Urs Tillmanns, 19. Januar 2020, 09:54 Uhr

Sigma fp: Die kleinste Spiegellose mit Vollformat im Praxistest

Nach der Ankündigung der L-Mount-Allianz von Leica, Panasonic und Sigma auf der Photokina 2018 (Fotointern berichtete) war ja zu erwarten, das Sigma bald eine Vollformat-Systemkamera bringen würde. Im Laufe des letzten Jahres verdichteten sich dann auch prompt die entsprechenden Gerüchte, und im Juli 2019 (Fotointern berichtete) wurde die Sigma fp schliesslich offiziell vorgestellt. Die ersten finalen Exemplare gab es dann am Salon de la Photo im letzten November in Paris (Fotointern berichtete) zu sehen, und seither kämpft die Sigma fp im Markt gegen ihre Nebenbuhlerinnen, die alle grösser und schwerer sind.

Keine Frage: Die Sigma fp ist mit den Abmessungen 113 x 70 x 46 mm die derzeit kleinste Vollformat Systemkamera des Marktes – und mit nur 422 Gramm (inklusive Akku und Speicherkarte) auch die leichteste. Allerdings wird die «nackte» Kamera kaum einen Designpreis gewinnen, noch ist sie besonders haptisch. Das glatte Kameragehäuse ohne Belederung hat man nicht besonders gut im Griff, vor allem nicht mit feuchten Händen oder beim regnerischen Allwettereinsatz, für welches das Gehäuse extra spritzwasserfest abgedichtet ist.

Einer der beiden optional lieferbaren Handgriffe, der kleinere HG-11 oder vor allem der grössere HG-21, schafft Abhilfe und ist eigentlich schon fast ein Muss, um mit der Kamera sicher arbeiten zu können. Allerdings erweist sich die kleine und eckige Form wieder als vorteilhaft, wenn man die Sigma fp für professionelle Videoaufnahmen in ein Rig montieren will.

 

Die Sigma fp mit dem kleinen Handgriff HG-11 (links) und dem grösseren HG-21

Die einfache Form der Sigma fp ist jedoch Teil des Konzepts. Sigma stellt mit der fp das Herz eines modularen Systems vor, an welches nach Belieben und Bedarf die entsprechenden Zubehörteile angeschlossen werden können: Griffe, Blitzschuh, Sucheransatz etc – immer dann, wenn man sie braucht. Es sind aber auch Dinge weggelassen worden, die man eigentlich erwarten würde, wie ein mechanischer Verschluss (sie hat «nur» einen flüsterleisen elektronischen mit Verschlusszeit von 30 bis 1/8000 s), einen zweiten Speicherkarteneinschub oder einen elektronischen Sucher.

Akkuschacht und SD-Karteneinschub sind kombiniert unter einem Deckel. Eine zweite SD-Karte hat hier keinen Platz

Ebenfalls weggelassen wurde ein Schwenk-Display, ein heute übliches Feature, das von vielen Praktikern vermisst wird. Dass sich Sigma auf das Wesentliche konzentriert hat, ist unter der Prämisse verständlich, die kleinste Vollformat-Systemkamera zu konstruieren. Da zählt jeder Millimeter. Nur schon ein Zubehörschuh hätte die Kamera deutlich vergrössert. Deshalb ist im Lieferumfang eine seitlich anschraubbare Blitzschuheinheit enthalten, die mit einem Stativgewinde und einer Mikrofonbuchse versehen ist – jedoch nicht mit einem Kopfhöreranschluss, den Videofreaks wahrscheinlich vermissen werden.

Die anschraubbare Blitzschuheinheit weist ein Stativgewinde und einen Mikrofoneingang auf

Was ebenfalls zum Lieferumfang gehört, sind die beiden anschraubbaren Riemenösen, um daran eine Handschlaufe oder einen Schulterriemen befestigen zu können. Clever gelöst: Die Gewinde der Riemenösen sind normale 1/4-Zoll-Gewinde, womit die Kamera auch im Hochformat auf einem Stativ befestigt werden kann.

