Urs Tillmanns, 15. September 2019, 10:38 Uhr

Fotofestival Alt. +1000 im Neuenburger Jura

Das Fotofestival Alt. +1000 hat Tradition. Es wurde bereits vier Mal in den Jahren 2008, 2011, 2013 und 2015 durchgeführt, jeweils in Rossière im waadtländischen Pays d’Enhaut. Dieses Jahr wurde eine andere Region gewählt, nämlich der Neuenburger Jura mit gleich drei Ausstellungsorten: Das Musée des Beaux-Arts in Le Locle (MBAL), das einstige Bauerngut Grand-Cachot-de-Vent in La Chaux-du-Milieu und als Open Air Ausstellung die Ufer des Lac des Taillères in La Brévine. Da diese Regionen alle mehr als 1000 Meter über Meer liegen, bleibt das Festival ihrer Grundidee treu, auch mit den fotografischen Themen, die sich im näheren oder weiteren Sinn mit den Bergen und deren Einheimischen befassen.

Grundthema der Ausstellungen sind dieses Jahr die Spuren der Menschen in der Natur – Spuren, die der Tourismus hinterlässt, Wanderer und Bergsteiger, aber auch die landwirtschaftliche Nutzung und die Besiedelung. Gegen 80 Fotografen aus elf Ländern zeigen ihre Werke, die alle diesem Thema gewidmet sind.

 

Magnum-Ausstellung in Le Locle

Im Musée des Beaux-Arts in Le Locle ist als Kernstück des Festivals auf zwei Etagen die Magnum-Ausstellung zu sehen, mit rund 50 Klassikern aus dem 20. und 21. Jahrhundert, darunter bekannte Namen wie Robert Capa, Henri Cartier-Bresson, Inge Morath, René Burri, Marc Ribout, Thomas Hoepker, Eliott Erwitt, Martin Parr und Werner Bischof, dem sogar ein besonderer Raum gewidmet wurde. Dazu ist zum Festival das Buch «Berge – das Magnum Archiv» im Prestel-Verlag erschienen, zu welchem die Museumdirektorin Nathalie Herschdorfer die Einleitung verfasst hat.

 

Die Magnum-Ausstellung ist auf zwei Etagen verteilt. Im oberen Stockwerk sind die Werke der Klassiker von Magnum zu finden wie Henri Cartier-Bresson, René Burri, Robert Capa, Marc Ribout, Martine Franck oder Inge Morath.

 

Ein separater Raum ist den Werken von Werner Bischof gewidmet mit 15 Originalprints aus den Schweizer Alpen aus den Jahren 1941 bis 1945 und aus Peru von 1954.

 

Im unteren Stockwerk sind die Arbeiten der jüngeren Fotografen vertreten, wie Thomas Hoepker, Martin Parr, Peter Marlow, Carl de Keyzer, Alec Soth oder Steve McCury.

Ebenfalls im Musée des Beaux-Arts sind drei weitere Fotoausstellungen zu sehen, die Zeitdokumentation des Lac des Taillères von Henry Leutwyler, die Landschaftsbilder des Naturparks Doubs des deutschen Fotografen Henrik Spohler sowie die Installation von Noèmie Goudal im Eingangsbereich des Museums, mit zeitlosen Szenerien ursprünglicher Landschaften.

 

Henry Leutwyler hat für das Festival eine eindrückliche Zeitdokumentation geschaffen: Er hat während eines Jahres jeden Monat die gleiche Ansicht des Lac des Taillères fotografiert.

 

Henrik Spohler hat in Künstlerresidenz Landschaftsbilder des Naturparks Doubs realisiert. Es sind einerseits die für den Jura typischen Weideflächen und Tannenwälder, anderseits aber auch Bauwerke und zentimetergenau gestaltete Gelände.

 

Die Installation «Telluris» von Noémie Goudal zeigt Assemblagen von Würfeln in der kalifornischen Wüste und betont damit die menschliche Besessenheit, die Umwelt ergreifen zu wollen. Dabei wird der Betrachter durch ein Labyrinth geführt und entdeckt immer wieder neue Perspektiven.

 

Kulturstätte auf der Juraweide

Der nächste Ausstellungsort ist der etwa elf Kilometer von Le Locle entfernte Jurahof aus dem 16. Jahrhundert «Grand-Cachot-de-Vent» in La Chaux-du-Milieu, der heute als Kulturzentrum genutzt wird. Im Aussenbereich ist die Kunstpräsentation von Yuji Hamada «Primal Mountains» zu sehen, der Schweizer Berggipfel mit Alufolie nachgeformt hat und als Hintergrund den Himmel von Tokio nahm.

 

Die Aussenausstellung beim «Grand-Cachot-de-Vent» zeigt Bergansichten des Japaners Yuji Hamada. Nach der Katastrophe von Fukushima hat Hamada eine Postkarte aus der Schweiz bekommen. Die idyllische Bergwelt fasziniert ihn, so dass er die Berge aus Alufolie nachgestaltet und so die Aufnahmereihe «Primal Mountains» realisiert hat.

Im Innern des Grand-Cachot sind gleich mehrere Ausstellungen zu sehen: Der Franzose Arnaud Teicher dokumentiert verschiedenste Alpenpässe in der Schweiz, Frankreich, Italien und Österreich, Guillaume Perret zeigt eine Porträtreihe von Auto- und Motorradfahrer, welche mit der Bahn den Lötschberg durchqueren und Monique Jacot zeigt uns eine eindrückliche Reportage über die Arbeit der Schweizer Landwirtinnen zu Beginn der 1980er Jahre.

