Urs Tillmanns, 23. Juni 2019, 10:10 Uhr

102 Megapixel in der Hand: Die Fujifilm GFX100 im Praxistest

Hanspeter Gass und Oliver Wehrli werden in ihren Masterclass-Kursen bei «Pur Visual» oft nach ihrer Kameraausrüstung gefragt. Während die beiden als Fine Art Landschaftsfotografen bislang hauptsächlich mit der Fujifilm GFX 50s arbeiteten, konnten sie nun ein Vorserienmodell der Fujifilm GFX100 testen. Natürlich hatten sie hohe Erwartungen an das neue Flaggschiff von Fujifilm. Denn mit dem integrierten 5-Achsen-Bildstabilisator sollen Aufnahmen mit 102 Megapixeln selbst bei längeren Belichtungszeiten aus der Hand möglich sein. Konnte die neue Kamera überzeugen? Lesen Sie selbst.

In diesem Review gehen wir auf die für uns wichtigen Aspekte in der Landschaftsfotografie ein. Wir haben dabei ein Vorserienmodell getestet, das in den äussersten Details also noch nicht exakt der finalen Marktversion der GFX100 entspricht, aber dieser natürlich extrem nahe kommt. Als Objektiv haben wir das Fujinon GF23mm F4 aufgesetzt, das wir als ein perfektes Objektiv für die Landschaftsfotografie erachten.

Uns hat es mit dem bisherigen Equipment eigentlich an nichts gefehlt: Lineares Histogramm, Anzeige der Hyperfokale und der immense Dynamikumfang, um nur ein paar relevante Punkte für professionelle Digitalfotografie zu nennen. Sind also die Eigenschaften der neuen GFX100 für unsere Fine Art Landschaftsfotografie noch verlockender als die der GFX50S? Darauf waren wir ebenso gespannt wie auf die Qualität der ersten RAW-Daten aus dieser Kamera.

 

Full-Body und Leichtgewicht

Wir haben Sie in den Händen, die neue Fujifilm GFX100. Faszinierend. Insbesondere, weil wir in diesem Moment die 80-jährige Erfahrung und Ingenieurskunst von Fujifilm in einer Kamera verpackt in den Fingern halten. Alles robust umhüllt von einem grau-schwarzen Magnesiumgehäuse. Die Kamera fällt sofort durch die Bauweise als Full-Body auf. Nimmt man sie in die Hand, wird man ein erstes Mal überrascht. Sie wirkt alles andere als klobig, wie man es vielleicht bei einer solchen Kamera vermutet hätte. Im Gegenteil – sie ist leicht und griffig. Die GFX100 ist natürlich etwas grösser als die GFX 50S oder GFX 50R, aber dennoch nur geringfügig schwerer. Wenn man bedenkt, dass man auf GND Filter, also Grauverlaufsfilter, und deren Halter verzichten kann (mehr dazu weiter unten) fällt vermutlich auch die Fototasche etwas leichter aus.

Die Full-Body-Bauweise aus Magnesium ist erstaunlich kompakt.

 

Mehr Dynamik und 16 Bit Farbtiefe

Der in der Landschaftsfotografie so wichtige Dynamikumfang bzw. die Blendendynamik einer Kamera kann man natürlich messen. Jedoch ist es besser, diesen in der Praxis selbst zu testen und zu beurteilen. Denn für den Dynamikumfang ist nicht nur der Sensor der Kamera elementar, sondern auch das Objektiv und das Zusammenspiel. Sofort aufgefallen ist uns, dass die Fujifilm GFX100 nochmals gefühlte ein bis zwei Blenden mehr Dynamik offeriert als die GFX 50s. Das sieht man auch schon mit 8 Bit generierten JPEGs auf dem Display. Das RAW selbst, also das Fujifilm «RAF», hat 16Bit. 16 Bit kannte man bisher eigentlich nur von den teureren Mittelformatkameras. Wenn wir nun das Histogramm verschieben, erreichen wir überspitzt gesagt nie das Ende bei den Lichtern. Wir verwendeten bei der GFX 50s schon keine Grauverlaufsfilter mehr. Bei der GFX100 haben sich die GDN-Filter nun definitiv erübrigt. Natürlich sieht es bei ND, also gewöhnlichen Graufiltern, anders aus: Dort geht es ja darum die Belichtungszeit mit gleichbleibendem Lichtwert zu verlängern.

