Urs Tillmanns, 6. Januar 2020, 09:15 Uhr

Photobastei stellt ihren Betrieb per Ende Juni ein

Die Photobastei schliesst nach fünf Jahren per Ende Juni ihren Betrieb. Trotz guten Vermietungs- und BesucherInnenzahlen bleibt das Ausstellungs- und Kulturzentrum am Sihlquai 125 leicht defizitär. Bei einem Umsatz von rund einer Million Franken sind die Risiken, die sich insbesondere aus dem Museumsbetrieb ergeben, zu gross, um vom Hauptverantwortlichen, Romano Zerbini getragen zu werden. Deshalb hat er entschieden, die Photobastei auf Ende Juni 2020 zu schliessen.

 

Copyright: Urs Tillmanns / Fotointern.ch

Romano Zerbini von der Photobastei 2.0 als diese ihre Räumlichkeiten am Sihlquai in Zürich eröffnete

Die Photobastei hatte es seit ihrer Gründung finanziell nie leicht. Sie versuchte, sich durch einen Angebots-Mix von Museum, Vermietung von Ausstellungsräumen sowie einem Kulturzentrum mit Gastronomie selber zu tragen. Ziel war ein kultureller Freiraum, der unabhängig von Sponsoring und Kulturförderung sich selber finanzierte. Nach fünf Jahren zeigt es sich nun, dass dies knapp, aber eben leider nicht ganz gelingt.

Insbesondere der Museumsbetrieb ist grösseren Schwankungen unterworfen: Nicht jede Ausstellung kommt beim Publikum in einer Weise an, dass sie ihre Gestehungskosten einspielt. Oder aber der Sommer will einfach nicht enden, und die BesucherInnen bleiben aus. Erschwerend kommt beim Standort am Sihlquai dazu, dass sich die Photobastei im 2. und 3. Stock eines sehr alternativ geprägten Gebäudes befindet und über kein Laufpublikum verfügt. Im Sommer muss die Photobastei deshalb drei Monate schliessen und generiert keine Einnahmen.

Die Risiken konnten schnell Löcher von vorübergehend 50’000 CHF bis 100’000 CHF reissen, die auch mit grösstem Einsatz durch den Gastrobetrieb, durch Sponsoring oder durch Eingaben bei Stiftungen und der Stadt Zürich nicht immer ganz gedeckt werden konnten.

Das kleine Team, bestehend aus vier Teilzeitstellen, die den gesamten Betrieb stemmen, ist müde und ausgezehrt. Romano Zerbini ist nicht mehr in der Lage, die finanziellen Risiken zu tragen. Bei allem Elan und Idealismus ist das Projekt in dieser Form deshalb nicht zu halten. Die Photobastei schliesst auf Ende Juni 2020.

 
 
Die Photobastei

Die Photobastei ist ein privat von Romano Zerbini initiiertes Kultur- und Fotografieprojekt. Sie verstand sich als ein Freiraum für Fotografie und Performing Arts. Seit ihrer Gründung im Jahre 2014 hat sie sich zu einer lebendigen und schillernden Institution Zürichs entwickelt.

Sie war das einzige Haus für Fotografie in Zürich. Die hochstehenden Museumsausstellungen und das spezielle Konzept strahlten weit über die Landesgrenzen hinaus. Denn die Photobastei bot neben musealen Dauerausstellungen auch Mietraum für Fotografieausstellungen für Jedermann an. Ziel war es, das fotografische Schaffen in seiner ganzen Breite zwischen den Off-Spaces und den etablierten Institutionen und Galerien zu zeigen sowie die soziale Praxis des Mediums zu untersuchen. Nach einer Gewöhnungszeit fand diese offene Haltung ein treues Publikum.

Daneben führte die Photobastei auch eine offene Bühne und eine Bar. Sie verstand sich als ein niederschwelliger, offener Veranstaltungsraum, der Energien anziehen sollte, welche im Markt noch unbekannt waren oder dort keine Chancen hatten. Es fanden unzählige Konzerte, Festivals, Parties und andere Performances statt.

Einzigartig war die Möglichkeit, in der Photobastei den Reflektionsraum der Ausstellungen mit jenem der Performing Arts zu verschmelzen. Dies gelang insbesondere während der Punkausstellung «Raw Power» anfang 2019, die zu einer kleinen Legende wurde.

