münsingen anders als bei anderen Fotofestivals?
Wir sprechen eine breite Gruppe von Fotofreunden an, die einen lockeren und niederschwelligen Begegnungsort zum Austausch über die Fotografie schätzen. Wir richten uns auch an die Fotografinnen und Fotografen aus den vielen Fotoclubs, die sich mit Ihrem Klub am jährlichen Wettbewerb «Photo Münsingen Award» beteiligen können. Einmalig ist sicher unser spezieller Veranstaltungsort mit Innenausstellungen in historischen Gebäuden und Ausstellungen in der grünen Umgebung im Schlossgutareal. Wir versuchen den eingeladenen Fotokünstlern zu ihren Arbeiten passende und gut ausgeleuchtete Ausstellungsräume zu bieten.
Nach welchen Gesichtspunkten wählen Sie die ausstellenden Fotografen und Referenten aus?
Einerseits achten wir auf eine grosse Breite an Fotothemen- und Stile über mehrere Jahre an unserem Foto-Event. Anderseits suchen wir Fotografen, die eine qualitativ hochstehende und kreative Fotografie betreiben und interessiert sind, während der Veranstaltung eine Präsenz vor Ort zum Austausch mit andere Fotografen und den Besuchern zu leisten. Wir wollen ab diesem Jahr einen gewissen Teil der Ausstellungen zu einem bestimmten, jährlich wechselnden Thema auswählen; dieses Jahr haben wir das Thema «Reportage» ausgewählt und präsentieren ein paar ausgewiesen Spezialisten in der Reportage-Fotografie mit Ausstellungen und Vorträgen.
Ruedi Mäusli leitet auch jeweils den Eröffnungsabend mit der Rangverkündigung des Wettbewerbs der Fotoklubs
Sie verfolgen aufmerksam die Aktivitäten anderer Festivals. Sind die Rencontres in Arles und Paris Photo, beispielsweise, Ihre Inspirationsquellen?
Insbesondere die Rencontres in Arles sind für uns eine Inspirationsquelle für neue Ausstellungsideen. Vor allem aus dem Off-Festival von Arles rekrutieren wir immer wieder Fotografinnen und Fotografen für Münsingen. Wir sind zusätzlich eine lose Kooperation mit zwei ähnlichen Fotofestivals in Süddeutschland und im Elsass eingegangen. Dabei organisieren wir eine gemeinsame Ausstellung, die in allen drei Regionen gezeigt wird.
Für unsere AV-Produktionen besuchen wir verschiedene Festivals im europäischen Ausland um eine breite Auswahl an kreativen Kurz-Shows nach Münsingen bringen zu können.
Welche besonderen Höhepunkte der letzten 20 Jahre sind Ihnen in besonderer Erinnerung geblieben?
In den letzten Jahren habe ich viele Highlights erleben dürfen; daher ist es schwierig, eine Auswahl zu treffen. Einige dieser Highlights haben wir in der diesjährigen Broschüre unter dem Kapitel «20 Jahre Photo Münsingen» ab Seite 55 ff aufgeführt. Grosse Freude und Bestätigung bedeutet mir immer wieder das Studium der Jahresprogramme der am Wettbewerb teilnehmenden Fotoklubs. Darin sehe ich häufig, dass wir mit unseren Wettbewerbsthemen so einige Aktivitäten in den jeweils ca. 60 teilnehmenden Fotoklubs auslösen und damit das fotografische Schaffen in den Fotoklubs fördern!
Für mich persönlich sind die Begegnungen mit Fotografinnen und Fotografen aus dem In- und Ausland sehr spannend und bereichernd, daraus haben sich einige langjährige Freundschaften ergeben, die über die gemeinsame Auseinandersetzung mit der Fotografie hinausgehen.
Unzählige kleine und grössere Erlebnisse vor- und während der Photo Münsingen sind mir in Erinnerung geblieben. Dazu gehört beispielsweise meine erste Begegnung mit der ukrainisch/russischen Fotografin Elena Martynyuk; sie hat ganz kurz vor der Ausstellung auf unserem Wohnzimmerboden voller Freude noch die letzte Auswahl ihrer Bilder für ihre Ausstellung vorgenommen, um danach eine herrliche Porträt-Ausstellung in Münsingen präsentieren zu können.