An den beiden Riemenösen kann ein Kamerariemen montiert werden. Praktisch, dass es sich dabei um übliche 1/4-Zoll Stativgewinde handelt

Die Anschlüsse der Sigma fp. Schade gibt es keinen Kopfhöreranschluss 

Das Gehäuse kommt recht nüchtern daher, was die Einstellelemente anbelangt. Auf der Oberseite gibt es einen Hauptschalter, den Umschalter für Foto- und Videoaufnahmen, den (sehr gut) versetzten Videoauslöser und das vordere Einstellrad mit dem grossen Auslöser in dessen Mitte. Auf der Rückseite gibt es rechts neben dem 3,15-Zoll grossen TFT-Monitor, der zugleich als Touchscreen nützlich ist, das hintere Einstellrad mit OK-Knopf in der Mitte, das auch als Vierwegwippe dient, dann die AE-Lock-Taste, die Quickset-Taste (Quickset-Menü ist konfigurierbar) sowie die Menütaste. Unterhalb des Bildschirms gibt es fünf Knöpfe für die Bildbetrachtung, die Anzeigenumschaltung des Monitors, die «Tone»-Reglertaste (um in der Gradationskurvendarstellung die Schatten- und Lichterwiedergabe zu verändern), die «Color»-Taste für verschiedene Farbeinstellungen sowie «Mode»-Taste für die Anwahl der Belichtungsfunktionen P/S/A/M.

Vor dem Display sind die Kanäle für die passive Wärmeableitung des Sensors und des Prozessors auf drei Seiten zu erkennen, die den Anschein erwecken, man könne den Monitor bewegen, was leider nicht der Fall ist. Hingegen zeichnet sich der Monitor durch ein sehr gutes Sucherbild mit 2,1 Millionen Bildpunkten aus, das auch in einem starken Seitenwinkel sehr gut einsehbar ist. Zudem bietet Sigma den elektronischen Sucher LVF-11 mit 2,5-facher Vergrösserung als Zubehör an, der in heller Umgebung sicher sehr nützlich ist.

Der rückseitig belichtete CMOS-Sensor entspricht üblicher Bauart mit RGB-Bayer-Filter, nicht etwa dem dreischichtigen Foveon-Sensor, der bisher in den Sigma-Kameras verbaut wurde. Der Sensor weist die derzeit weitverbreitete Auflösung von 24,6 Megapixel (6000 x 4000 px) auf und besitzt keinen Tiefpassfilter. Videos können maximal in 4K-UHD/30p und in Full HD aufgenommen werden. Allerdings haben wir die Videofunktionen der Kamera nur rudimentär und nicht vertieft ausprobiert. Die Sigma fp zeichnet die Fotos wahlweise oder simultan im DNG-Raw- und im JPEG-Format sowie Videos im Cinema-DNG oder im komprimierten H.265-Format intern auf SD-Karten auf. Videos können per HDMI auch extern mittels Field-Videorecorder (z.B. von Atomos oder Blackmagic Design) aufgezeichnet werden.

Klare und logische Menü-Struktur. Besonders interessant ist die Tone-Funktion (Mitte), mit welcher die Schatten- und Lichterbereiche verstärkt oder abgeschwächt werden können. Links die Ansicht des Quickmenüs, in welchem die acht wichtigsten Funktionen selbst konfiguriert werden können. Rechts das Menü für den Weissabgleich.

 

Die Sigma fp in der Praxis

Die Zeit um den Jahreswechsel war ideal um zusammen mit Sigma-Ambassador Christian Herbert Hildebrand die Sigma fp auf der Insel Elba in der Praxis zu erproben. Zusammen mit seiner Frau Zaboo führt er auf dieser Insel, die sie als ihre «zweite Heimat» kennen, seit vielen Jahren beliebte Fotokurse durch. Auch war der Zeitpunkt ideal, da es anfangs Januar auf Elba kaum Touristen gibt und das Wetter meistens warm und sonnig ist. Und Motive, um Kameras und Objektive zu testen, gibt es auf Elba ebenso viele, wie feines Essen und köstlichen Wein …