Die letzten fünf Jahre zeigten das Bedürfnis nach einem günstigen, offenen, niederschwelligen und unformatierten Raum in Fotografie und Performing Arts in der Stadt Zürich. Die Mietflächen für Ausstellungen waren meistens auf ca. 8 Monate hinaus ausgebucht. Auf der Bühne fanden immer mehr Darbietungen statt und die Zahl der Anlässe wuchs im zweistelligen Prozentbereich. 

Eine Dunkelkammer mit sieben Arbeitsplätzen sowie eine Bibliothek mit über 1500 Standardwerken zur Fotografie rundeten das Angebot ab.

Spiritus Rectus, Kurator, Direktor sowie Mäzen der Photobastei war Romano Zerbini.

(Pressetext Photobastei)

Unsere Meinung: Mit der Betriebseinstellung der Photobastei verliert die Schweizer Fotokulturszene einen sehr wichtigen Pfeiler, bot sie doch unzähligen sowohl jungen als auch arrivierten Fotokünstlern Gelegenheit, ihre Werke einem breiten Publikum zugänglich zu machen. Für viele war ihre Ausstellung ein wichtiger Meilenstein in ihrem beruflichen Lebenslauf.
Fotointern bedauert und versteht diese Entscheidung und möchte an dieser Stelle Romano Zerbini für seinen unermüdlichen Einsatz und seinen wichtigen Beitrag zur Schweizer Kulturszene danken. Er hat mit der Photobastei in den letzten fünf Jahren viel in der Schweizer Fotoszene bewegt. Urs Tillmann
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4 Kommentare zu “Photobastei stellt ihren Betrieb per Ende Juni ein”

  1. Kurz und Bündig , viele Menschen wollen immerzu alles oder fast alles Gratis. So auch mit Eintritten immerzu Feilschen und freiwillige Beträge vielmals gar nicht Unterstützen . Wenn nur jeder Besuchter 10.- bezahlt hätte …. Tja so wird es weiter ein Sterben geben in der Kunst in der Fotografie .

  2. Sehr schade, denn so etwas braucht eine Stadt, die sich gerne als Weltstadt präsentieren will. Ausserdem ist die Fotografenzahl und -dichte in Zürich immens.
    Ich fand das Grundkonzept aus freier Galerie (Künstler mieten Ausstellungsfläche), Museum (Eintritt) und Begegnungsgort sehr gut. (In den Details hat es mich nicht komplett überzeugen können. Die Sommerpausen waren viel zu lang und damit kontraproduktiv.)
    Ich fände es toll, wenn sich wie mit der Bastei 1.0 immer wieder gut gelegene Orte für temporäre Nutzung finden liessen.

  3. Ein grosser Verlust für die Stadt Zürich.
    Auch wenn mir persönlich einige aufeinanderfolgende Ausstellungen zu einseitig, zu themenlastig waren, finde ich das Konzept mit Dunkelkammer, Bar, Bücherei, Event-Bühne , mietbaren Ausstellungsräumen und Museum gut , ja EINZIGARTIG, absolut genial.
    Unterstützungswert.
    .
    Die Photobastei ist ein interessantes Aushängeschild für Fotografiekunst in Kombination mit Events und Unterhaltung, die ein Bedürfnis in der Stadt ist.
    .
    *Photobastei* ist eine Institution mit der sich Zürich _im positiven Sinne_ schmücken kann und könnte.
    Gerade im Zusammenhang mit FOTOGRAFIE & TOURISMUS
    .
    Privates Engagement in dieser Form ist zu würdigen, denn es ist eine Bereicherung für die Stadt, ein Qualitäts-Mehrwert.
    .
    Ich meine: die Stadt sollte jetzt reagieren.

  4. Ich stimme meinen Vorrednern in manchen Dingen zu, besonders auch dem Schlusswort von Ursula.
    Und ja, so etwas bräuchte Zürich.
    Ich finde, es gab nichts auszusetzen.
    Nur : die Fotografie hat in der Schweiz und vor allem Zürich nicht mehr den Stellenwert wie einst. Im Geschwafel vlt schon, aber nicht in der Praxis.
    Das Fotojahr hätte besser beginnen können.

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