Mir ist weiter die Situation mit dem türkische Fotograf Reha Bilir unvergessen, wie er drei Minuten vor der geplanten Ansprache vor vielen Zuschauern und der versammelten türkischen Botschaft direkt aus Istanbul im Schloss Münsingen angekommen ist. Mit ihm zusammen habe ich vier ausgezeichnete türkische Fotografen auswählen und nach Münsingen einladen können.
Auch den chinesischen Ausstellungskoordinator aus Shanghai, der zehn Tage bei uns gelebt hat, ohne ein einziges Wort Englisch (und natürlich auch nicht Deutsch) zu sprechen, werde ich nie vergessen. Ohne Worte haben wir gemeinsam eine grossformatige Ausstellung mit Doppelbelichtungen des chinesischen Fotografen Leo Wong aufgebaut.
Wie wird sich die künstlerische Fotografie in den nächsten Jahren entwickeln? Sehen Sie gewisse stilistische Trends?
Ich möchte mir nicht anmassen, die künstlerische Fotografie in den nächsten Jahren vorauszusehen. Ich glaube jedoch zu spüren, dass der Umgang mit Bildern immer oberflächlicher wird und die Erinnerung an gute Bilder unter der Bilderflut zu ersticken droht. Herausragen werden jedoch die Fotografinnen und Fotografen, die mit ihrer Fotografie nicht einfach Bestehendes abbilden, sondern Neues in Form von Inszenierungen erschaffen oder aktuelle Themen der Zeit aufnehmen können.
Die Smartphone-Fotografie nimmt eine immer wichtigere Bedeutung ein. Wie sehen Sie diese Entwicklung im künstlerisch-kreativen Bereich, und wie stellt sich die Photo Münsingen grundsätzlich zu diesem Trend?
Wir beurteilen die Fotografie nicht nach der verwendeten Technik, sondern daran, ob und wie sie uns berührt, wie sie etwas erzählen oder dokumentieren kann, wie sie uns mit Gestaltung, mit Farben und Formen anspricht. Aufgrund der Entwicklungen im Bereich der Handy-Fotografie oder der spiegellosen Kameras wird die Technik nicht mehr im Vordergrund stehen.
Wir versuchen jedoch die neuen sozialen Medien wie beispielsweise Instagram in verschiedenen Formen in der Photo Münsingen zu integrieren und mit dem Besuchenden der Ausstellungen zu verbinden.
Welche Zukunft sehen Sie generell für Fotofestivals? Wird das Publikumsinteresse weiter zunehmen oder stellt die Bilderflut in den sozialen Netzwerken eine ernstzunehmende Konkurrenz dar?
Bei uns in Münsingen stellen wir nur noch ein leichtes Wachstum der Besucherzahlen auf einem hohen Niveau fest. Für uns ist klar, dass nicht die Menge der Bilder, die wir präsentieren, zählt, sondern die Faszination der Bilder und insbesondere die Möglichkeit andere Fotointeressierte zu treffen und sich mit Fotografen und der Fotoindustrie über die Fotografie auszutauschen.
Diese Begegnungsmöglichkeit wollen wir für die Zukunft weiterentwickeln und allenfalls auch über neue Medien erweitern.
(Das Interview wurde Mitte Mai schriftlich geführt)
Die Photo Münsingen ist wie folgt geöffnet:
Donnerstag, 30. Mai 2019: 10.00-18.00 Uhr
Freitag, 31. Mai 2019: 10.00-19.00 Uhr
Samstag, 1. Juni 2019: 10.00-18.00 Uhr
Sonntag, 2. Juni 2019; 10.00-17.00 Uhr
Der Eintritt ist frei
Weitere Informationen zur Photo Münsingen finden Sie unter www.photomuensingen.ch
Beachten Sie auch unsere Information über die Workshops der Photo Münsingen.