Was uns dabei übrigens auch besonders gefallen hat, ist die Möglichkeit, das Schulterdisplay so einzustellen, dass dort das Histogramm gross dargestellt wird. Das zusätzliche Subdisplay kann man dann zum Beispiel verwenden, um alle Infos wie ISO, Verschlusszeit, Belichtungswert, Weissabgleich und Filmsimulation darzustellen.

Oben im Schulterdisplay das Histogramm, unten im Subdisplay die Einstellungen.

 

Dynamik mit Unterbelichtung getestet

Damit wir den Dynamikumfang dieser 102-Megapixel-Kamera tatsächlich auch demonstrieren und testen können, haben wir unsere Aufnahmen versuchsweise stark unterbelichtet. Beim Fotografieren achten wir natürlich immer darauf, Unterbelichtungen zu vermeiden, um keine Dynamik oder keinen Farbumfang im Bild zu verlieren. Dieser Test soll also nur zeigen, wie viel Potential in der Kamera steckt.

Vorher: Stark unterbelichtete Aufnahmen zum Test der Dynamik.

 

Nachher: Das Bild mit Belichtungskorrektur von 4 Blenden im Lightroom.

 

Nachher: 100% Ausschnitt nach der Belichtungskorrektur

Wie die Bilder zeigen: Das Resultat ist überwältigend! Ein noch extremeres Beispiel, das in der Praxis auch keinen Sinn machen würde, aber die Stärke der GFX100 in der Dynamik eindrücklich beweist: Wir haben mit mindestens 5 Blenden Unterbelichtung gearbeitet. Nachfolgend das Resultat.

Vorher: Mit mind. 5 Blenden Unterbelichtung.

 

Nachher: Lichter/Tiefen korrigiert, keine Schärfung oder anderweitige Entwicklung.

 

Details zum Verlieben

Wie erwähnt, haben wir das Fujinon GF23mm F4 aufgesetzt, das wir normalerweise als beste Option in der Landschaftsfotografie erachten. Und mit der GFX100 scheint dieses Objektiv nun seine volle Kraft entfalten zu können. Die Details, welche das 18mm Kleinbildäquivalente Objektiv wiedergibt, sind erstaunlich. Die enorme Schärfe und Detailzeichnung bis in die Ecken, für die Fujifilm-Kameras ohnehin schon bekannt sind, werden nun noch eindrücklicher demonstriert.

 

Das fertige Bild mit richtiger Belichtung.

 

100% Ausschnitt am rechten Rand mit überraschender Schärfe.

 

100% Ausschnitt in der Bildmitte, wo man sogar die Schrift auf den Wegweisern erkennt.

 

100% Ausschnitt der linken unteren Ecke mit erstaunlichen Details.

 

Ein weiteres Beispiel: Die Schärfe am Bildrand spricht für sich.

 

Mit 102 Megapixeln aus der Hand fotografieren

Die GFX100 ist einerseits mit einem neuen 5-Achsen-Bildstabilisierungssystem ausgestattet. Zusätzlich ist die Verschlusseinheit federnd gelagert – ein Shock Absorber also, der die Vibration minimieren soll. Und tatsächlich: Für uns ist es ein absolutes Novum in der Mittelformat-Fotografie, Bilder aus der Hand ganz ohne Stativ mit 1/5 Sekunde Verschlusszeit machen zu können – wie im Bild-Beispiel getestet. Auch wenn wir in der Landschaftsfotografie natürlich meistens ein Stativ einsetzen, um mehr Zeit für die Komposition und Belichtung zu haben, ist dies eine sehr nützliche und vor allem beeindruckende Stärke der Kamera. Eben gerade dann, wenn eine Aufnahme mit Stativ einmal nicht möglich ist. Während wir bisher sogar das Gefühl hatten, dass Bildstabilisatoren die Schärfe negativ beeinflussen, ist bei der GFX100 das Gegenteil der Fall.

 

Beeindruckende Aufnahme mit 1/5 Sekunde Verschlusszeit, mit Bildstabilisator, ohne Stativ.