Unsere Textausrüstung: Die Sigma fp, das Sigma 2,8/45mm DG DN, das Sigma 2,8/14-24mm DG DN sowie das Sigma 2,8/24-70 mm DG mit Canon-Anschluss und ein Novoflex Nikon-L Adapter

Mit im Gepäck waren neben der Kameras das kompakte Sigma 2,8/45mm DG DN, das Sigma 2,8/14-24mm DG DN sowie das Sigma 2,8/24-70 mm DG mit Canon-Anschluss und dem Sigma Canon EF-L Adapter (weil das Sigma 2,8/24-70 mm mit L-Anschluss noch nicht verfügbar war), sowie ein Novoflex Nikon-L Adapter, um die Flexibilität auch mit Nikon-Objektiven erproben zu können. Damit ist auch schon gesagt, dass die beiden Adapter bestens geeignet für Canon- und Nikon-Fotografen sind, die ihre bestehenden Objektive an der sehr kompakten Sigma fp weiterhin verwenden möchten. 

 

Abendstimmung auf Elba. Auch solche grossen Kontraste bewältigt die Sigma fp bravourös und mit viel Reserve

 

Unkorrigierte JPG-Datei. Es sind fast keine Farb- oder Kontrastkorrekturen erforderlich.

 

Die DNG- aber auch die JPG-Dateien lassen sich sehr wirkungsvoll bearbeiten (Seitenteiler in Pfeilrichtungen verschieben)

Was sofort auffällt: Die Sigma fp hat eine relativ lange Einschaltzeit von etwa zwei Sekunden. Um keine Aufnahmesituationen zu verpassen, empfiehlt Christian die Kamera beim Shooting immer eingeschaltet zu lassen, weil sie aus dem Stand-by schneller schussbereit ist. Tatsache ist, dass die Sigma fp generell relativ viel Strom braucht, und dass die von Sigma angegebenen 280 Aufnahmen (in DNG + JPG) von uns nie erreicht wurden. Mit beiden uns zur Verfügung gestellten Akkus war jeweils nach rund 200 Bildern Schluss. Dabei hatten wir die automatische Bildkontrolle immer ausgeschaltet und die Bilder nur dann betrachtet, wenn es zur Kontrolle absolut nötig war.

Der Autofokus mit Kontrastdetektion (keine Phasendetektion) arbeitet vor allem bei Einzelaufnahmen auf detailreiche Motive sehr schnell, doch empfiehlt es sich bei kontrastarmen Sujets unter Umständen manuell am Objektiv nachzukorrigieren, was mit der AF-Lupe sehr komfortabel funktioniert. Das Verschieben, bzw. Platzieren des AF-Messpunktes erfolgt am besten mit dem Finger auf dem Touchscreen. Das ist erheblich schneller als das Einschalten der entsprechenden AF-Funktion und das Verschieben des Fokuspunktes mittels der Vierwegtaste. Diese ist übrigens sehr leichtgängig, was ein versehentliches Verstellen begünstigt.

Besuch in der Uhrenfabrik Locman auf der Insel Elba. Die Schärfeleistung des Kompaktobjektivs Sigma 2,8/45mm DG DN ist auch im Nahbereich überzeugend

 

Der L-Mount Anschluss der Sigma fp bietet grösste Flexiblität, was das Objektivangebot anbelangt, welches mit verwendbaren Adaptern noch umfangreicher wird. Bei dieser Nahaufnahme benutzt Christian  den Nikon/L-Mount Adapter  von Novoflex mit dem AF Micro-Nikkor 1:2,8/60mm 

Bei Serienbildern tut sich der Autofokus eher schwer, und die Anzahl an scharfen Bildern ist je nach gewählter Seriengeschwindigkeit nicht besonders ergiebig. Bei H (High) sind es 15 Bilder, bei M (Medium) sowie bei L (Low) 19 Schüsse, bis sich der (zu kleine) Puffer eine kurze Verschnaufpause gönnt. Wie in dieser Kameraklasse üblich ist die Sigma fp mit Gesichts- und Augenerkennung versehen, sofern man dies nutzen will.