 

Der einstige Stall und die Tenne im Grand Cachot bietet Platz für mehrere Themenausstellungen und Einzelbilder. Der vierhundertjährige Bauernhof ist heute ein attraktives Kulturzentrum.

Beachtlich sind auch die beiden Schwarzweissbilder von Iris Hutegger, die einzelne Bildpartien mit farbigen Fäden bestickt, was wie Blumenfelder oder Flechten aussieht. Weiter sind Bilder von Bruno Fert, Kurt Caviezel, Tonatium Ambrosetti, Xavier Barral, Yves André, Renate Aller und Benoit Jeannet zu sehen.

 

Mahnmal an der Seeidylle

Fotoausstellung an den Ufern des Lac des Taillères. Corey Arnold will in seinen Bildern aus dem norwegischen Hornsund-Fjord auf die Verknüpfung von Natur, Wasser und Gletscher hinweisen und uns den Einfluss der Klimaveränderung auf den Anstieg des Meeresspiegels vor Augen führen.

Der dritte Ausstellungsort ist etwas südwestlich von La Brévine, dem «Sibirien der Schweiz», am Lac des Taillères gelegen. Machen Sie sich hier auf eine Wanderung von gut 20 Minuten gefasst, wenn sie alle Werke der 12 ausstellenden Künstler sehen wollen. Diese sind in Gruppen entlang des östlichen Seeufers und auf eine höher gelegene Alp verteilt und passen, dem Thema entsprechend, hervorragend in diese ruhige Berglandschaft.

 

Auf einer grossen Wiese am See sind rund 20 Bilder verschiedener Fotografen ausgestellt, die zum «Project Pressure» gehören und eindrucksvoll den Zustand der Gletscher auf allen Kontinenten dokumentieren.

Das Grundthema dieser Ausstellungen sind «Warnsignale» – Warnsignale, welche die Natur an uns Menschen aussendet, um uns von der Klimaerwärmung zu warnen. «Project Pressure», ein Zusammenschluss von Fotografen und Wissenschaftler, fotografieren und untersuchen seit 2008 die Gletscherschmelzen auf allen Kontinenten und stellen so ein weltweites Gletscherarchiv zusammen.  

Die am Lac des Taillères ausstellenden Künstler sind: Corey Arnold (USA), Michael Benson (USA), Edward Burtynsky (Kanada), Scott Canarroe (Kanada), Peter Funch (Dänemark), Noémie Goudal (Frankreich), Richard Mosse (Irland), Simon Norfolk (Nigeria), Norfolk + Thymann (Nigeria), Christopher Parsons (Grossbritannien), Toby Smith und Klaus Thymann, der Initiant der Bewegung «Project Pressure».

 

Der Engländer Toby Smith hat das armenische Hochland und die Lebensweise der Einheimischen dokumentiert. Die Hyrologie der Region hängt zu einem grossen Teil von den Gletschern des erloschenen Vulkans Aragaz ab.

Das diesjährige Fotofestival «Alt. +1000» ist den Spuren des Menschen in den Bergen gewidmet und zeigt eindrückliche Werke von rund 80 schweizerischen und internationalen Fotokünstlern, die sich seit Jahren mit diesem Thema befassen. Sie wollen mit ihren Bildern nicht nur eine Bestandesaufnahme zeigen, sondern die Fotos sollen uns die menschgemachten Veränderungen in den Bergen vor Augen führen, die uns einerseits Erholung und Abwechslung bieten, anderseits jedoch auch eine Gefahr darstellen, wenn wir die Warnsignale der Natur nicht beachten. Das Fotofestival und die vielfältigen Arbeiten dieser Fotografen weisen eindrücklich auf diese Veränderungen in der Bergwelt hin.

 

Der Däne Peter Funch sammelt historische Postkarten, um sie mit dem heutigen Zustand der Gletscher zu vergleichen. Mit der Technik der Farbtontrennung will er die menschliche Einwirkung auf die Landschaft versinnbildlichen.

Text und Fotos: Urs Tillmanns

Praktische Informationen:

Musée des Beaux-Arts in Le Locle
Ausstellungen bis 13. Oktober 2019
geöffnet Mittwoch bis Sonntag, 11-17 Uhr
Eintritt CHF 8.-

Grand-Cachot-de-Vent in La Chaux-du-Milieu
Ausstellungen nur bis 22. September 2019
geöffnet Montag bis Sonntag, 10-17 Uhr
Eintriff frei

Lac des Taillères in La Brévine
Ausstellungen nur bis 22. September 2019
freier Zugang

Das Buch zur Ausstellung:
«Berge – das Magnum Archiv»
Texte von Nathalie Herschdorfer und Pietro Giglio
Hardcover, 240 Seiten, Format 24,0 x 30,0 cm,
180 farbige Abbildungen, 50 s/w Abbildungen
Prestel-Verlag, Randomhouse
ISBN: 978-3-7913-8585-3
Preis: CHF 65.00 / EUR 48,00 [D] inkl. MwSt.

 

Weitere Informationen finden Sie unter www.plus1000.ch

 

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