 

Wetterfest und robust

Als Landschaftsfotografen sind wir ausschliesslich draussen unterwegs. Wetterfestigkeit und Robustheit sind dabei ein Muss. Gut also, dass die GFX-Reihe und so auch diese GFX100 allesamt wetterfest und die Objektive vor Wasser und Staub geschützt sind. Wir hatten die GFX bei Starkregen, längerer Kälte und ohne zusätzlichen Schutz auf dem Stativ und dabei keine Probleme mit dem Equipment. Dies ist für uns eine sehr wertvolle Eigenschaft und ein starkes Argument für die GFX-Serie. Die GFX100 hat die Robustheit und Wetterfestigkeit sogar noch weiter optimiert. Das speziell dafür entwickelte und gehärtete Magnesiumgehäuse ist nochmals härter bei gleichzeitig geringerem Gewicht. Zudem schützt es noch besser vor Kälte und Hitze und hält auch eine Luftfeuchtigkeit im Kameragehäuse von bis zu 80% aus.

 

Grösse der Bilddaten und RAW Konverter

Die 102-Megapixel-Auflösung lässt vermuten, dass die Dateien enorm viel Speicher in Anspruch nehmen. Ein RAW-File hat eine Dateigrösse von nur ca. 210 MB, was weniger ist als vermutet, natürlich aber etwas Rechenleistung bei der Bildbearbeitung erfordert. Fujifilm hat die Daten jedoch so klein wie möglich gehalten.

Als wir die GFX100 testeten, war der Capture One Konverter noch nicht verfügbar und wir haben die RAW-Files (RAF) mit Adobe Lightroom bearbeitet. Unterdessen ist Capture One verfügbar und wir würden jedem empfehlen, damit zu arbeiten. Fujifilm und Phase One (die Entwickler von Capture One) haben in jüngerer Zeit eine sehr enge Zusammenarbeit, wodurch der RAW Entwickler aus dem Hause Phase One optimal auf die Daten und Eigenschaften der Fujifilm-RAW-Dateien (RAF) abgestimmt wurden. Ihr könnt damit also viel mehr aus den Farben, Tiefen und Lichtern des Fujifilm Systems herausholen. Dazu unser Direktvergleich, bei dem man den Unterschied deutlich sieht: Der Capture One Konverter interpretiert die Farben und insbesondere die besonders relevanten Grüntone besser und natürlicher. Um den Unterschied darzustellen unten der Vergleich der beiden Bilder.

 

GFX100 RAW Entwicklung. Vergleich: Capture One vs. Adobe.

 

Benötigt man 102 Megapixel oder reichen 51 aus?

In den meisten Fällen genügt uns die Auflösung der GFX mit 51 Megapixeln, vor allem weil diese Megapixel ohnehin eine enorme Qualität aufweisen. Da wir aber auch häufig im Panoramaformat «X-Pan» (Seitenverhältnis 65:24) fotografieren, verlieren wir durch den Beschnitt etwas an Auflösung. Mit 100 MP bleibt mehr übrig, was bei grossen Druckprodukten sicher von Vorteil ist.

Der Entscheid, ob man sich eine GFX-Mittelformatkamera anschaffen möchte, muss jeder selber für sich treffen. Die Anschaffungskosten sind heute jedoch fast kein Gegenargument mehr.

Die meisten, die in dieses System investiert haben, berichten uns von absoluter Zufriedenheit und ihrer Überzeugung, nicht mehr zum vorher genutzten System zurückkehren zu wollen.

 

Fazit

Wenn man vom digitalen Kleinbild-System kommt, ist der Unterschied überwältigend und man würde gerne alle Bilder nochmals mit dem Mittelformat machen. Lange waren wir selbst auch im Kleinbild-Format unterwegs, weil es schlicht und ergreifend zu teuer war, das ganze Equipment zu wechseln. Während sich viele Fotografen in der Schweiz ihr System mieten, ist dies als Landschaftsfotograf einfach nicht möglich. Man kann nicht zwei Wochen im Voraus auf einen genauen Tag hin eine Kamera vorreservieren, um Landschaftsfotos zu machen. Weder das Wetter, noch die Lichtstimmung würden an diesem reservierten Tag passen. Betrachtet man das Fujifilm GFX-System sind die Anschaffungskosten dabei nun sehr erschwinglich geworden. Im Gegensatz zu anderen Mitbewerbern ist ein Fujifilm GFX-Body mit einem Objektiv schon unter 10’000 CHF erhältlich.