 

Während bei Einzelbildern der Autofokus schnell und effizient ist, hat er bei Bildserien etwas Mühe. Zudem ist im Serienmodus nach 15 bis 20 Bildern Schluss

 

Abendspaziergang im Hafen von Portoferraio mit 5000 ISO. Die Sigma fp bewältigt den Farbkontrast und die Schattenzeichnung hervorragend

Die Belichtungsmessung erfolgt als mittenbetonte Integral-, als Mehrfeld- oder als Spotmessung sehr präzise und verlässlich – dies auch bei extremen Gegenlichtsituationen. Sie kann mit ±5 Lichtwerten in 1/3-Stufen korrigiert werden (bei Cine ±3EV), was die meisten anderen Modelle ebenso übertrifft, wie eine Mindest-Belichtungsmessempfindlichkeit von -5 EV (bis maximal 18 EV mit 1,4/50mm bei ISO100). Die Systemempfindlichkeit reicht von ISO 100 bis 25600 und ist auf ISO 6, 12, 25, 50 bis 51200 und 102400 erweiterbar, was wir allerdings nicht ausprobiert hatten, da diese Extremempfindlichkeiten nur in Ausnahmefällen Sinn machen. Jedenfalls bietet die Sigma fp ein sehr gutes Rauschverhalten bis ISO 12800 und ist deshalb mit den lichtstarken Sigma- und anderen Objektiven mit L-Mount besonders auch für Reportage im Lowlight-Bereich geeignet.

Die Sigma fp überraschte in den hohen ISO-Zahlen. Bis 12’800 ist kaum ein Rauschen festzustellen. Erst bei ISO 25’600 leidet die Schärfeleistung (Fotointern-Standardtest)

Allgemein punktet die Sigma fp mit einer sehr guten Datenqualität, nicht nur was die Raw-Daten mit weit verbreiteten DNG-Dateien anbelangt (Speicherung DNG 12 oder 14 bit, bei CinemaDNG 8bit / 10bit/ 12bit / MOV H.264 (ALL-I/ GOP), sondern auch die JPEGs sind von hervorragender Qualität und bieten ein reiches Potenzial für die Bildbearbeitung. Die kamerainterne Schärfung der JPEGs ist allerdings etwas stark geraten, denn die JPEGs neigen zu Schärfe-Artefakten.

 

Impressionen der Insel Elba in einer Bilderschau – fotografiert von Christian H. Hildebrand mit der Sigma fp

Das Fazit

Alles in allem ist die Sigma fp ein gelungener Wurf, auch wenn sie nicht in allen Belangen mit den grossen (und etwa gleich teuren) Schwestern mithalten kann. Doch die hervorragende Datenqualität, das minime Rauschen bei hohen ISO-Werten, der modulare Aufbau und vor allem die kompakte Bauweise wiegen viele der erwähnten Schwachpunkte auf. Bleibt abzuwarten, was Sigma mit Firmware-Updates noch verbessern kann und was spätere Modelle dieser Art noch bringen werden. Denn schliesslich ist die Sigma fp die erste einer neuen Kameraklasse.

Praxisaufnahmen: Christian H. Hildebrand
Einstiegsbild: Zaboo
Produktebilder und Text: Urs Tillmanns

Weitere Informationen finden Sie auf der Sigma-Produktseite, sowie beim Schweizer Sigma-Importeur

Ott + Wyss AG
CH-4800 Zofingen
Tel. 062 746 01 00

 

Sigma fp: Teile und Bezeichnungen:

 

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Ein Kommentar zu “Sigma fp: Die kleinste Spiegellose mit Vollformat im Praxistest”

  1. Ein lesenswerter Bericht. Finde, die fp läßt sich aufgrund des Konzept nur beschränkt mit anderen Kameras vergleichen. Mir gefällt der modulare Aufbau. Wohl eher eine Kamera für Reisen, Landschaft & besondere Fälle.
    Ich schätze, „normalere“ L-Mount KB Kameras mit Foveon werden noch folgen.

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