Ob man sich dabei die GFX 50S, GFX 50R oder nun die neue GFX100 zulegt, spielt letzten Endes keine grosse Rolle. Alle drei haben einen enormen Output und eine faszinierende Qualität. Natürlich legt die GFX100 die Messlatte noch etwas höher, wie in den obigen Beispielen gezeigt. Sie begeistert uns enorm mit der Bildqualität und Farbdynamik. Und auch die Vielseitigkeit, welche diese Kamera mit IBIS und Shock Absorber ermöglicht, möchte man vielleicht nach dem Ausprobieren nicht mehr missen. Aber wer absolute Flexibilität im Feld mag, eine schnelle Reaktionszeit der Kamera wünscht, Wetterfestigkeit, Kälte- und Feuchtigkeitsresistenz benötigt und dabei keinerlei Kompromisse im Daten-Output eingehen will, der wird mit der GFX mit 51 Megapixel optimal und mit der GFX100 noch eine Spur optimaler bedient. 

Bilder und Text von Hanspeter Gass und Oliver Wehrli

Weitere Informationen finden Sie auch auf der Produkteseite von Fujifilm.

 

5 Kommentare zu “102 Megapixel in der Hand: Die Fujifilm GFX100 im Praxistest”

  1. Über ein paar Testbilder mit Hauttönen hätte ich mich sehr gefreut. So fehlt ein wichtiger Aspekt im Test. Wir fotografieren Menschen

  2. Ich habe ganz ähnliche Erfahrungen mit der GFX100 gemacht: und mir mit ihr einen völlig neuen „fotografischen Kosmos“ erschlossen – im Bereich der Pflanzen- und Makro-Fotografie. Dabei streife ich mit der GFX100 „am langen Arm“ durch Gärten und extrahiere danach zum Teil aus Übersichtsaufnahmen aufregende Einzelheiten heraus – ja, und dabei sind es die Detailfülle (mit IBIS) und die Dynamik des Sensors (zusammen mit einem Objektiv dessen Optik völlig ausserhalb jedes Zweifels steht!) die das Besondere daran ausmachen!
    Ein paar Beispiele sieht man hier in meinem Blog: http://fotosaurier.de/?p=1738nach-dem-regen-unterwegs-mit-dem-gartenmikroskop
    Danke – die Anregungen zur Nutzung der Dynamik bei der Landschaftsfotografie waren sehr nützlich für mich!

  3. Hallo Leute, habt ihr das mit Phase one Daten der 100MP Rückteile vergleichen können ?
    Ich komme von Phase one Systemen und suche immer einen Vergleuch dazu…mein Gebiet ist großteils Auto daher diese Systeme…

  4. Kenne die Sony-Bildwandler der Fuji Kameras schon einige Zeit und bin auch begeistert von obigen Kameras. Die 14 – 16 Bit Dynamik wurde entwickelt für Korrekturen nach den Aufnahmen. Sehen kann man das jedoch nicht an der Kamera, denn die besten Grafik-Monitore geben gerade mal 10 bit und sonstige Monitore 8 bit wieder. Der Offset-Druck der Hochglanz-Magazine bringt kaum 8 bit zu Papier.
    Die hier publizierten 100 %-Ausschnitte geben auf den heimischen Monitoren nicht annähernd solche Details wieder.
    Der gefederte Verschluss wurde für Stativ-Aufnahmen entwickelt, denn kein Stativ kann die Kamera bei Erschütterungen im Bereich unterhalb eines Mikrometers fixieren.
    Das sogen. Mittelformat-System von Fuji finde ich richtig gut, aber „optimal“ lässt sich deswegen immer noch nicht steigern 😉

  5. Tja, selbst „optimal“ läßt sich optimieren 🙂 Irgendwie amüsant & exemplarisch für die Digitalfotografie. Und hier noch ein neues Wort gelernt : „FullBody“-Bauweise (?).

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